AfD – Petry droht dasselbe Schicksal wie einst Lucke

24.01.16

 Fiel durch ihren Karriereinstinkt auf: AfD-Parteichefin Frauke Petry

Die AfD ist das Zentrum der neuen deutschen Nationalisten. Völkische Kräfte erobern mehr und mehr die Macht. Parteichefin Petry könnte eines Tages ebenso vom Thron gestoßen werden wie ihr Vorgänger.

Von Günther Lachmann , Olaf Sundermeyer

Im vergangenen Sommer siechte die AfD dahin. Jetzt ist sie drauf und dran, die politische Topografie Deutschlands umzupflügen. CDU und SPD haben ihr in der Flüchtlings- und Sicherheitspolitik weite Spielräume gelassen. Aber es ist eine andere, enthemmtere AfD, die nun in diese Räume hineingrätscht. Ihren Gründern ging es um Widerstand gegen die Euro-Rettungspolitik – der neuen AfD geht es ums Ganze. Sie steht für einen zunehmend völkisch trommelnden Nationalismus. Die AfD wird zur neuen deutschen Rechten.


Vor einem Jahr drohte drei AfDlern der Parteiausschluss: Heinrich Fiechtner, Dubravko Mandic und Björn Höcke. Den dreien eilte der Ruf voraus, untragbare Rechtsausleger zu sein. Der Stuttgarter Stadtrat Fiechtner hatte im Januar 2015 nach dem Anschlag auf das Pariser Satiremagazin „Charlie Hebdo“ den Koran mit Hitlers „Mein Kampf“ verglichen und Stuttgarts grünen Oberbürgermeister Fritz Kuhn als einen „miesen faschistoid-populistischen Scharfmacher“ beschimpft.

Mandic, damals Vorsitzender des Schiedsgerichts der baden-württembergischen AfD, hatte US-Präsident Obama einen „Quotenneger“ genannt, über das „kriegsmüde“ Deutschland lamentiert und festgestellt, die NPD unterscheide sich inhaltlich kaum von der AfD. Und Höcke hatte erklärt, er gehe nicht davon aus, „dass man jedes einzelne NPD-Mitglied als extremistisch einstufen kann“. Für den damaligen AfD-Bundesvorstand und Parteigründer Bernd Lucke waren alle drei nach diesen Aussagen nicht mehr tragbar. Er leitete die Parteiausschlussverfahren ein.


Sogar im Westen hat die AfD plötzlich Erfolg

Heute ist Lucke raus – und die drei Scharfmacher stehen im Zentrum der AfD. Deren neuer Bundesvorstand um Frauke Petry und Jörg Meuthen stoppte die Ausschlussverfahren. Mandic sitzt nach wie vor im Schiedsgericht, Fiechtner im Stuttgarter Stadtrat, Höcke ist mit seinen deutschnationalen Reden in Erfurt zum Star der Partei aufgestiegen. Und all das schadet der AfD ganz und gar nicht. Im Gegenteil, in Umfragen geht es steil bergauf.

Sogar im Westen kommt sie auf zweistellige Prognosen. Sieben Wochen vor den Landtagswahlen steht sie in Baden-Württemberg bei 11,5 Prozent, in Rheinland-Pfalz bei acht, in Sachsen-Anhalt bei 15 – vor einem halben Jahr noch, nach dem Bruch mit Lucke, lag die AfD bei drei Prozent. Jetzt lässt sie Linke, Grüne und FDP hinter sich und ist mit 12,5 Prozent nach Union und SPD drittstärkste Kraft. Eine neue deutsche Rechte ist entstanden – dazu passt, dass Pegida, die enge Kontakte zum französischen Front National, zur italienischen Lega Nord und zur österreichischen FPÖ pflegt, nun zur AfD-Wahl aufruft.


Wie nie zuvor nach 1945 radikalisiert die AfD mit Parolen wie „Deutschland soll schön deutsch bleiben“ das Klima im Land. Jene, die diesen Kurs befeuern, gewinnen immer größeren Einfluss. Zur Not bedienen sie sich dabei auch unlauterer Mittel wie auf dem Landesparteitag der Berliner AfD am vorigen Wochenende. Dort stürzten die erzkonservativen Bundesvorständler Beatrix von Storch und Georg Pazderski den liberalkonservativen Berliner Landesvorsitzenden Günter Brinker.

Offenbar war der Coup von rechts generalstabsmäßig geplant. Erstens griff AfD-Vize Alexander Gauland öffentlich in die Berliner Angelegenheit ein. „Es gibt Probleme mit Brinkers Amtsführung. Viele trauen ihm nicht zu, dass er den Landesverband einigermaßen auf Kurs hält.“ Zweitens ließen die Gauland-nahen Brinker-Gegner für rund 2500 Euro eine Sonderausgabe des AfD-Magazins „Polifakt“ drucken, in der sie auf 15 Seiten die Arbeit des bisherigen Landesvorstandes diskreditierten. Das ganze Heft war Teil des Coups. Im Impressum werden als Verantwortliche genannt: Prof. Dr. Markus Egg, Bernd Gebert und Georg Pazderski.


