Gestern im Innenausschuss: Innenminister Ralf Jäger hat seine Verteidigungslinie in Sachen Kölner Silvesternacht sorgfältig vorbereitet. Der bereits zweite detaillierte Bericht seines Hauses ist schon früh an die Medien gegangen. Viele Fragen sind darin beantwortet. Es sieht so aus, als ob Jäger allmählich den Skandal in den Griff bekommt. Dann plötzlich redet sein Abteilungsleiter Polizei, und die ganze schöne Strategie wird hinfällig. Offenbar gibt es doch einen hohen Beamten im Innenministerium, der bereits am 1. Januar geahnt hat, dass die Vorgänge in Köln „bemerkenswert“ sind.

Per Twitter zum Handeln auffordern

Bei den Journalisten im Innenausschuss fängt das Getuschel an. Die zuerst nur mäßig interessante Sitzung hat mit einem Mal Nachrichtenwert. Und die Abgeordneten? Die scheinen nicht zu reagieren. Vorbereitete Wortbeiträge werden vorgetragen, aber niemand fragt nach, was der Abteilungsleiter mit seiner überraschenden Aussage eigentlich sagen will.

Was dann passiert, ist interessant. Einige Kollegen zücken ihr Smartphone und tippen bei Twitter kurze persönliche Statements ein. Einige beschweren sich regelrecht, dass die Opposition nicht fähig ist, die Situation auszunutzen. Wohl wissend, dass viele der Abgeordneten ihnen bei Twitter folgen. Prompt twittert einer zurück: „Nachfrage kommt doch gleich.“ Und so ist es dann auch.

Lobbyist der eigenen Agenda

Der ganze Vorgang ist nicht einzigartig. Twitter wird seit Jahren intensiv von Journalisten und Abgeordneten genutzt. Und selbstverständlich lassen sich die Volksvertreter von der unmittelbar veröffentlichten Meinung beeinflussen. Vor Twitter gab es andere Methoden, SMS zum Beispiel oder auch einfach nur ein sehr laut geflüsterter Kommentar. Aber dieser direkte Austausch, die Aufforderung, doch endlich die richtigen Fragen zu stellen, das hat eine andere Qualität.

Der Journalist wird – für jeden öffentlich sichtbar – zum handelnden Akteur, zum Einflüsterer, der Debatten in bestimmte Richtungen lenken kann. Er wird gewissermaßen zum Lobbyisten seiner eigenen Agenda. Bei aller Begeisterung für neue Medien – das ist problematisch.

Quelle: blog.wdr.de vom 22.01.2016

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