Putschversuch – Geheimdienstchef soll Erdogan nicht informiert haben

Montag, 25.07.2016, 07:27

Erdogan, Türkei, Putschversuch
dpa/Pressebüro des Staatspräsidenten„Habt keine Sorge“: Recep Tayyip Erdogan.

Besatzungsrecht-Amazon

Die letzten Stunden vor dem gescheiterten Putschversuch in der Türkei geben Rätsel auf – und ein besonderes Zwielicht fällt dabei auf Geheimdienstchef Hakan Fidan.

Der Generalstab des Militärs behauptet, er sei am 15. Juli bereits Stunden vor dem Beginn des Umsturzversuches von Fidans Nationalem Nachrichtendienst MIT über die Putsch-Vorbereitungen informiert worden. Niemand aber soll in dieser Phase Präsident Recep Tayyip Erdogan in Kenntnis gesetzt haben, der im Badeort Marmaris war.

Als der  Präsident schließlich aus seinem privaten Umfeld über den bereits angelaufenen Putschversuch informiert worden war und Fidan anrufen wollte, war dieser angeblich nicht zu erreichen. Der Geheimdienstchef wurde am Freitag in den Präsidentenpalast zitiert. Nach einem zweistündigen Gespräch mit Fidan sagte Erdogan dann allerdings dem Sender France 24 am Wochenende, der Geheimdienstchef habe „nicht seinen Rücktritt angeboten – wir haben nicht darüber gesprochen“.

Erdogan soll den Geheimdienstchef wüst beschimpft haben

Fidan zählte in den vergangenen Jahren zu den engsten Vertrauten Edogans. Nach dem Treffen am Freitag gab es keine gemeinsame Erklärung. Es wurde auch nicht aufgeklärt, wie Erdogans Bemerkung zum Putschversuch zu verstehen sei, dass es in der geheimdienstlichen Aufklärung „eine Schwäche, ein Versagen“ gegeben habe. Dem fügte der Präsident lediglich hinzu, er werde gegebenenfalls personelle Konsequenzen mit seinem Ministerpräsidenten Binali Yildirim abstimmen. Für die „Übergangszeit“ halte er sich an das Sprichwort, nach dem es nicht gut sei, „mitten im Ritt die Pferde zu wechseln“.

Direkt nach dem Umsturzversuch soll Erdogan den Geheimdienstchef nach Informationen der Zeitung „Hürryiet“ wüst beschimpft haben. Der Präsident soll gesagt haben, dass Fidan nun angezählt sei. Bestes Zeichen dafür ist die Wortwahl in einem Meinungsbeitrag der Zeitung „Hürriyet“, der an den „Lieben Herrn Hakan Fidan“ adressiert ist: „Warum haben Sie die Informationen über den Putsch keinem einzigen Politiker zukommen lassen?“, fragt der Kolumnist Ahmet Hakan.

„Der Hüter der Staatsgeheimnisse“

Der Fernsehsender CNN Türk berichtete, der Alarm des Geheimdienstes MIT habe zur Folge gehabt, dass Fidan und führende Generäle am 15. Juli um 17.30 Uhr Ortszeit zusammenkamen – mehr als fünf Stunden vor den ersten öffentlichen Äußerungen von Ministerpräsident Binali Yildirim zu dem Putschversuch. Daraufhin seien Maßnahmen eingeleitet worden, die die Putschisten dazu bewegten, ihren Umsturz vorzuziehen. Der Plan hätte demnach ursprünglich erst am Samstag, 16. Juli, in den frühen Morgenstunden umgesetzt werden sollen.

Screenshot (657)

So bleibt es also unklar, warum der Nationale Nachrichtendienst und damit der Erdogan-Vertraute Fidan am 15. Juli von nachmittags bis spätabends über die laufenden Vorbereitungen zu einem Umsturzversuch Bescheid wussten, angeblich ohne die politische Führung zu informieren. Da erhält es einen ganz neuen Beigeschmack, dass Erdogan 2012 über den Geheimdienstchef sagte, dieser sei „der Hüter meiner Geheimnisse, der Hüter der Staatsgeheimnisse“.

Als Ministerpräsident war Fidan vorübergehend im Gespräch

Zu diesen Staatsgeheimnissen zählen unter anderem die Geheimverhandlungen, die der MIT-Chef vor Jahren mit dem Chef der verbotenen Arbeiterpartei Kurdistans (PKK), Abdullah Öcalan, führte, und der heikle Umgang mit dem Nachbarland Syrien, das seit 2011 vom Bürgerkrieg zerrüttet wird. Auch in der Zeit des Wirbels um die Korruptionsvorwürfe gegen das Umfeld Erdogans ab Ende 2013 war Fidan an der Seite des damaligen Regierungschefs.

Der Internationale Strafgerichtshof-Werbung

 Direktbestellen klick aufs Bild

Sogar als Ministerpräsident war Fidan selbst vorübergehend im Gespräch, nachdem Erdogan das Präsidentenamt übernommen hatte. Als der Geheimdienstchef im Februar 2015 überraschend seinen Rücktritt erklärte, um bei der Parlamentswahl zu kandidieren, missbilligte Erdogan das Vorhaben jedoch öffentlich. Umgehend distanzierte Fidan sich von seinem ursprünglichen Vorhaben – und wurde wieder als Geheimdienstchef eingesetzt.

Quelle: Focus-online vom 25.07.2016

Dieser Beitrag wurde unter Aktuell, Geschichte, Kultur, Nachrichten, Politik, Soziales, StaSeVe Aktuell, Völkerrecht, Wirtschaft, Wissenschaft abgelegt und mit , , , , , , , , , , , , , verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.
0 0 votes
Article Rating
Abonnieren
Benachrichtige mich bei
guest
0 Comments
Inline Feedbacks
View all comments