Vorgeschichte, Verlauf, Folgen
Sie ist die bis dahin blutigste Schlacht der Menschheitsgeschichte: Über eine halbe Million Soldaten Napoleons und seiner alliierten Gegner kämpfen im Oktober 1813 bei Leipzig um den Sieg. Mehr als 100.000 sterben, Zehntausende werden zu Krüppeln. Eine ganze Region versinkt in Schutt und Asche. Am Ende verliert der Franzosen-Kaiser in der „Völkerschlacht“ die Herrschaft über Deutschland. Doch der Ausgang des Kampfes steht am Anfang auf Messers Schneide.
Vom 16. bis 19. Oktober 1813 treffen in der Ebene von Leipzig die bis dahin größten Heermassen der Weltgeschichte aufeinander. Auf einem Gebiet, das kaum 16 Kilometer in Nord-Süd und 13 Kilometer in Ost-West-Richtung ausmacht, stehen sich an diesen vier Tagen mehr als 500.000 Soldaten aus über 20 Völkern gegenüber. Es geht um nichts geringeres als um die Vorherrschaft über Deutschland und Europa. Auf der einen Seite: die verbündeten Monarchen von Russland, Österreich, Preußen sowie der Kronprinz von Schweden mit über 300.000 Kämpfern. Auf der anderen Seite: Napoleon Bonaparte, seit neun Jahren Kaiser der Franzosen, ein Jahr zuvor noch unumschränkter Herr über Europa. Selbst für seine Gegner gilt er noch immer als der „größte Schlachtenlenker aller Zeiten“. Er führt fast 200.000 Mann ins Feld: Franzosen, Deutsche, Polen, Italiener, Schweizer, Niederländer, Kroaten.
Das russische Debakel
Als Napoleon Mitte Oktober in Leipzig eintrifft, eilt ihm der Ruf voraus, persönlich noch nie eine Entscheidungsschlacht verloren zu haben. Doch der Mythos des Unbesiegbaren hat gewaltige Risse bekommen. 1812 ist die Grande Armée des Franzosen-Kaisers in den Weiten Russlands vernichtet worden.
Auch wenn es eher die Strapazen des Feldzuges und der russische Winter als militärische Niederlagen waren, die das 450.000-Mann-Heer in den Untergang trieben – die Katastrophe wirkt wie ein Fanal. Das seit 1807 unterworfene Preußen erklärt Frankreich im März 1813 den Krieg und geht ein Bündnis mit Russland ein. Österreich, ebenso wie Preußen mit Hilfskontingenten am Russland-Feldzug beteiligt, wird neutral.
Der letzte Feldzug
Doch Napoleon gelingt es, noch einmal eine gewaltige Streitmacht aufzustellen. Im Frühjahr 1813 verfügt er auf dem deutschen Kriegsschauplatz über mehr als 400.000 Kombattanten. Damit ist er seinen russischen und preußischen Gegnern, die es zusammen auf 340.000 Mann bringen, nominell überlegen. Jedoch sind die meisten seiner Soldaten extrem jung und nur kurz ausgebildet. Zudem hat seine Armee in Russland fast alle Pferde verloren. Die können nur bedingt ersetzt werden. Die Siege bei Großgörschen (2. Mai) und Bautzen (21. Mai) kann Napoleon nicht ausnutzen, weil es ihm an Kavallerie mangelt, die den abziehenden Gegner verfolgen und vernichten könnte. Auch ein zweimonatiger Waffenstillstand verbessert die Lage des Franzosen-Kaisers nicht. Vielmehr wird durch den Beitritt Österreichs und Schwedens das antinapoleonische Bündnis weiter gestärkt. Bei Dresden (27. August) gelingt Napoleon ein letzter großer Sieg. Doch die von seinen Marschällen geführten Kontingente erleiden zeitgleich vernichtende Niederlagen.
Donnergrollen über Leipzig
Bei Leipzig will Napoleon Mitte Oktober endlich die Entscheidung suchen. Hier hofft er, die von Süden anrückende alliierte Hauptarmee unter dem österreichischen Feldmarschall Fürst Schwarzenberg vernichten zu können, bevor sich diese mit der nördlich von Leipzig stehenden Schlesischen und der Nordarmee vereinigen kann. Bereits am 14. Oktober geraten südlich der Stadt französische Verbände mit Erkundungstruppen der Hauptarmee aneinander. Das Gefecht bei Liebertwolkwitz ist mit 15.000 Kavalleristen der größte Reiterkampf des Jahres, aber doch nur eine leise Andeutung jener Apokalypse, die zwei Tage später über Leipzig und sein Umland hereinbricht.