Offenbar versuchter Wahlbetrug in Berlin

Erst nach dem Parteitag kam die seltsame Entstehung der Sonderausgabe ans Licht. Herausgeber Josef Konrad entschuldigte sich schriftlich bei AfD-Chefin Petry und Brinker. Ihm sei suggeriert worden, der Sonderdruck sei mit Petry abgestimmt. „Ich habe hier unwissentlich in einer Art in die Vorstandswahl eingegriffen, deren Tragweite mir nicht klar war“, schrieb Konrad. Und: „Mir wurden hier (vermutlich bewusst) Informationen vorenthalten, die sich erst jetzt nach dem Druck der Ausgabe bei mir aufzeigen.“

Ein für den Sonderdruck mitverantwortliches AfD-Mitglied spielte auf dem Parteitag eine höchst unrühmliche Rolle. Es wurde während der Abstimmung über die Beisitzer zum Landesvorstand zusammen mit einem weiteren Mitglied des Wahlbetrugs verdächtigt und des Saales verwiesen. In einer vertraulichen Mail mit der Betreffzeile „Wahlbetrug“ bestätigte später das Landesvorstandsmitglied Hugh Bronson: „… sind erwischt worden. Beide haben es zugegeben. Der LaVo hatte heute seine erste Arbeitssitzung und wird Konsequenzen beratschlagen.“ Konsequenzen fordern auch andere AfD-Mitglieder. Sie erstatten Strafanzeigen.


In einer von ihnen formulierten Anzeige, die der „Welt am Sonntag“ vorliegt, verdächtigen sie die beiden gemeinsam mit weiteren AfD-Mitgliedern „eines bestimmten politischen Lagers bereits am Samstag, dem 16.01., anlässlich der Wahlen zum Landesvorsitzenden zumindest gleiche Wahlfälschungen begangen“ zu haben. Auf Anfrage der „Welt am Sonntag“ mochte von Storch zu dem Fall nur so viel sagen: „Es gab einen versuchten Wahlbetrug von zwei Personen. Der Landesvorstand prüft Ordnungsmaßnahmen.“

Im neuen elfköpfigen Berliner Landesvorstand werden nur noch Schatzmeister Frank-Christian Hansel und Landesvize Götz Frömming zum gemäßigten Flügel gerechnet. Tonangebend sind neben dem früheren Oberst Pazderski nun Leute wie Hans-Joachim Berg und der Landesvorsitzende der Jungen Alternative, Thorsten Weiß.

Der fiel zuletzt am 31. Oktober vergangenen Jahres bei einer Demonstration vor dem Roten Rathaus in Berlin auf, wo er von „rot-grünen Deutschlandabschaffern“ sprach, „deren Jugend auf unser Nationalsymbol uriniert“. Das ist der neue Sound der AfD, der Geist der Gaulands („Frau Merkel will das deutsche Volk ergänzen und ersetzen. Das wollen wir nicht!“) und Höckes. Je gereizter die Flüchtlingsdebatte geführt wird und die politischen Lager spaltet, desto mehr Leute wenden sich von den alten Parteien ab und der AfD zu.


Die treibende Kraft heißt Alexander Gauland

Gauland hatte als Erster das Asylthema als Chance erkannt. Schon als eine Flüchtlingskrise noch fern lag, zog er damit in den Wahlkampf. Später stellte er zum Erstaunen der restlichen AfD-Führung fest, sie seien auch die Partei der „kleinen Leute“. Wie recht er hatte, zeigte sich in der Europawahl und den Wahlen in Hamburg und Bremen. Stark war die AfD in den Vierteln der sozial Schwachen und nicht da, wo sie eigentlich reüssieren wollte, nämlich beim betuchten Bürgertum an der Alster und in Blankenese. Auch in Berlin schnitt die AfD bei der Europawahl in Problembezirken wie Wedding gut ab.

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Ohne Gauland wäre die Neuerfindung der AfD nicht denkbar. Der 74-Jährige ist einer der wenigen in der AfD, der Ost wie West kennt und hier wie da den Ton zu treffen weiß. Er weiß auch, dass die politische Linie nicht alles ist – es geht um Personen. Für sich hat Gauland die Rolle des Schutzpatrons nationalkonservativer bis völkischer Kräfte in der AfD gefunden.

Einst verlief die Trennlinie zwischen Parteigründer Lucke und dem Lager um die jetzige Vorsitzende Frauke Petry. Heute verläuft sie zwischen einer orientierungslosen Petry und der offensiv national auftretenden Gauland-Höcke-AfD. Was Petry mit Lucke tat, schicken sich nun ihre Gegner an, mit ihr zu tun.


