KULTUR – THILO SARRAZIN: „Ich habe nur eines, und das ist mein Ruf“

Der frühere Berliner Finanzsenator und Ex-Bundesbanker Thilo Sarrazin im Landgericht München
Thilo Sarrazin im Landgericht München I.

Quelle: dpa

Thilo Sarrazin gegen #Random House: Der Verlag, der das neue Buch des umstrittenen Autors nicht mehr veröffentlichen will, und #Sarrazin treffen sich vor Gericht. Der 73-Jährige sieht seinen Ruf durch den Verlag empfindlich beschädigt.

Die Frage, ob Thilo Sarrazin persönlich vor Gericht erscheinen werde, beantwortete sich zehn Minuten vor Prozessbeginn. Begleitet von seinen beiden Anwälten, betrat der umstrittene Buchautor, Ex-Politiker und ehemaliger Bundesbank-Vorstand am Montag den Sitzungssaal im Münchner Landgericht. Wortlos lässt sich der 73-Jährige auf der Kläger-Seite nieder und richtet den Blick in die Mitte des Saales, während sich seine Anwälte über seinen Kopf hinweg beraten. Sarrazin spricht vor dem Prozess kein einziges Wort.

Sarrazin gegen Random House heißt es in diesem Verfahren, und das ist durchaus ungewöhnlich, denn lange hieß es Sarrazin mit Random House. Vier Bücher, darunter sein bekanntestes Werk, „Deutschland schafft sich ab“, hat der Autor bei der Deutschen Verlags-Anstalt (DVA), die zu Random House gehört, bereits veröffentlicht.

Und eigentlich sollte in diesem Jahr ein fünftes folgen: „Feindliche Übernahme. Wie der Islam den Fortschritt behindert und die Gesellschaft bedroht“. Aber dazu kommt es nicht mehr. Die Auseinandersetzung zwischen Verlag und Sarrazin ist so sehr eskaliert, dass sich beide Seiten gegenseitig gekündigt haben. Die Frage ist, wie es dazu kommen konnte. Was sind die Gründe für dieses offenbar tiefe Zerwürfnis? Hier liefert die Verhandlung ungeahnte Einsichten.

Formal geht es in dem Prozess um Rufschädigung und Schadensersatz in nicht genannter Höhe. Sarrazin hat Random House verklagt und hält an dieser Klage fest, auch wenn er in der Zwischenzeit einen neuen Verlag für sein Buch gefunden hat. Der Finanzbuch-Verlag wird das Werk Ende August herausbringen. Angesichts dieser neuen Entwicklung formuliert der Vorsitzende Richter Peter Lemmers zu Beginn die Hoffnung auf eine gütliche Einigung. „Ich dachte, wir nutzen die Gelegenheit, und reden miteinander“, sagt er. „Vielleicht finden wir heute einen Weg, den beide Seiten gehen können.“ Dann stellt er die Faktenlage dar.

Es ist nicht ganz leicht, nachzuvollziehen, woran genau sich der Streit zwischen Autor und Verlag entzündet hat. In jedem Fall aber spielt das Erscheinungsdatum eine Rolle. Sarrazin, der das Manuskript im Februar 2018 abgegeben hatte, pochte auf eine Veröffentlichung Ende August – und damit genau acht Jahre nach seinem Beststeller „Deutschland schafft sich ab“. Von Verlagsseite wurde ihm dieser Termin aber nie bestätigt.

Tatsächlich wurde der Autor lange im Unklaren darüber gelassen, wann denn das Buch herausgebracht werden sollte. Hier gibt sich auch Verlagsanwalt Rainer Dresen durchaus selbstkritisch. „In dieser Hinsicht war das Verhalten des Verlags suboptimal“, sagt er. Vertraglich festgelegt war der Erscheinungstermin „voraussichtlich für den Herbst 2018“.

Es kam zu einem Telefonat, bei dem Sarrazins Anwalt offenbar damit drohte, den Erscheinungstermin einzuklagen und an die Öffentlichkeit zu gehen. Dieses Telefonat ist strittig, ebenso der Inhalt mehrerer Gespräche, die es zwischen Verlag und Autor in Berlin und München gegeben hat. Fakt ist, dass kurz danach beide Seiten das Arbeitsverhältnis kündigten.

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„Ich habe inhaltlich das geliefert, was der Verlag bestellt hat“, sagt Sarrazin. Er hat bisher die Ausführungen des Richters und der Anwälte ohne große Regung verfolgt. Aber nun, da er das Wort hat, lässt er es sich so schnell nicht wieder nehmen. „Ich habe nur eines, auf das ich als Autor bauen kann“, sagt er: „Und das ist mein Ruf.“ Und diesen sehe er durch das vertragswidrige Verhalten des Verlages empfindlich beschädigt.

Der Verlag hat Sarrazins Manuskript als „nicht publizierfähig“ bezeichnet. Grund hierfür waren auch inhaltliche Bedenken. „Das Werk hat sich als sehr arbeitsintensiv erwiesen, die Lektoren hatten vieles überprüfen müssen“, sagt Dresen gegenüber WELT. Der Anwalt des Verlags lässt zudem anklingen, dass man auch mit der inhaltlichen Gewichtung nicht zufrieden gewesen sei. Sarrazin wurde gebeten, das letzte Kapitel zu überarbeiten. Er sollte darin aufzeigen, wie Integration doch noch gelingen könne. Dem habe der Autor auch zugestimmt, sagt Dresen.

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„Sie haben doch alles, was Sie wollten“, sagt der Richter zu Sarrazin. „Sie haben einen neuen Verlag, das Buch erscheint zu dem von Ihnen gewünschten Termin.“ Damit könne es man doch gut sein lassen. Tatsächlich scheint für einen kurzen Moment eine Einigung möglich. Bis Sarrazins Anwälte ihre Forderung auf den Tisch legen. Sie fordern das gesamte Buchhonorar von 150.000 Euro, von dem 100.000 Euro bereits gezahlt wurden. Zudem soll Random House Sarrazins Anwaltskosten von rund 50.000 Euro und die Gerichtskosten übernehmen. Und noch etwas obendrauf legen.

Laut „Bild“ fordern Sarrazins Anwälte sogar bis zu 800.000 Euro. Sie bezeichnen den Schaden, der durch die Rufschädigung erfolgte auf mindestens 300.000 Euro. Dazu rechnen sie noch mindestens 500.000 Euro entgangenen Gewinn.

Verlagsanwalt Dresen lehnt empört ab. „Wenn das das Angebot ist, sehen wir uns vor Gericht wieder“, sagt er. Einigung erst einmal ausgeschlossen.

Quelle: Welt-online vom 09.07.2018

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Alexander Berg
5 Jahre zuvor

Von „Ruf“ gibt es gutes Pudding-Pulver. 😀