GEOPOLITIK – Cameron ist dann mal weg: Heiterer Abschied von der EU in London

David Cameron wird als historischer Premier in die Geschichte Europas eingehen: Er hat die EU in ihrer bisherigen Form beendet, die Union muss sich nun völlig neu erfinden. Auffallend: Cameron geht mit einer heiteren Gelassenheit – als habe er eine lang geplante Mission erfolgreich abgeschlossen.

Heiterer Abschied: Applaus für David Cameron im Parlament. (Foto: dpa)

Heiterer Abschied: Applaus für David Cameron im Parlament. (Foto: dpa)

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Der scheidende britische Premierminister David Cameron ist im Buckingham-Palast eingetroffen, um bei Königin Elizabeth II. offiziell seinen Rücktritt einzureichen. Cameron fuhr am Mittwoch zusammen mit seiner Frau Samantha und seinen drei Kinder zur Residenz der Queen. Von seiner Abfahrt sagte er in einer letzten Stellungnahme in der Downing Street, es sei „die größte Ehre“ seines Lebens gewesen, dort zu arbeiten.

„Mein einziger Wunsch ist anhaltender Erfolg für dieses großartige Land, das ich so sehr liebe“, fügte Cameron hinzu. Der konservative Politiker hatte nach dem Brexit-Referendum vom 23. Juni seinen Rücktritt angekündigt. Am Mittwoch stand er dem britischen Parlament zum letzten Mal in einer Fragestunde Rede und Antwort.

Nachdem Elizabeth II. seinen Rücktritt offiziell angenommen hat, soll die 59-jährige Theresa May als zweite Frau nach Margaret Thatcher die Regierung in Großbritannien übernehmen. Sie wird nach Camerons Rücktritt am Abend ebenfalls im Buckingham-Palast empfangen, mit der Regierungsbildung beauftragt und symbolisch ernannt. Die Ernennung des britischen Premierministers findet traditionell in einer „Kissing Hands“ genannten Zeremonie bei der Queen statt.

Cameron hatte sich zuvor mit einem Satz aus den Anfängen seiner politischen Karriere vom Parlament verabschiedet, dessen Saat er zu Beginn seiner Amtszeit gesät hatte: „Ich war einmal die Zukunft“, sagte der 49-Jährige am Mittwoch bei seiner letzten Fragestunde im Londoner Unterhaus. Diesen Satz hatte der Tory-Politiker vor elf Jahren schon einmal über den damaligen Premierminister Tony Blair gesagt: „Ich will über die Zukunft sprechen. Er war einmal die Zukunft“, hatte Cameron in seiner ersten Fragestunde als neugewählter konservativer Oppositionsführer gesagt.

Die kleine Reminiszenz war nur ein Scherz, den sich der Premier nach dem großen EU-Knall erlaubte. Cameron wirkte seit dem Referendum erleichtert, geradezu befreit. Er machte nicht den Eindruck eines Mannes, der gerade großen Schaden angerichtet haben soll. Schon in seiner ersten Parlamentsrede sagte er klipp und klar, dass die Regierung mit dem Referendum über den Brexit eine historische demokratiepolitische Leistung vorzuweisen habe. Am Dienstag nach dem Treffen mit der Presse ging er fröhlich summend zurück in das Haus mit der Nummer 10 – wissend, dass, er nur noch eine Nacht dort verbringen würde.

Mit Cameron ist nach Nigel Farage, und Jonathan Hill ein weiterer Vertreter des EU-Zerstörungsquartetts abgetreten. Was die Proponenten genau machen werden, ist unklar.

Boris Johnson hat sich jedoch zur Überraschung aller rasch zurückgemeldet: Die neue Premierministerin Theresa May berief den exponiertesten EU-Gegner zum neuen britischen Außenminister – was auf harte Verhandlungen mit der EU hindeutet.

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Sie alle sind eng mit der Finanzindustrie vernetzt. Farage hatte mit seiner falschen Ankündigung in der Wahlnacht die Wettbörsen noch einmal angeheizt. Zahlreiche Spekulanten mit Insider-Informationen könnten in der Brexit-Nacht ein Vermögen gemacht haben. Ob und welcher Form die auffallend fröhlich zurückgetretenen EU-Gegner von diesen Wetten profitiert haben, ist unklar – und wird sich vermutlich nicht so einfach feststellen lassen: London ist immer noch eine der weltgrößten Oasen für Briefkastenfirmen, mit denen man auch weiter viele Geschäfte abwickeln wird können, ohne als Profiteur enttarnt zu werden. Es ist in diesem Zusammenhang bemerkenswert, dass Cameron persönlich während der Kampagne kurzfristig in die Kritik geriet – als nämlich die von einer US-Website lancierten Panama Papers in der Vergangenheit des Premiers zu kramen begannen.

Das ist jetzt in der Tat alles Geschichte. Cameron wird, ähnlich wie der frühere EU-Kommissar Barroso, seine hervorragende Fachkenntnis in Zukunft sicher auch nicht für sich behalten, sondern dem Gemeinwohl zu Verfügung stellen – wenn auch nicht mehr aus der ersten Reihe der großen Politik: Er werde die Fragestunden des Premierministers nun nur noch von den Hinterbänken des Parlaments aus verfolgen, sagte Cameron, bevor die Abgeordneten ihn mit minutenlangem Applaus, Schulterklopfen und Umarmungen verabschiedeten.

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„Ich werde die Rufe der Menge vermissen, ich werde die Gehässigkeiten der Opposition vermissen, aber ich werde euch weiter anspornen“, rief Cameron den Abgeordneten zum Abschied zu. „Nichts ist unmöglich, wenn man es wirklich will.“ Auf dem Weg zum Ausgang drehte er sich dann noch ein letztes Mal um – um seiner Frau Samantha und seinen Kindern auf der Besuchertribüne zuzuwinken.

Quelle: Deutsche Wirtschafts Nachrichten vom 13.07.2016

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