Nach dem Mauerfall vor rund 30 Jahren sind nach Ansicht des früheren sowjetischen Staatschefs Gorbatschow nicht alle Erwartungen erfüllt worden. Die Menschen hätten damals auf ein Ende der Teilung Europas, aber auch auf eine neue Ära des Friedens gehofft, sagte der 88-Jährige der Agentur Interfax zufolge.
So sei auf unserem Kontinent keine verlässliche Architektur einer gemeinsamen Sicherheit sowie kein System zur Lösung von Konflikten geschaffen worden. Offenbar mit Blick auf Spannungen seines Heimatlandes mit EU und Nato-Staaten äußerte der Friedensnobelpreisträger die Hoffnung, dass die gegenwärtige Krise überwunden werden könne. Und dass die jetzige Generation der politischen Führungsspitze in der Lage sei, Weisheit und Verantwortung zu zeigen, um den Dialog wiederherzustellen.
Steinmeier drückt Dankbarkeit Deutschlands aus
Derweil drückte Bundespräsident Steinmeier in einem Brief eine tiefe Dankbarkeit aus, zu der Deutschland Gorbatschow auf immer verpflichtet sei. Ohne dessen mutige und menschliche Entscheidungen wäre das Wunder der friedlichen Wiedervereinigung und das Ende der Teilung Europas nicht möglich gewesen.
Merkel: Leistung Ostdeutscher stärker würdigen
Bundeskanzlerin Merkel forderte, die Leistung der Ostdeutschen für die Überwindung der SED-Diktatur stärker zu würdigen. Die Einheit von Ost und West sei gemeinsam gestaltet worden, und das Geschick des damaligen Bundeskanzlers Kohl habe eine große Rolle gespielt, sagte Merkel dem Magazin „Spiegel“. Aber die Friedliche Revolution und der 9. November 1989 seien das Werk der DDR-Bürger gewesen. Geschafft hätten sie dies mit einer „ganzen Menge Mut“. Zugleich wisse sie, dass für Ostdeutsche einer bestimmten Generation das Leben mit der Friedlichen Revolution zwar frei, aber nicht immer einfacher geworden sei.
Kritik dürfe nicht in Aggression umschlagen
Mit Blick auf die heutigen Lebensumstände erklärte die Kanzlerin, mögliche Kritik dürfe nicht in Aggression umschlagen. Auch wenn man etwa mit dem öffentlichen Nahverkehr, der ärztlichen Versorgung, dem staatlichen Handeln insgesamt oder dem eigenen Leben nicht zufrieden sei, folge daraus kein Recht auf Hass und Verachtung für andere Menschen oder gar Gewalt.
Quelle: Deutschlandfunk vom 06.11.2019