Stuttgart – Unser ehemaliger Landesvater Lothar Späth war ein leidenschaftlicher Kämpfer. Doch in der Nacht auf Freitag hat ihn die letzte Kraft verlassen: Der 78-Jährige ist im Stuttgarter Pflegezentrum „Bethanien“ sanft für immer eingeschlafen.
BADEN-WÜRTTEMBERG TRAUERT UM DAS „CLEVERLE“!
Lothar Späth war an Demenz erkrankt. In der Pflegeeinrichtung, die nur zwei Kilometer vom Haus seiner Tochter Daniela Späth-Zöllner (44) entfernt liegt, hatte er ein Einzelzimmer. In den letzten Tagen war seine Familie ununterbrochen bei ihm, kümmerte sich.
Ein Vertrauter zu BILD: „Auch seine Frau Ursula hat ihn täglich besucht.“ Das Paar hatte sich zwar im Jahr 2014 nach 51 Ehejahren getrennt. Doch offenbar wollte Ursula ihrem Mann noch einmal beistehen.
Zuletzt soll es dem ehemaligen Ministerpräsidenten immer schlechter gegangen sein. Der Vertraute: „Er war nur noch Haut und Knochen und dämmerte vor sich hin. Lebensverlängernde Maßnahmen hatte er früher abgelehnt, man hat ihn deshalb gehen lassen.“
Bundespräsident Joachim Gauck (76) erreichte die Nachricht wenige Stunden nach Späths Tod. Er schrieb dessen Tochter: „Als Ministerpräsident von Baden-Württemberg hat Ihr Vater sich bleibende Verdienste erworben.“ Man habe gespürt, „dass ihm die Menschen am Herzen lagen“.
Auch der amtierende Ministerpräsident Winfried Kretschmann (67, Grüne) würdigte Lothar Späth. „Er war ein Visionär im besten Sinne, weltoffen, mit Weitblick, mutig und bürgernah.“
Der Mann, der CDU-Chef Helmut Kohl stürzen wollte
Erfolgreich im Land, wirkungslos im Bund. Am übermächtigen Helmut Kohl ist Lothar Späth gescheitert.
Im September 1989 trifft sich die CDU zum Bundesparteitag in Bremen. Späth (damals 51) bringt sich als Kohls Nachfolger in Stellung. Doch die Delegierten strafen ihn gnadenlos ab, werfen ihn mit 374 Nein-Stimmen aus dem Präsidium.
Was war passiert?
Die Kohl-Getreuen fürchteten um ihre Posten, die Kohl-Gegner kreideten Späth fehlenden Mut an. Er war der offenen Konfrontation ausgewichen. Doch Späth war eben auch Realist, spürte, dass er außerhalb des Ländles kaum Gefolgsleute hatte.
Da ging es ihm wie so vielen Schwaben, denen wegen ihres Fleißes und wirtschaftlichen Erfolgs die Missgunst entgegenschlägt.
1991 musste Späth wegen der „Traumschiff-Affäre“ als Ministerpräsident zurücktreten. Auch aus diesem Tief ging er gestärkt hervor. In Thüringen beflügelte Späth als Vorstands-Boss die Jenoptik (ehemals VEB Carl Zeiss Jena).
Ein Comeback als Bundes-Wirtschaftsminister blieb ihm verwehrt. 2002 stand er im Schatten-Kabinett von Kanzlerkandidat Edmund Stoiber (CSU), doch der verlor die Bundestagswahl.
Späths Triebfedern waren Neugier, unbändiger Wissensdurst und die Lust am Disput.
In Sigmaringen geboren, wuchs er in einem streng pietistischen Elternhaus auf. Aus Ärger über seinen Vater verließ Lothar als 15-Jähriger das Gymnasium und ging in die Verwaltung. Diesen Schritt hat er später immer wieder bereut. Denn das Jurastudium, zu dem es ihn hinzog, blieb ihm verwehrt.
Quelle: Bild-online vom 19.03.2016