JUSTIZ IM UNTERALLGÄU – Wie ernst muss man Reichsbürger nehmen?

Das Memminger Landgericht hat regelmäßig mit Reichsbürgern zu tun – per Post und in Verhandlungen. Wann für den Landgerichtspräsidenten Heinrich Melzer der Spaß aufhört.

Von Melanie Lippl

Seit den tödlichen Schüssen auf einen Polizisten im mittelfränkischen Georgensgmünd tauchen die Reichsbürger immer öfter in den Nachrichten auf. Doch wer sind diese „Reichsbürger“ überhaupt? Was machen sie? Sind sie eine richtige Gruppierung? Und gibt es sie auch hier in der Region?

Einer, der Antworten auf Fragen wie diese liefern kann, ist Heinrich Melzer, Präsident des Memminger Landgerichts. Zum Gespräch über die Reichsbürger hat er einen Ordner in sein Büro geholt. Einen von vielen, wie er gleich zu Beginn erklärt. „Wir begegnen Menschen, die sich Reichsbürger, Germaniten oder Selbstverwalter nennen, primär durch das, was sie schreiben“, sagt Melzer.

Er geht nicht von einer einheitlichen Gruppe aus, allerdings hätten alle diese Menschen eine Gemeinsamkeit: „Sie erkennen die Bundesrepublik Deutschland nicht an.“ Die BRD sei kein Staat, sondern nur eine GmbH mit Personal – weshalb es ja auch „Personalausweise“ gebe, erläutert Melzer die Weltsicht derjenigen, die dem Gericht regelmäßig Briefe, Faxe und E-Mails schreiben. Die Reichsbürger selbst sehen sich häufig nicht als Personal, sondern als „Mensch und natürliche Person“, teilweise auch als „aus der BRD ausgetreten“, was sie in ihrer Post betonen.

Einige Reichsbürger schreiben in „pseudorechtlicher Fantasiesprache“

Abgeheftet ist der Schriftverkehr in dicken Ordnern, die sich schon stapeln, sagt Melzer. Denn häufig seien die Schreiben „völlig unübersichtlich“. Einerseits, was die Länge betrifft. Anderseits sei auch der Inhalt chaotisch, sagt Melzer. Hinzu komme „zum Teil fehlende Beherrschung deutscher Sprache und Grammatik“, sagt Melzer. Stattdessen herrsche in den Schreiben eine pseudorechtliche Fantasiesprache vor, bei der irgendwelche Aussagen und Paragrafen aneinandergereiht werden.

Da will sich beispielsweise ein Bürger aus der Region gegen die Räumung eines Gebäues wehren. In seinem handschriftlichem Dokument – ein „Sonderantrag mit hoher Dringlichkeit“, aufgeteilt in drei Teile über mehr als ein Dutzend Seiten – bezieht er sich unter anderem auf die Menschenrechtskonvention sowie ein angebliches Zitat von US-Präsident Barack Obama über Deutschland. „Und ich soll meinen Handelsregistereintrag nachreichen“, sagt der Richter. „Aber da stehe ich ja gar nicht drin.“

Wenn Melzer von Vorfällen wie diesem erzählt, muss er fast ein bisschen schmunzeln. Doch der Spaß hört für ihn schnell auf, wenn Gerichtsvollzieher oder Polizisten bedroht oder beleidigt werden. Ebenfalls wenig begeistert ist Melzer über die „unsinnige Mehrarbeit“, die Reichsbürger, Germaniten und Co. verursachen; besonders, wenn sie das Fax des Gerichts blockieren. Seitenweise obskure Texte kommen da an, verschickt über einen großen Verteiler an zahlreiche Ämter, Gerichte oder Parlamente, schildert Melzer, und häufig ohne Bezug zu aktuellen Verfahren.

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Reichsbürger sind oft gescheitert, und bekommen staatliche Hilfen

Zwischen zwei und drei Ordner pro Jahr füllen diese Faxe. Sie alle müssen, bevor sie man sie abheften kann, von den Mitarbeitern geprüft werden: Schließlich könnte sich ja auch noch auf Seite 17 von 30 ein Bezug zu einem aktuellen Verfahren am Memminger Landgericht befinden. „Aktenzeichen nennen die Leute ja nicht.“

Meist geht es im Schriftverkehr mit den Reichsbürgern um Vollstreckungen, Mietsachen, GEZ oder andere Forderungsstreitigkeiten, weiß Melzer, also eher um kleinere Beträge. Seinem Empfinden nach handelt es sich bei den Verschwörungstheoretikern um Menschen, die gescheitert sind, die Pech hatten und mit Behörden nicht zurechtkommen, die psychisch auffällig sind und „mit einem merkwürdigen Gedankengut ausgestattet“. Ihr Staatsprotest halte sie aber nicht davon ab, auch staatliche Leistungen in Anspruch zu nehmen, sagt er.

Ob diese Menschen rechtsradikal sind? Oder gefährlich? „Das kann ich nicht sagen“, antwortet Melzer offen. „Muss man’s ernst nehmen? Ich weiß es nicht.“ Er glaubt, dass der Waffenbesitz – wie jüngst im Georgensgmünd – kein Spezifikum von Germaniten oder Reichsbürgern ist. „Das hätte auch ein verwirrter SPDler sein können.“

In Deutschland darf jeder seine Meinung äußern

Melzer spricht von einer Handvoll Leute bei „Tausenden von Zivilprozessen“ in dem Bezirk, für den Memmingen zuständig ist. Seit gut fünf Jahren habe man mit den Selbstverwaltern zu tun, in letzter Zeit verstärkt, sagt Melzer. Ist vor einer Gerichtsverhandlung klar, dass ein Reichsbürger auf der Anklagebank sitzt, gibt es Eingangskontrollen. Es soll nicht wieder vorkommen, dass – wie in Kaufbeuren – Reichsbürger einen Tumult erzeugen und eine Akte vom Richtertisch stehlen. Bei solchen Aktionen oder der Gewalt gegen Polizisten und Gerichtsvollziehern müsse der Staat handeln.

Wenn jemand sagt, die BRD sei eine GmbH, so sei das zwar eine „irrsinnige Auffassung, aber warum soll er das nicht sagen dürfen?“, fragt Melzer. Es sei in Deutschland ja schließlich nicht verboten, seine Meinung zu äußern.

Quelle: augsburger-allgemeine.de (Ausgabe Mindelheim) vom 30.11.2016

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