„Kalt erwischt“: Warum die US-Luftabwehr der Saudis scheiterte – Feuerleitoffizier a.D.

Teile der Raketen nach dem Angriff auf saudische Ölanlagen in Riad am 18. September 2019

© AP Photo / Amr Nabil

POLITIK

Von Paul Linke
 

Die USA vermuten Teheran hinter den Angriffen auf saudische Ölanlagen – setzen dabei laut Außenminister Pompeo aber auf eine friedliche Lösung. Warum die USA einen direkten Angriff auf den Iran meiden und wie es den Angreifern gelingen konnte, die saudische Flugabwehr zu umgehen, ahnt ein ehemaliger Raketenabwehr-Feuerleitoffizier der Bundeswehr.

Es war ein präziser Angriff auf zwei saudische Erdölanlagen in Biqaiq und Khurais – mutmaßlich ausgeführt mit Drohnen und Raketen. Und dieser dürfte die saudische Führung ziemlich überrascht haben. Zu den Angriffen am vergangenen Samstag haben sich die jemenitischen Huthi-Rebellen bekannt.

US-Außenminister Mike Pompeo sagte am Donnerstag: „Ich denke, dass es glasklar ist und dass es einen gewaltigen Konsens in der Region darüber gibt, dass wir genau wissen, wer diese Angriffe ausgeführt hat. Es war der Iran.“

Auch der Abrüstungsexperte vom Arbeitskreis „Darmstädter Signal“ und Oberstleutnant a.D. der Bundeswehr Jürgen Rose bezweifelt, dass die Huthis allein hinter den Anschlägen stecken: Diese seien nicht unbedingt für ihre moderne technische Ausrüstung bekannt. Doch für einen derartigen Angriff benötige man hochentwickelte militärische Technologie – vor allem, wenn der Angriff aus dem Jemen stammte. „Die Huthis wären schwerlich in der Lage, Drohnen zu entwickeln, Drohnenpiloten auszubilden und auch die notwendige Infrastruktur, die man für Drohneneinsätze benötigt, zu installieren“, ist Rose überzeugt. So hätten die Rebellen zum Beispiel noch keine Relais-Satelliten oder Aufklärungssatelliten in den Weltraum geschossen. Doch vom Iran, der die Position der Huthis unterstütze, wisse man definitiv, dass dieser über Drohnen verfüge sowie über Fähigkeiten, Drohnen einzusetzen, sagt der Militärexperte im Sputnik-Interview.

US-Luftabwehr der Saudis gescheitert?

Doch wie konnte ein solcher Angriff auf die wichtigste Einnahmequelle der Saudis gelingen? Saudi-Arabien ist dem letzten „SIPRI“-Bericht zufolge der zweitgrößte Rüstungsimporteur der Welt. Im November 2017 wurde der internationale King-Khalid-Flughafen in Riad angegriffen. Die Huthi-Rebellen feuerten den Marschflugkörper „Burkan-2“ ab –  eine Variante der sowjetischen Scud-Rakete. Nach offiziellen Angaben wurde der Flugkörper durch das US-Raketenabwehrsystem „Patriot“ abgefangen. Auch damals machte US-Präsident Donald Trump den Iran für den Angriff verantwortlich und gab mit der Leistungskraft der amerikanischen Waffensysteme an: „Iran hat meiner Meinung nach einen Schuss auf Saudi-Arabien abgegeben. Und unser System hat ihn ausgeschaltet. Das zeigt, wie gut wir sind. Keiner stellt her, was wir herstellen, und jetzt verkaufen wir es überall in der ganzen Welt.“

Doch diesmal lief es nicht rund für den saudischen Raketenabwehrschild. „Eine Drohnenabwehr ist alles andere als Trivial“, weiß der ehemalige Raketenabwehr-Feuerleitoffizier Rose. „Ballistische Raketen fliegen enorm hoch. Das Apogäum, also der Scheitelpunkt einer ballistischen Flugkurve, liegt teilweise bei Mittelstreckenraketen außerhalb der Atmosphäre. Das heißt, da gibt es die entsprechenden Luftüberwachungsradars, mit denen man solche Flugkörper erfassen kann.“ Die entsprechenden Luftabwehrsysteme wie „Patriot“ verfügten über die Fähigkeiten, diese abzufangen, erklärt der ehemalige Bundeswehroffizier.

„Kalt erwischt“: Plötzlich Kampfdrohnen?

Das sei mit unbemannten Flugobjekten sehr viel schwieriger: „Sie fliegen sehr viel tiefer und sind sehr viel kleiner“, so dass mit konventionellen Radaranlagen bei entsprechender Drohnentechnologie (Anm. d. Red.: z.B. Tarnkappentechnik / Stealth-Technologie) derartige Flugobjekte kaum oder zu spät erfasst werden können. Falls diese nun doch geortet würden, müsse man sie noch bekämpfen, erinnert Rose. Weil Drohnen sehr viel langsamer fliegen, sei das ein technisches Problem, wenn man für die Abwehr dieser beispielsweise einen Abfangjäger verwende.

„Hinzu kommt der Überraschungsfaktor, weil vermutlich das saudische Militär nicht unbedingt damit gerechnet hat, dass plötzlich nicht mit ballistischen Raketen geschossen wird, sondern mit hochentwickelten Drohnen“. So sei die Luftverteidigung in Saudi-Arabien „wahrscheinlich kalt erwischt“ worden, glaubt der Verteidigungsexperte.

