London. Wokeness und Weißenhaß reagieren sich bevorzugt an den großen Persönlichkeiten der abendländischen (Geistes-)Geschichte ab. Jetzt ist der englische Nationaldichter Shakespeare (1564 – 1614) an der Reihe. Eine Studie der Universität Roehampton, die im Auftrag des Arts and Humanities Resarch Council der britischen Regierung durchgeführt wurde, unterstellt dem großen Dramatiker jetzt, daß sein literarisches Vermächtnis an einer „sexistischen“ und „rassistischen“ Theaterkultur schuld sein soll.
Der Leiter der Studie, Andy Kesson, beklagt laut dem britischen „Telegraph“, daß „Männlichkeit und Nationalismus die Hauptmotivationen für Shakespeares Aufstieg zum Richtmaß literarischer Größe waren“, und mahnt: „Wir müssen Shakespeares Platz im zeitgenössischen Theater viel, viel mißtrauischer betrachten.“
Lobend erwähnt die Studie hingegen einen Zeitgenossen Shakespeares, den heute weitgehend unbekannten John Lyly (1553/54 – 1606). Dessen Stück „Galatea“ biete demnach einen weitaus vielfältigeren Blick auf die Gesellschaft und sei daher viel eher geeignet, als nationales Kulturgut hervorgehoben zu werden. Der Grund für Shakespears Erfolg sei hingegen eine Kultur der Männlichkeit und des Nationalismus, meint Studienautor Kesson.
In der britischen Öffentlichkeit kommt die Demontage des Nationaldichters nicht gut an. So unterstreicht der konservative Abgeordnete Jane Stevenson, Mitglied des Kulturausschusses der britischen Regierung: „Shakespeares Werke wurden in 100 Sprachen übersetzt und haben offensichtlich immer noch einen Einfluß auf Menschen auf der ganzen Welt. Liebe, Haß, Ehrgeiz, Verlust, Eifersucht – all das sind universelle Emotionen, mit denen wir uns alle noch immer identifizieren können.“
Der nordirische Satiriker und Journalist Andrew Doyle sieht es ähnlich: „Es gibt einen sehr guten Grund, warum Shakespeare so oft und John Lyly so selten aufgeführt wird. Shakespeare war der bei weitem überlegene Dramatiker. Ideologen reduzieren wieder einmal große Kunst auf bloße Mechanismen zur Förderung einer Ideologie.“ (mü)
Quelle: zuerst.de vom 02.04.2024
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