Das Gemetzel beginnt
Am Morgen des 16. Oktober beginnt südlich von Leipzig jenes Gemetzel, welches später als „Völkerschlacht“ in die Geschichte eingehen wird. Knapp 80.000 Österreicher, Russen und Preußen greifen die auf der Linie Markkleeberg-Wachau-Liebertwolkwitz stehenden Hauptkräfte Napoleons an.
Sie werden von 14.000 Österreichern unterstützt, die von Westen über die Pleiße kommend den Franzosen in Flanke und Rücken fallen sollen. Der Flankenstoß bleibt im Matsch der Pleißeniederung stecken, während der Hauptangriff an der Überlegenheit der napoleonischen Truppen, die hier knapp 140.000 Mann stark sind, abprallt. Aber auch Napoleons Gegenoffensive scheitert, obwohl ein Erfolg greifbar nah ist und der Feldherr bereits in Leipzig die Siegesglocken läuten lässt. Doch dem Franzosen-Kaiser fehlen die für den entscheidenden Stoß notwendigen Reserven. Die werden im Norden beim Dorf Möckern von der Schlesischen Armee Blüchers festgehalten und geschlagen.
Das Schlachten geht weiter
Trotz der Teilniederlage kann sich Napoleon am 17. Oktober nicht zu einem Rückzug entschließen. Zu verhängnisvoll wäre das Signal für die verbündeten „Rheinbund“-Fürsten. Indes nimmt die Zahl der Alliierten weiter zu.
Am 18. Oktober verfügen sie über knapp 300.000 Soldaten, während Napoleon, der lediglich ein neues Korps heranführen konnte, weit über 100.000 Mann weniger zur Verfügung hat. Die setzen sich jedoch verbissen zur Wehr. Um Dörfer wie Schönefeld, Paunsdorf, Holzhausen und Probstheida wird stundenlang gekämpft. Zehntausende sterben, bevor Napoleon nach dem Verlust fast aller wichtigen Positionen den Rückzugsbefehl gibt. In der Nacht zum 19. Oktober setzt sich sein Heer über die zuvor gesicherte Heerstraße nach Westen ab.
30.000 Mann sollen die Stadt möglichst lange halten und den Abzug decken. Als die Angreifer gegen Mittag die Stadt stürmen, jagt ein französischer Pionier-Korporal die Elsterbrücke am Ranstädter Tor in die Luft. Hunderte Flüchtende werden in Stücke gerissen, weitere Hunderte ertrinken bei dem Versuch, das Hochwasser führende Gewässer zu durchschwimmen. Unter ihnen ist auch der polnische Marschall Poniatowski. Knapp 20.000 Soldaten Napoleons geraten in Gefangenschaft.
Rückzug vom Ort des Todes
120.000 Soldaten kann Napoleon aus Leipzig wegführen. Sie ziehen in Gewaltmärschen über Weißenfels, Erfurt, Eisenach und Frankfurt nach Mainz, wo Anfang November noch 60.000 den Rhein überschreiten. Der Franzosen-Kaiser verliert bei Leipzig fast 40.000 Mann an Toten und Verwundeten. Rund 30.000 seiner Soldaten gehen in Gefangenschaft. Der Blutzoll der Alliierten ist mit 50.000 bis 70.000 Toten und Verwundeten noch gewaltiger. Von den etwa 40.000 Blessierten, die am 19. Oktober in Leipzig und Umgebung liegen, sterben innerhalb der nächsten Tage weitere Zehntausende. Die Opfer müssen so schnell wie möglich unter die Erde, genauso wie Tausende Pferdekadaver. Schon bald bricht eine Typhus-Epidemie aus, die rund 10.000 Soldaten und 3.000 Leipziger – immerhin zehn Prozent der Bevölkerung – hinwegrafft.
Das Ende eines Zeitalters
Mit schätzungsweise rund 100.000 bis 110.000 Toten geht die Leipziger Völkerschlacht als die bis dahin blutigste Schlacht der Weltgeschichte in die Annalen ein. Zugleich bedeutet sie das Ende der napoleonischen Vorherrschaft über Deutschland. 1814 setzen die verbündeten Russen, Preußen und Österreicher den Kampf auf französischem Boden bis zur Abdankung Napoleons fort.
Der sächsische König, Friedrich August I., der bis zuletzt treu an der Seite des Franzosen-Kaisers gestanden hat, wird nach der Völkerschlacht als Gefangener nach Berlin gebracht, von wo er erst im Juli 1815 in ein deutlich verkleinertes Sachsen zurückkehren wird.
Quelle: MDR vom 17.10.2016