„Genialer Clou“

Als Reaktion auf mutmaßliche Drohnen-Angriffe hatte der russische Präsident, Wladimir Putin, Saudi-Arabien vorgeschlagen, die russischen S-400-Raketensysteme zu kaufen. „Sie werden jegliche Objekte der saudischen Infrastruktur zuverlässig schützen”, versprach Putin. Als „genialen Clou“ bezeichnet Rose das Angebot Putins. „Er hat es ja bereits mit der Türkei gemacht und das hat für erhebliche Verwerfungen innerhalb der Nato gesorgt. Die Türken haben das hochmoderne russische Verteidigungssystem S-400 bekommen. Wenn ihm das mit den Saudis nochmal gelänge, hätte das enorme Auswirkungen auf das Bündnis zwischen den USA und den Saudis“, meint der Nato-Kritiker.

Die russischen Flugabwehrsysteme S-300, S-400 und die neuen S-500 seien in der Tat hochentwickelt, so die Einschätzung des Experten. Sie seien in der Lage, den Luftraum sehr gut zu überwachen, auch hunderte kleine Ziele gleichzeitig zu identifizieren, zu verfolgen sowie dutzende Ziele gleichzeitig zu bekämpfen. „Damit hätten die Saudis Zugriff zu einer sehr effizienten Waffe“, erklärt der ehemalige Feuerleitoffizier. Gleichzeitig weist er auf erhebliche Schwierigkeiten hin: Denn dabei gehe es nicht nur um die technologische Hardware.

„Es geht auch um das notwendige Knowhow, die notwendige Ausbildung der Kampfbesatzungen: Sie müssen in der Lage sein, mit diesen Systemen umzugehen. Zudem muss das in eine umfassende Luftverteidigungsdoktrin eingebunden werden. Diese müsste von Riad entwickelt werden. Saudi-Arabien ist so groß, dass eine flächendeckende Luftverteidigung illusorisch ist. Man kann nur schwerpunktmäßig versuchen, Ziele zu schützen. In sogenannten Flugabwehrraketen Flarak-Clastern.“ Das sei sehr anspruchsvoll und zeitaufwendig. „Das würde Jahre dauern, bis die Saudis bereit wären, ihren Luftraum einigermaßen effektiv zu schützen.“

„Umfassender Krieg“ mit Iran?

Für den Fall eines Militärschlags Saudi-Arabiens und seiner Verbündeten auf sein Land hat der iranische Außenminister Mohammed Dschawad Sarif mit einem „umfassenden Krieg“ gedroht. „Wir wollen keinen militärischen Konflikt“, unterstrich Sarif im Interview mit dem US-Sender „CNN“. Der Iran werde jedoch „nicht mit der Wimper zucken“, wenn es darum gehe, das Land zu verteidigen. Ein Militärschlag könnte viele Opfer zur Folge haben, warnte er. Sarif wies jede Verantwortung für die mutmaßlichen Drohnenangriffe auf Ölanlagen in Saudi-Arabien am vergangenen Samstag zurück.

Doch der Sicherheitsexperte Rose gibt zum Teil Entwarnung: „Das Szenario einer militärischen Besetzung Irans steht – jedenfalls in dieser Phase des Konflikts – nicht zur Debatte. Wenn, dann wird es ein Krieg sein, der aus der Distanz, aus der Luft geführt wird – mit Luftstreitkräften, eventuell mit Raketenstreitkräften. Der springende Punkt sei dabei, dass auch die Iraner über das russische S-300- Luftabwehrsystem verfügen würden. Das sei einer der Hauptgründe dafür gewesen, warum ein geplanter US-Luftangriff auf den Iran in letzter Sekunde abgeblasen worden sei.

„Der US-Präsident wird nach den Kosten für den Angriff gefragt haben. Man wird ihm dann eben dargelegt haben, über welche Fähigkeiten das S-300-System verfügt. Die hätten wohl unter Umständen die halbe US-Luftflotte, die in einer Stärke von 150 Maschinen angesetzt war, aus der Luft schießen können“, mutmaßt Rose. Die Iraner hätten ja mit dem Abschuss der US-amerikanischen Drohne, der „Global Hawk“, die in sehr großer Höhe fliege (Anm. d. Red.: bis zu 20.000 Meter), bewiesen, dass sie in der Lage seien, diese S-300-System auch effektiv einzusetzen, kommentiert der ehemalige Bundeswehroffizier. „Das war eine ganz klare Demonstration und eine Nachricht an die US-Streitkräfte: Seht her, wir können das und das wird auf jeden Fall nicht billig für euch werden.“

Das komplette Interview mit Jürgen Rose (Bundeswehroffizier a.D.) zum Nachhören

Quelle: Sputnik vom 21.09.2019 


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Kleiner Grauer
Kleiner Grauer
4 Jahre zuvor

Auch so eine Verarschung! Die Dinger rammeln mit Vollgas in die Tanks und verbrennen darin, werden nach tagelangem ausglühen fast unversehrt geborgen! Wie in Zwickau bei der NSU, das Haus brennt weg und die „Beweise“ sind unversehrt. Die V1 war tausendmal größer als diese Dinger und von der V1 hat man keine Teile in London befunden! Die Bruchstellen an den Flugkörpern zeigen, daß Sie an den Stellen mit Sprengstoff getrennt wurden. Wer weiß wie die auf welchen Testgelände aufgetrieben wurden? Wir werden verarscht! Der Natot ist auch in der Ostsee rumgetaucht um Trümmerteile von Raketen oder Torpedos zu finden!