US-Vorwahlen: Absturz in New Hampshire zwingt Clinton zum Neustart

Aus Manchester, New Hampshire, berichtet Veit Medick

Clinton in New Hampshire: Gute Miene zur bösen Pleite
AFP

Was für eine Schlappe! Mit mehr als 20 Prozentpunkten Abstand verliert Hillary Clinton gegen Bernie Sanders. Die Ex-First-Lady muss ihre Kampagne neu justieren, denn sie hat drei gewaltige Probleme.

Schlechte Stimmung soll gar nicht erst aufkommen. Hillary Clintons Kampagnen-Crew spielt laute Musik, ihre Fans schwenken die Fähnchen, es gibt Sprechchöre und Jubelschreie. „Wow“, ruft Clinton gleich zu Anfang ihres Auftritts in der South New Hampshire Universität. „Ich weiß gar nicht, was hier los gewesen wäre, wenn wir gewonnen hätten!“

Das ist natürlich ein ganz launiger Einstieg, doch die Ex-Außenministerin weiß, dass vielen ihrer Anhänger nach diesem Abend das Lachen vergangen sein dürfte. Clinton hat in New Hampshire gegen Bernie Sanders verloren. Das war weithin erwartet worden. Aber es ist eine ziemlich heftige Niederlage geworden. Mehr als 20 Prozentpunkte liegen zwischen ihr und dem 74-jährigen Senator.

Wer die Dynamik im US-Wahlkampf kennt, weiß, dass jetzt einiges infrage gestellt werden dürfte: ihre Botschaft, ihre Mannschaft und womöglich sogar ein wenig sie selbst.

Wie schwer die Niederlage ist, wird klar, wenn man ein wenig in die Details einsteigt. Sie wirkt dann fast, wie ein Misstrauensvotum. Für Clinton sind es vor allem drei große Erkenntnisse, die sie mit Blick auf den weiteren Verlauf der Vorwahlen beunruhigen müssen:

  • Sie hat, das zeigte schon der Caucus in Iowa, so gut wie keinen Rückhalt unter jungen Demokraten. Sanders gewann in dieser Wählergruppe mit 70 Prozentpunkten Vorsprung.
  • Sie liegt, obwohl sie ihre Kampagne besonders frauenpolitisch verankert hat, nicht einmal mehr in der weiblichen Wählerschaft vor ihrem Rivalen.
  • Und sie hat, was viele schon immer geahnt haben, ein erhebliches Imageproblem. Jene Wähler, die in New Hampshire danach entschieden, wie ehrlich und vertrauensvoll ein Kandidat auf sie wirkt, stimmten zu 93 Prozent für Sanders. Nochmal: 93 Prozent. „Das hat Kim-Jong-Unsche Ausmaße“, schreibt die „Washington Post.“

Man kann das, wie Clinton und ihre Leute es jetzt tun, auf die Verhältnisse in New Hampshire schieben. Sanders, so eine Erklärung, stamme aus dem Nachbarstaat Vermont. Und die Wählerschaft im New-England-Staat sei überwiegend weiß und liberal. Jene Minderheiten, in denen Clinton deutlich besser verankert sei, kämen ja erst in den anstehenden Vorwahlen in South Carolina und Nevada ins Spiel.

Alles richtig, irgendwie.

Aber angesichts der Tatsache, dass sie New Hampshire gegen Barack Obama 2008 noch gewonnen hatte, klingt das auch gewaltig nach Schönfärberei.

Clinton hat Sanders und den über seine Person hinausgehenden Unmut vieler Demokraten über die alte Garde der Partei unterschätzt. Der Langzeitsenator, der seine Bewerbung im vergangenen Jahr in einer mehr oder weniger improvisierten Pressekonferenz kundtat, hat eine Diagnose und eine Botschaft. Seine Diagnose lautet, dass die Verhältnisse in Washington verkommen sind und die Wirtschaft nur den Eliten dient. Seine Botschaft ist, dass er beides ändern will. Das ist für einen Präsidentschaftskandidaten fast schon unverschämt simpel.