In der AfD-Führung wird heftig darüber gestritten, wie viel Höcke zum Umfragenhoch beigetragen habe. Gauland lobt ihn: „Höcke hat in Erfurt etwas geschafft, was mir in Brandenburg bislang nicht gelungen ist.“ Wer Höcke ausgrenze, grenze auch dessen Anhänger aus, sagt Gauland. Auch wenn er nicht jedes Wort des thüringischen Scharfmachers mitträgt, ist er bestrebt, Einheit zu demonstrieren. So verlas er mit Höcke fünf Grundsätze für Deutschland.

Sie sagen oft „wir“ und kreisen um Volk und Nation. „Deutschland ist nicht verhandelbar!“ Und: „Unser Staat – unsere Nation ist kein Zufallsprodukt. Es ist das Werk vieler Generationen. Mit Stolz blicken wir auf eine reiche Kultur, bürgerliche und politische Freiheiten und Wohlstand.“ Und: „Deutschland ist unser Land!“ Höcke/Gauland: „Wir verweigern uns verantwortungslosen Experimenten mit und an unserem Volk.“ Nur Ideologen glaubten, „dass jeder zu einem Deutschen wird, sobald er die Landesgrenze überschritten hat“.

Für Gauland ist die AfD die letzte Chance

Wie kein anderer formt Gauland die programmatische Wende der AfD. Kein Wunder, von den prägenden Gründerfiguren ist allein er geblieben. Petry besaß nie diese Wirkungsmacht, sie fiel eher durch ihren Karriereinstinkt auf. Sie kam in den Parteivorstand, weil Lucke fand, dass sie für das Image der damals noch jungen Partei gut sei. Irgendwann fand sie, dass Lucke nicht mehr gut für die Partei sei, und griff selbst nach dem Vorsitz.

Gauland ist nicht an Posten oder Karriere interessiert. Ihn treibt seine Enttäuschung über die CDU um, der er lange angehörte. Ihm bedeutet die AfD vielleicht mehr als irgendwem sonst im Vorstand. Die Partei ist seine allerletzte Chance, eine nationalkonservative Kraft in Deutschland zu etablieren, wie er es sich in der CDU immer erhofft hatte. Wer immer sich ihm in den Weg stellt, den bekämpft er hart.


So hinderte er Petry in einer turbulenten und teils sehr lauten Vorstandssitzung daran, Sanktionen gegen den thüringischen Landeschef Höcke durchzusetzen, weil dieser auf einer Veranstaltung der neuen Rechten über phylogenetische Reproduktionsstrategien von Europäern und Afrikanern gesprochen hatte . Gauland brachte sogar den Höcke-Gegner Jörg Meuthen auf seine Seite und isolierte Petry vollends.

Die Sitzung geriet zur Machtdemonstration. Gauland zeigte Petry, wer wirklich die Geschicke der Partei lenkt. Für sie war diese von ihr selbst provozierte Niederlage ein starker Autoritätsverlust, zumal ihr Ansehen bereits beschädigt war. Auch dazu hatte sie erstaunlich instinktlos selbst beigetragen, indem sie private Interessen mit denen der Partei vermischte.

Wenn Petry fällt, steht Gauland schon bereit

Im Sommer 2015 verließ die Mutter von vier Kindern ihren Mann, einen Pfarrer, für den in AfD-Kreisen als wenig seriös geltenden EU-Abgeordneten Marcus Pretzell. Schon bald versuchte sie, ihn als kooptiertes Mitglied in den Bundesvorstand zu hieven. Nachdem das abgewehrt war, klagten Vorstandsmitglieder, Petry agiere zu wenig eigenständig, sie sei das Sprachrohr Pretzells. Auch der Vorstoß gegen Höcke wird Pretzell zugeschrieben. Seinetwegen wollte das Finanzamt mal ein AfD-Konto pfänden, nun ist er Petrys letzte Stütze.


Mehr Freunde hätte sie bitter nötig. Am 29. Januar tagt in Dresden ein Wahlprüfungsausschuss des Landtags. Es besteht der Verdacht des Verkaufs von Listenplätzen bei der letzten Landtagswahl. Vor dem Gremium musste Petry schon zwei Mal erklären, warum die AfD von ihren Listenkandidaten bis zu 3000 Euro Kredit verlangt habe, der beim Einzug in den Landtag in eine Spende umgewandelt werden sollte. In der letzten Anhörung sollen sich Petry und ein AfD-Funktionär mehrfach widersprochen haben. Beide sagten unter Eid aus. Nun erwägt der Ausschuss, die Staatsanwaltschaft einzuschalten.

„Sollte Petry des Meineids überführt werden, war es das für sie“, sagt ein Bundesvorstand. Gauland müsse den Vorsitz übernehmen, heißt es. Dann wäre der starke Mann der AfD dies endlich auch amtlich.

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Quelle: Welt-online vom 25.01.2016

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