Berlin – Strategie-Wende bei der AfD: Die Rechtsaußen-Partei verabschiedet sich im Grundsatz-Papier von Begriffen wie Remigration, verordnet sich staatstragende Benimmregeln und arbeitet an einer Verbrüderung mit der Wagenknecht-Partei BSW.

„Wenn die AfD sich mäßigte und glaubhaft machte, dass sie auf dem Boden der freiheitlich-demokratischen Grundordnung steht, wäre das in der Tat ein Problem für die Union“, sagt Andreas Rödder (Uni Mainz), Historiker und CDU-Intellektueller, zu BILD.

▶︎ So könnte die Weidel-Partei CDU/CSU gleich doppelt schwächen: „Eine gemäßigte AfD könnte die Union unter Druck setzen, indem sie Positionen der Union verträte, während die Union in der Koalition Zugeständnisse an die SPD (und in Fragen wie der Richterwahl auch an Grüne und die Linke) machen muss“, so Rödder.

Zudem würde „ein Kurs der Mäßigung für die Union eine massive Herausforderung in ihrer Argumentation gegenüber der AfD bedeuten“. Heißt: Die Brandmauer ließe sich schwerer rechtfertigen.

▶︎ Die Umfragen geben ihm recht: Laut INSA könnten sich weitere acht Prozent der Bundesbürger vorstellen, die AfD zu wählen. Die Hälfte von ihnen wählt derzeit CDU/CSU. Die stark geschwächte SPD hat in der Vergangenheit hunderttausende Wähler an die AfD verloren, von den verbliebenen würde kaum noch jemand Rechtsaußen wählen.

Allerdings sei es „eine offene Frage, ob die AfD – entgegen ihrer Entwicklung in den letzten Jahren – einen Kurs der Mäßigung glaubhaft machen könnte oder ob es sich um eine vorgeschobene Legalitätstaktik handelt“, mahnt Rödder.

Historiker und CDU-Intellektueller Andreas Rödder (57, Uni Mainz) mit Parteichef Friedrich Merz

Foto: Ralf Günther

Er meint: Die AfD könnte mit der Streichung von Begriffen wie „Remigration“ vor allem versuchen, vor Gericht gegen den Verfassungsschutz zu punkten, der die Partei als „gesichert rechtsextremistisch“ einstufte.

Denn ein neues Grundsatz-Papier ist noch keine Mäßigung der Gesamtpartei: Das rechtsextreme Lager der AfD, angeführt vom Chef des thüringischen AfD-Landesverbandes Björn Höcke, wehrt sich gegen mögliche Bewegungen in die politische Mitte. „Die AfD gibt den Begriff ‚Remigration‘ nicht auf“, erklärte Thüringen-Generalsekretär Daniel Haseloff. Andere warnten vor einer „Merkelisierung“ der Partei.

AfD-Pakt könnte für BSW gefährlich werden

Deutlich konkretere Folgen hätte ein Bündnis mit dem BSW von Sahra Wagenknecht, vor allem im Osten. In Sachsen kommt laut INSA die AfD (35 Prozent) mit dem BSW (11 Prozent) in die Nähe der absoluten Mehrheit. In Sachsen-Anhalt und Brandenburg sehen Umfragen die beiden Parteien zusammen bei rund 40 Prozent. In Thüringen hätten AfD und BSW schon jetzt eine Mehrheit im Parlament.

In der CDU wird das genau, aber skeptisch beobachtet. In Thüringen werde es „ganz sicher keine Zusammenarbeit geben“, sagt ein hochrangiger CDU-Politiker zu BILD und begründet dies mit der Haltung der BSW-Chefs im Land. Ähnliche Einschätzungen gibt es zur BSW-Spitze in Sachsen.

Aus einem ostdeutschen CDU-Landesverband wird ein Anbandeln der Parteien vor allem als Risiko für das Wagenknecht-Bündnis gesehen. Geht sie den Rechtspakt ein, dürfte das BSW als AfD-Gehilfe wahrgenommen werden und Wähler an die erstarkende Linkspartei verlieren. Dass aus Umfrage- auch Wahl-Mehrheiten werden, gilt in der Union also noch lange nicht als ausgemacht.