Ägypten: Militärgericht erlässt Haftbefehl gegen Vierjährigen

 

Gerichtsverhandlung in Kairo (Archivbild): "Die Leute, die diese Art von Ermittlungen durchführen, ruinieren den Staat"

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Gerichtsverhandlung in Kairo (Archivbild): „Die Leute, die diese Art von Ermittlungen durchführen, ruinieren den Staat“

Das Justizwesen in Ägypten ist eine Farce, das belegen zwei aktuelle Fälle: Richter erlassen Haftbefehl gegen einen Vierjährigen, ein Schriftsteller soll wegen seines Buches zwei Jahre ins Gefängnis.

Als die Polizisten bei ihm an die Tür klopften, glaubte Mansur Qurani zunächst noch an ein Missverständnis. Die Polizisten hielten ihm einen Haftbefehl vor die Nase – ausgestellt auf Ahmed Qurani, seinen Sohn. Der ist gerade einmal vier Jahre alt.

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Ahmed Qurani wurde von einem Militärgericht in Kairo zu 28 Jahren Gefängnis verurteilt. Er soll als Anhänger der Muslimbrüder 2014 an Unruhen beteiligt gewesen sein. Dafür hat ihn ein Militärtribunal in einem Sammelprozess mit 115 weiteren Angeklagten bestraft. Zum Tatzeitpunkt war Ahmed anderthalb Jahre alt.

Das versuchte auch sein Vater den Polizisten zu erklären, ohne Erfolg: „Sie forderten mich auf, ihnen meinen Sohn auszuhändigen. Als ich mich weigerte, nahmen sie mich zur Polizeistation mit und behielten mich dann 15 Tage lang in Gewahrsam“, sagte Mansur Qurani am Wochenende dem ägyptischen Fernsehsender Dream TV. Der Beitrag hat in Ägypten für große Aufregung gesorgt.

Quranis Anwälte legten dem Gericht die Geburtsurkunde des Kindes vor. Doch die Richter weigerten sich, das Dokument auch nur anzusehen.

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„Wir leben in einem Staat, in dem Politik und Sicherheitsapparat ihre Unreife zeigen“, sagte der bekannte Moderator Wael al-Ibrashi in seiner Moderation zum Fall Ahmed. „Die Leute, die diese Art von Ermittlungen durchführen, ruinieren den Staat.“

28 Jahre Gefängnis für einen 16-Jährigen

In der Nacht zum Montag musste der Sprecher des ägyptischen Militärs einen Fehler eingestehen. Eigentlich habe das Gericht einen anderen Ahmed Qurani in Abwesenheit verurteilt. Der sei weiter auf der Flucht.

Doch auch das Eingeständnis von Armeesprecher Mohamed Samir lässt die ägyptische Armee schlecht aussehen: Der eigentlich verurteilte Ahmed Qurani ist nämlich erst 16. Er wurde also zu 28 Jahren Haft verurteilt, für eine Tat, die er mit 14 Jahren begangen haben soll.

Die Schlamperei der Justiz und die drakonische Strafe für den Jugendlichen belegen, wie schlecht es um die Menschenrechte im Ägypten unter Staatschef Abdel Fattah el-Sisi steht: Er erließ 2014 ein Gesetz, das die Befugnisse der Militärgerichte stark ausweitet. Seither sind Tausende Zivilisten von diesen Tribunalen verurteilt worden.

Die Angeklagten haben dort kein Anrecht auf einen Anwalt ihrer Wahl, viele Prozesse dauern nur wenige Stunden, Freisprüche sind die große Ausnahme.

Zwei Jahre Haft, weil ein Leser Herzrasen bekommt

Bei den zivilen Gerichten sieht es nur wenig besser aus: Am Samstag verurteilten Richter in Kairo den Schriftsteller Ahmed Naji zu zwei Jahren Gefängnis. Das staatliche Literaturmagazin „Akhbar al-Adab“ hatte im August 2014 Auszüge aus Najis Buch „Der Sinn des Lebens“ veröffentlicht. Darin schildert der Autor unter anderem sexuelle Handlungen und Haschischkonsum.

Ein namentlich nicht genannter Ägypter erstattete daraufhin Anzeige gegen Naji, weil er nach der Lektüre Herzrasen bekommen habe und ernsthaft erkrankt sei.

In erster Instanz hatten die Richter den Schriftsteller noch freigesprochen, das Berufungsgericht verurteilte ihn nun aber wegen Verstoßes gegen die sittliche Ordnung.

In der üblicherweise ziemlich unkritischen ägyptischen Presse regte sich daraufhin Protest: Ibrahim Eissa, einer der bekanntesten Journalisten des Landes, griff Staatschef Sisi in seiner Kolumne am Sonntag scharf an.

 

„Ihr Staat ist eine Theokratie, Herr Präsident, auch wenn Sie immer von einem modernen, zivilen Staat sprechen“, schrieb Eissa in seiner Zeitung „al-Maqal“. „Ihr Staat und Ihre Behörden sind genau wie die Ihres Vorgängers. Sie hassen Intellektuelle und Kreativität.“

Die Reaktion des Regimes steht noch aus.

syd

Quelle: Spiegel-online vom 22.02.2016

 

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