Clintons Strategen müssen sich nun beweisen

Aber die Botschaft sitzt. Sie ist ein Aufschrei, und viele machen mit. Clinton setzt auf ihre Erfahrung, aber wenn Menschen vom System insgesamt ein schlechtes Bild haben, ist Erfahrung darin nicht viel wert.

Wenn im Rennen um die Kandidatur nicht etwas wirklich ins Rutschen geraten soll, muss sich in Clintons Kampagne etwas tun und zwar recht schnell. David Axelrod, der Stratege, der Obama einst ins Weiße Haus verhalf, rät ihr, weniger über sich selbst, als über die Menschen im Land zu reden. Andere drängen sie dazu, maßgebliche Positionen in ihrer Kampagne neu zu besetzen.

Aber vielleicht würde es schon helfen, wenn sie zum Beispiel mal offenlegt, was genau sie in ihren hoch bezahlten Reden vor den Wall-Street-Banken genau gesagt hat, damit sich überprüfen lässt, ob sie den Bankern wirklich so forsch gegenübertrat, wie sie behauptet. Integrität ist das, was die Wähler an ihrem Rivalen schätzen und an ihr vermissen. Das lässt sich aus den Ergebnissen in New Hampshire herauslesen.

Sanders träumt von weiteren Siegen

Und Sanders? Ist obenauf, träumt von weiteren Siegen und einem Lauf bis ins Weiße Haus. Bei seiner Siegesfeier lässt er sich viel Zeit, spricht über den Mindestlohn und seine Uni-Pläne, die Sozialversicherung und den Krieg im Nahen Osten. Es ist eine sehr programmatische Rede dafür, dass seine Leute eigentlich nur feiern wollen. Aber unklug ist sein Manöver nicht. Denn das Fernsehen überträgt live, die Einschaltquoten sind hoch, und viele Menschen außerhalb von Iowa und New Hampshire sehen ihn jetzt zum ersten Mal. Es ist ein Vorstellungsgespräch der anderen Art, Siegerstimmung inklusive.

Der Erfolg am Dienstag macht es ihm in den anstehenden Urnengängen ohne Zweifel deutlich leichter. Aber auch er weiß, dass die Vorwahlen jetzt erst richtig beginnen und es weiterhin eine Sensation wäre, wenn er sich am Ende die Nominierung der Demokraten sichern würde.

Der Fluch des Erfolgs liegt darin, dass jetzt alles genauer betrachtet und nach Anfälligkeiten durchsucht werden dürfte: seine Biografie, sein Leben, seine Arbeit im Senat. Parallel muss Sanders zeigen, ob er auch jene Wählergruppen erreichen kann, zu denen Clinton ein gewachsenes Verhältnis hat: schwarze Amerikaner, Einwanderer, Latinos. Viele von diesen Wählern sind weniger für Träumereien empfänglich als für eine pragmatische Politik, die ihre Lebensumstände erst einmal ein Stück weit verbessert. Es droht ein regelrechter Kampf um die Minderheiten.

Und kämpfen kann und will Clinton, das zeigte sie noch am Abend. „Es kommt nicht darauf an, ob man niedergeschlagen wird“, rief sie: „Es kommt darauf an, ob man wieder aufsteht.“

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Zusammengefasst: Bernie Sanders hat Hillary Clinton deutlich geschlagen. Eine Niederlage hatte das Clinton-Team eingepreist. Doch der große Abstand stürzt die Ex-Außenministerin in die Krise. Sie wird ihre Botschaft überdenken und ihre Kampagne neu justieren müssen. Bei den kommenden Vorwahlen dürfte es zwischen beiden zum Kampf um die Minderheiten kommen.

Quelle: Spiegel-online vom 10.02.2016

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Ulrike
Ulrike
8 Jahre zuvor

Es wäre besser für Amerika und die Welt wenn sie nicht mehr starten würde.

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