Mit Lärm gegen Lärmschutz: 16 500 Biker bei Motorrad-Demo in Leipzig
staseve
Mit so vielen Bikern hatten sie nicht gerechnet: 16 500 Maschinen knatterten am Sonntag durch Leipzig. Mit Hupen und heulenden Motoren machten die Fahrer ihrem Ärger über ein Vorhaben des Bundesrats Luft: dass Motorräder künftig weniger Krach machen dürfen.
Wie brüllt James Hetfield gleich noch in dem Metallica-Gassenhauer? „Fight Fire With Fire!“ Die Thrashmetal-Band dürfte auch unter den 16 500 harten Jungs und Mädchen, die am Sonntagnachmittag auf ihren Motorrädern protestierend durch Leipzig gecruist sind, ihre Anhänger haben.
Und wenn sich also Feuer mit Feuer bekämpfen lässt, dann klappt ja vielleicht auch, was sie auf die Straße treibt: mit Lärm strengeren Lärmschutz zu verhindern. „Leis ist scheiß“, steht auf Siggis Kutte. Es ist Sonntagvormittag, der 65-jährige Präsi der Motorradfreunde Wintersdorf hat seine Harley auf dem Parkplatz des Paunsdorf-Centers abgestellt, und Conny – sie gehört ebenfalls zu dem Club aus dem Altenburger Land – beschwert sich: „Wir werden alle über einen Kamm geschoren.“
„Wir alle“, das sind mehr als vier Millionen Motorradfahrer in Deutschland, die sich offensichtlich sehr über ein Gesetzesvorhaben aus Nordrhein-Westfalen vom Mai aufregen. Drucksache 125/1/20: „Entschließung des Bundesrates zur wirksamen Minderung und Kontrolle von Motorradlärm“.
Um mögliche Fahrverbote an Sonn- und Feiertagen, die Abschaffung von Soundmanagement-Systemen und Lärmobergrenzen dreht sich seither die Diskussion.
Oder wie es Steffen Fiedler vom Motorrad-Club „ Leipzig Chapter 123 “ später über den Augustusplatz rufen wird: „Die Politiker wollen uns den Spaß nehmen, mit Kumpels unterwegs zu sein!“ „Der liebe Gott ist ein Motorradfahrer“: Schon vergangenes Wochenende versammelten sich die Biker zu großen Demo-Fahrten in Stuttgart, Dresden, München, am Bodensee.
Für diesen Sonntag hatte der „ Runde Tisch Leipzig “, zu dem sich 17 Motorradclubs der Region zusammengeschlossen haben, lediglich 600 Demonstranten angemeldet. Es sind aber deutlich mehr: Die Luft ist stickig am Paunsdorf-Center, es knarrt und röhrt überall. Aber aus wie vielen Auspuffen? Niemand beansprucht einen Überblick: nicht die Veranstalter, nicht die Verkehrswacht, nicht die Polizei. „Der liebe Gott ist ein Motorradfahrer“, jubelt jedenfalls Matthias über den Andrang und über das gute Wetter.
Sein 16-jähriger Sohn Felix steht neben ihm, er wird gleich aufs Moped steigen. „Wir demonstrieren, damit er später auch noch schöne Touren fahren kann, sobald er den richtigen Führerschein hat“, erklärt der Leipziger. Die Sirene eines Megafons jault. Es ist kurz vor zwölf, eigentlich sollten die Maschinen schon seit einer Stunde Richtung Augustusplatz brummen, als Präsi Waldi vom Feuerwehr-Motorradclub „ Red Knights “ verkündet, dass es gleich losgeht.
Weil es so viele sind, dürfen die Biker auf zwei statt einer Spur fahren, vier statt zwei Motorräder nebeneinander. Trotzdem wird es ziemlich genau 100 Minuten dauern, bis sie alle am Augustusplatz und drumherum ankommen werden. Hier sollte jetzt besser keine Radarfalle blitzen: Nach den Nummernschilder sind es vor allem Motorradler aus der Region: Muldental, Nordsachsen, Burgenlandkreis, Halle, Jena, Wittenberg, Saalekreis und Leipzig selbstredend. Schaulustige säumen den Weg, einige haben Campingstühle mitgebracht, einer sogar eine Liege. Ein Rettungswagen parkt am Kleingartenlokal Vorstadtbaude. Immer wenn ein Motor besonders laut aufheult, schaltet der Mann am Lenkrad kurz das Martinshorn an.
Am Hauptbahnhof stecken hunderte Passanten an den Ampeln und Straßenbahn-Haltestellen fest. Die Fahrbahn hingegen ist vergleichsweise frei. Die Motoren heulen auf, hier sollte jetzt besser keine Radarfalle blitzen. Auf dem Augustusplatz dröhnt Bruce Springsteen aus den Lautsprechern. Er singt davon, „Tougher Than The Rest“ zu sein. „Was für eine geile Party!“, begrüßt Präsi Waldi die Menge. Er bedankt sich bei Polizei und Verkehrsbetrieben, mahnt, keinen Abfall liegen zu lassen und kündigt den Starredner an: Michael Ahlsdorf, Chefredakteur der „ Bikers News “, eines Magazins, dem momentan der Verlag fehlt. „Aus unseren Auspuffen kommt keine Musik“: Ahlsdorf tritt allerdings auf die Bremse: Der Bundesrat fordere kein grundsätzliches Fahrverbot, klärt er auf, auch nicht zeitweilig, sondern wolle die Möglichkeit schaffen, zum Lärmschutz zeitlich begrenzt bestimmte Strecken zu sperren. „So was kann man überleben“, findet er.
Und das mit dem Soundmanagement sei ja ehrlich gesagt so eine Sache. Das Ganze ist ein bisschen wie die Abgas-Schummelei bei VW, nur legal: Klappenauspuffe lassen Motorräder bei einer geforderten Geschwindigkeit leise bleiben, aber erst recht dröhnen, wenn man stärker aufs Gas geht. „Es bringt nichts, wenn wir uns wie Halbstarke benehmen. Dann werden wir auch wie Halbstarke behandelt“, sagt Ahlsdorf. „Aus unseren Auspuffen kommt keine Musik.“
Dafür aus den Lautsprechern: AC/DC, „Highway To Hell“. Waldi verkündet die offizielle Teilnehmerzahl, und in einem Hupkonzert endet die geile Party, Pardon: die Demo, bei der 16 500 Motoren gegen den Lärmschutz aufgeheult haben.
Quelle: Leipziger Volkszeitung vom 12.07.2020
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