Staseve Aktuell – Arbeitsgemeinschaft Staatlicher Selbstverwaltungen

Amtsgericht wird zur Bühne für Reichsbürger

Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte – Lindauer wird „für eine völlig unnötige Geschichte“ verurteilt


Ein 36-jähriger Lindauer musste sich wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte verantworten - und bekam Rückendeckung aus dem Reichsbürger-Milieu.
Ein 36-jähriger Lindauer musste sich wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte verantworten – und bekam Rückendeckung aus dem Reichsbürger-Milieu.
Archiv: oh

Lindau  Sie haben das Amtsgericht als Bühne genutzt: Eine Gruppe von Männern aus dem Reichsbürger-Milieu war nach Lindau gekommen, um einem 36-jährigen Lindauer den Rücken zu stärken. Der stand wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte vor Gericht – und wurde schuldig gesprochen.

Böse Absicht witterten die Unterstützer schon vor Beginn der Verhandlung. Da die Polizei jeden Besucher kontrollierte, kamen nicht alle rechtzeitig zum Prozessbeginn. „Die wollen nur die Öffentlichkeit ausschließen“, war die Meinung einiger Besucher. Sie wollten ihrem Freund beistehen, den ein Polizist, so deren einhellige Meinung, „brutal zusammengeschlagen“ habe. Auf der Anklagebank saß allerdings nicht der Polizist, sondern ihr Freund.

Nachdem der Angeklagte den Strafbefehl schriftlich zurückgewiesen hatte, weil er die Legitimität des Gerichts anzweifelte, war die Staatsgewalt vorbereitet. „Wir haben an der Formulierung erkannt, dass der Angeklagte aus dem Reichsbürger-Milieu kommt“, erklärt Richter Jürgen Müller die Vorgeschichte. Daher saßen auch zwei Zivilbeamte im Sitzungssaal.

Die Staatsanwaltschaft warf dem Angeklagten, der auch vor Gericht nur mit Vornamen genannt werden wollte, vor, sich in der Stadtfestnacht geweigert zu haben, seinen Ausweis vorzuzeigen. Außerdem habe er sich der Durchsuchung entzogen und sich beim Versuch, Handschellen angelegt zu bekommen, gewehrt.

 Direktbestellen klick aufs Bild

Dabei war der arbeitslose Informatiker eher zufällig mit der Polizei in Konflikt geraten. Die war wegen nächtlicher Ruhestörung vors Symposium gerufen worden. Als die Beamten die Feiernden in der Salzgasse zum gehen aufforderten, kam der Lindauer gerade aus der Bar. Doch er wollte von der Aufforderung der Polizisten, entweder wieder rein zu gehen oder woanders zu rauchen, nichts wissen. „Das hier ist ein freies Land. Ich mache hier, was ich will“, soll er gesagt haben.

Der Angeklagte machte den Polizisten für die spätere Eskalation verantwortlich. Er wollte nicht einer „Aufforderung zur Begehung einer Ordnungswidrigkeit nachkommen“, indem er im Symposium weiter rauche. Da der Polizist ihm zudem verweigert hätte, seinen Ausweis zu zeigen, habe er auch keine Notwendigkeit gesehen, sich mit EC- oder Krankenversicherungskarte auszuweisen – da er keinen Ausweis dabei hatte. Eine Uniform bekäme man schließlich auf jedem Flohmarkt in Polen, und auch Polizeiautos könnten umlackiert werden.

Da der Polizist aggressiv reagiert habe, habe er sich in einem „Abwehrreflex“ dem Angriff entziehen wollen. Trotzdem sei er mit „brachialer Gewalt zu Boden geboxt worden“ – an den Folgen der „übertriebenen Gewaltattacke“ des Beamten leide der Angeklagte noch heute. Er legte dem Gericht zwei Atteste vor, die ihm Schürfwunden, aber auch eine Rippenfraktur sowie Verletzungen an Halswirbelsäule und Schulter diagnostizierten.

Der Polizist wehrte sich gegen den Vorwurf, geprügelt zu haben. Da sich der Angeklagte auf keine Diskussion eingelassen habe, sei er gezwungen gewesen, „ihn zu Boden zu bringen“. Dabei habe er einen üblichen Polizeigriff angewandt – was im Publikum mit lautem Raunen und Gelächter kommentiert wurde. Wegen des aggressiven Gebarens des Angeklagten habe er sich dagegen entschieden, die Schutzhandschuhe auszuziehen, um den Dienstausweis vorzeigen zu können, so der Beamte weiter.

Der Staatsanwalt äußerte dafür Verständnis. Das Polizeiauto und der uniformierte Kollege seien Beweis genug, das die Polizei hier rechtmäßig im Einsatz gewesen sei. Er forderte daher wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte 30 Tagessätze zu 15 Euro. Für Richter Müller war das „ein Fall, der absolut nicht nötig gewesen wäre“ – wenn der Angeklagte einsichtiger gewesen wäre. Er milderte die Strafe auf 15 Tagessätze zu 10 Euro ab.

Als er das Urteil verkündete, blieben einige Zuhörer demonstrativ sitzen. Zudem gab es laute Protestbekundungen. Ein junge Frau warf Müller vor, den falschen Mann zu bestrafen. Andere wollten im Anschluss mit dem Richter diskutieren.

Für einen vermeintlichen Reichsbürger hatte der Gerichtsbesuch noch ein polizeiliches Nachspiel. Er musste die Beamten wegen eines offenen Delikts aufs Revier begleiten.

Quelle: schwaebische.de vom 08.12.2016

alles-auf-einen-klick.eu

Wir formulieren für Sie Briefe, Einsprüche, Widersprüche, Klagen nach Ihren Wünschen und stellen diese rechtsverbindlich zu.

Wir helfen Ihnen auch Bescheide von Gerichten und Behörden erfolgreich abzuwehren.

(Klick aufs Bild und es geht los)

 

Die mobile Version verlassen