Erdogan stoppt Wahlkampf in Deutschland – Der ewige Außenseiter

Die türkische Regierung sagt alle Ministerauftritte in Deutschland ab. Beobachter deuten dies als Rückzieher Erdogans. Tatsächlich hat der türkische Präsident längst bekommen, was er wollte.

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Ein Kommentar von Maximilian Popp

Tayyip Erdogan
REUTERS

Tayyip Erdogan

 

Bislang galt in der türkischen Politik vor allem ein Prinzip: Recep Tayyip Erdogan gewinnt immer. Egal, wie schlecht die Ausgangslage war oder wie breit der Widerstand, am Ende ging der türkische Präsident aus Konflikten stets als Sieger hervor.

Im Streit mit den Europäern scheint sich dieses Gesetz nun zu wiederholen.

Erdogan war in den vergangenen Monaten ins Hintertreffen geraten. Die Gesellschaft war aufgrund der Massenverhaftungen nach dem Putschversuch vom 15. Juli 2016 in Aufruhr, die Wirtschaft stagnierte. Erdogan suchte verzweifelt nach einem Narrativ, um die Menschen von der Notwendigkeit einer Verfassungsänderung zu überzeugen, die sämtliche Macht im Staat bei ihm bündelt.

Die Europäer haben es ihm geliefert. Die Auftrittsverbote gegen türkische Politiker in Deutschland und den Niederlanden haben Erdogan, der sämtliche Institutionen im Staat kontrolliert und in einem Palast mit 1000 Zimmern lebt, plötzlich wieder als jenen Außenseiter erscheinen lassen, als der er vor fast 15 Jahren zum ersten Mal bei Parlamentswahlen angetreten ist.

Die türkische Regierung hat das Thema gnadenlos ausgeschlachtet. Erdogan wirft den Europäern wahlweise „Nazi-Praktiken“, „Türkei-Feindlichkeit“ oder „Terrorunterstützung“ vor. Die türkischen Medien berichten seit Wochen über nichts anderes mehr.

Am Dienstag nun hat die Regierungspartei AKP überraschend sämtliche Ministerauftritte vor dem Referendum am 16. April abgesagt. Manche Beobachter interpretierten die Entscheidung als einen Rückzieher Erdogans. SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz sprach von einem „Zeichen der Vernunft“.

In Wahrheit dürfte Erdogan schlicht zu der Überzeugung gelangt sein, dass er in Europa bereits das beste Ergebnis für sich herausgeholt hat: Er hat die Menschen polarisiert und nationalistische Wähler durch seine Parolen mobilisiert.

Die Erklärung der Union Europäisch-Türkischer Demokraten (UETD), der Lobbygruppe der AKP in Europa, lässt bereits erahnen, wie Ankara den Verzicht auf Kundgebungen in Deutschland in den kommenden Tagen deuten wird: Extremistische Gruppen, sagte UETD-Präsident Zafer Zirakaya, hätten Einrichtungen seines Verbandes angegriffen. Das Klima in Deutschland lasse eine freie Meinungsäußerung nicht zu. Die Opferlegende dürfte Erdogan am Ende mehr Stimmen einbringen als weitere Kundgebungen seiner Minister.

Wie wenig dem türkischen Präsidenten an einer Entspannung mit Europa gelegen ist, hat er erst am Dienstag deutlich gemacht. In einer Rede in Ankara bezeichnete Erdogan Deutschland und die Niederlande abermals als „faschistisch“ und „grausam“. Die Türkei werde ihre Beziehung zur EU nach dem Referendum „neu ausrichten“.

Premier Binali Yildirim hatte den Niederlanden bereits vor einer Woche mit „schwersten“ Antworten gedroht. Bislang erschöpften sich diese darin, dass die Türkei 40 holländische Kühe zurück in die Niederlande schickte. Die Regierung in Ankara weiß, dass ernsthafte Sanktionen, etwa Einschränkungen beim Handel, in erster Linie ihr selbst schaden würden.

Erdogans Anhänger geben sich mit der bloßen Rhetorik zufrieden. Seinen Gegnern bleibt unterdessen nur, zu hoffen, dass der Effekt aus dem türkisch-europäischen Eklat bis zum Referendum in knapp vier Wochen verpufft ist.

Quelle: Spiegel-online vom 21.03.2017

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