Kaum Chancen – aber mehr ZeitGerichte wanken unter Asylklagen-Flut: „Viele erscheinen nicht mal zu ihrem Termin“

Mittwoch, 19.08.2015, 06:45 · von FOCUS-Online-Autorin Amelie Breitenhuber
Balkan, Richter, Asylanträge, Verwaltungsgericht
dpa/Patrick Pleul Viele albanische Flüchtlinge klagen gegen ihre Abschiebung. Das belastet die Gerichte

Nicht nur die Zahl der Flüchtlinge steigt dramatisch, sondern auch die der Klagen gegen Abschiebungen. Besonders Balkan-Flüchtlinge sorgen dafür, dass die Richter mit der Bearbeitung kaum noch hinterherkommen. Dabei glauben viele gar nicht an den Erfolg ihrer Klage: Sie wollen nur ihren Aufenthalt verlängern.

  • Immer mehr Flüchtlinge klagen gegen die Ablehnung ihrer Asylanträge
  • Richter arbeiten „unter Volldampf“, um die Klagen zu bewältigen
  • Neue Stellen sollen Abhilfe schaffen

Deutschland steuert auf ein Rekordhoch von Asylanträgen zu. Dadurch steigt auch die Belastung für die Verwaltungsgerichte. Flüchtlinge, deren Asylantrag abgewiesen wurde, müssen Deutschland eigentlich verlassen. Sie haben jedoch die Möglichkeit, gegen diese Entscheidung zu klagen. Und die Zahl jener, die diese Möglichkeit nutzen, steigt.

FOCUS Online Hier entsteht ein Abschiebezentrum für Balkan-Flüchtlinge

In Düsseldorf beispielsweise ist die Zahl der Asylklagen seit Beginn des Jahres um nahezu 50 Prozent gestiegen. Mit rund 4000 Klage- und Eilverfahren aus dem Asylrecht wurde der Höchststand aus dem vergangenen Jahr bereits eingestellt.

Andere Verfahren müssen liegen bleiben

Bis zum Ende des Jahres rechnet Nicola Haderlein, Pressesprecherin und Vorsitzende Richterin am Verwaltungsgericht, mit einer Gesamtzahl von 6500 Asylklagen allein für das Verwaltungsgericht Düsseldorf.

„Im Moment kriegen wir das noch ganz gut hin“, so Haderlein zu FOCUS Online. Nachdem über Klagen aus den Balkanstaaten jedoch im Eilverfahren – das heißt innerhalb einer Woche – entschieden werden soll, habe die Arbeitsbelastung der Richter stark zugenommen. „Meinem Eindruck nach gehen die vielen Asylklagen schon derzeit zu Lasten anderer Verfahren“, sagt die Richterin weiter. Dies könnte sich noch verstärken.

Erfolgsquote der Asylklagen liegt bei null Prozent

Ein großer Teil der Kläger kommt aus Balkanstaaten wie Bosnien-Herzegowina, Kosovo, Mazedonien, Serbien und Albanien. „Eine politische Verfolgung ist in Länder wie Albanien oder Serbien fast nie gegeben“, so Haderlein. Die Erfolgsquote dieser Fälle liege deshalb bei null Prozent.

Kläger erscheinen oft selbst nicht zum Gerichtstermin

Vor Gericht kommen die Fälle trotzdem. Viele Flüchtlinge versuchen durch die Klage ihren Aufenthalt in Deutschland zumindest um die Dauer des Verfahrens zu verlängern. Haderlein berichtet, dass viele der Asylbewerber gar nicht zu ihrem Termin erscheinen.

In solchen Fällen warten die Richter nach Vorschrift 15 Minuten und weisen die Klage dann ab. „Erst heute hatten wir wieder fünf Fälle und nur einer der Kläger war tatsächlich anwesend“, erzählt die Richterin.

Auch in Bayern: Richter arbeiten unter „Volldampf“

Auch am Bayerischen Verwaltungsgerichtshof ächzt man unter der zunehmenden Belastung. „Das BAMF hat die Stellen zur Bearbeitung von Asylanträgen nochmal deutlich aufgestockt. Das kommt auch bei uns an“, sagte Regierungsrat Martin Scholtysik zu FOCUS Online.

In Bayern rechnet man für 2015 mit einer Gesamtzahl von 13.000 Asylverfahren, die vor den sechs Verwaltungsgerichten entschieden werden. Auch hier komme ein „sehr großer Teil“ der Kläger aus Balkanstaaten.

„Wir schaffen es gerade noch, die Laufzeiten einigermaßen kurz zu halten. Das geht nur, weil unsere Richter unter Volldampf arbeiten“, so Scholtysik. Die Gerichte in Bayern hätten die Grenze der Belastbarkeit erreicht.

Neue Richterstellen sind geplant

Sowohl in Bayern als auch in Nordrhein-Westfalen sollen neue Richterstellen die Vielzahl an Klagen auffangen. „So können wir anfangen, den Asylberg abzutragen“, sagt Scholtysik.

In Bayern kommen rund 16 neue Stellen, in Düsseldorf sollen sechs neue Richter für Verstärkung sorgen. Angesichts der Prognosen zu Asylbewerberzahlen in Deutschland, die aktuell noch einmal nach oben korrigiert worden, wird aber auch weiterhin eine hohe Zahl an Klagen bei den Verwaltungsgerichten eingehen.

Quelle: Focus-online vom 19.08.2015

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