Vogelgrippe rückt näher an Menschen heran: Droht die nächste Pandemie in MV?
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In der Ostsee vor Schweden und Polen sind 2021 tote Kegelrobben entdeckt worden, die an Vogelgrippe verendeten. Und immer häufiger sind Säuger von der Seuche betroffen. Forscher zeigen sich besorgt – denn die Viren hätten das Potenzial für eine Pandemie.
Martina Rathke
Greifswald.Droht nach Corona eine neue Pandemie? Der Vogelgrippe-Erreger H5N1 breitet sich immer häufiger nicht nur unter Vögeln, sondern auch in Säugetier-Populationen aus. Nach Nerzen in Spanien starben jetzt knapp 600 Seelöwen vor der Küste Perus an dem Erreger. Auch bei Seehunden im Kaspischen Meer und vor der Atlantikküste der USA sei der Erreger nachgewiesen worden. „Die Übertragungen von Säugetier zu Säugetier sind ein Warnsignal und eine neue Qualität“, sagt der Präsident des Friedrich-Loeffler-Instituts auf der Insel Riems, Prof. Thomas C. Mettenleiter. Bislang blieben diese Übertragungen lokal begrenzt.
In der Vergangenheit hatte der Virusstamm H5N1 schon den Sprung auf den Menschen geschafft. Die WHO zählte seit 2003 hunderte Erkrankungen. Mehr als die Hälfte der Erkrankten starb, allerdings an einer anderen Variante als der jetzigen. Die aktuelle Variante sei bislang nur in seltenen Fällen auf Menschen übertragen worden, so Mettenleiter. Die Krankheitssymptome waren leicht. „Wir müssen aber grundsätzlich davon ausgehen, dass Vogelgrippe-Viren das Potenzial für eine Pandemie haben.“
Funde in Nord- und Ostsee bislang Einzelereignisse
Auch Seehunde und Robben in Nord- und Ostsee hatten sich bereits infiziert, offenbar zunächst durch verseuchte Wasservögel. An der Ostseeküste vor Schweden und Polen wurden im Jahr 2021 tote Kegelrobben entdeckt, die am hochpathogenen H5N3-Erreger verendet waren, so Prof. Ursula Siebert von der Tierärztlichen Hochschule Hannover. In der Nordsee verendeten Seehunde an H5N8. In 2014 starben rund 1500 Seehunde in Kattegat und Nordsee, davon zehn Prozent am H7N10-Erreger. „Die Funde in Nord- und Ostsee waren bislang Einzelereignisse“, so Mettenleiter. Doch das müsse nicht so bleiben. „Je dichter die Populationen sind, desto einfacher fällt es dem Erreger, sich auszubreiten.“
Tom Peacock, Virologe am Imperial College in London, zeigte sich bereits nach dem H5N1-Ausbruch in der spanischen Nerzfarm im Herbst 2022 alarmiert. „Das ist unglaublich besorgniserregend“, sagte er dem Magazin „Science“. Für ihn sei dies „ein klarer Mechanismus“, wie eine H5-Pandemie starten könne.
Brückenwirt Schwein noch nicht betroffen
„H5N1 ist die derzeit global dominierende Variante, die auch in MV unter Wildvögeln grassiert“, sagt Mettenleiter. Andere Pandemien vor Corona seien von Influenza-Viren ausgelöst worden. Als Brückenwirt agierte dabei häufig das Schwein, das dem Mensch physiologisch stark gleicht. Eine Übertragung von H5N1 auf Schweine sei noch nicht beobachtet worden, gibt er Entwarnung. Um ein solches Szenario zu verhindern, seien hohe Biosicherheitsmaßnahmen notwendig.
Ursula Siebert sagt: „Wir müssen damit rechnen, dass die Vogelgrippe zunehmend Meeressäuger betrifft.“ Grund seien unter anderem veränderte Zugrouten von Wildvögeln im Zuge des Klimawandels. Sie rät: Abstand halten von toten Tieren. „Mit jeder Übertragung auf eine andere Tierart, eine sogenannte Spillover-Infektion, verändert sich der Erreger und wird gefährlicher für weitere Tierarten und den Menschen.“