Zum Tod von Lothar Späth: Das Verdrängerle

 

Von Johanna Henkel-Waidhofer

Lothar Späth

Franz Bischof/ laif

Lothar Späth

Die CDU in Südwest war noch mächtig, als Lothar Späth Regierungschef war. Er stürzte über eine Reise-Affäre, blieb aber trotzdem ein gewiefter Strippenzieher. Ein Nachruf.

Mit Lothar Späth stirbt ein Teil der Südwest-CDU. Gerade nach der krachenden Wahlniederlage vom vergangenen Wochenende hätte die Union in Baden-Württemberg einen Berater dringend nötig, der in der Lage ist, über den Tellerrand hinauszuschauen. Selbst Ministerpräsident Winfried Kretschmann beruft sich bei einer Erklärung, warum die Grünen jetzt die neuen Baden-Württemberg-Partei sind, auf den Vorgänger mit dem unrühmlichen politischen Ende.

Am 13. Januar 1991 war tiefster Winter in Baden-Württemberg, und die CDU befand sich in einer Krise, die durchaus mit der aktuellen zu vergleichen ist. Der gebürtige Sigmaringer Späth, viele Jahre ein gefeierter Überflieger, der sogar Helmut Kohl hatte stürzen wollen, stürzte selbst.

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Nicht nur über die 550 von Dritten bezahlten Dienst- und Privatreisen, die später in einem Untersuchungsausschuss fein säuberlich aufgelistet wurden – bis hin zum Reiturlaub von Tochter Daniela im oberösterreichischen Ampfelwang. Diese „Traumschiff“-Affäre hätte der Aufsteiger mit der Mittleren Reife und dem unstillbaren Drang, Akademikern die eigene Überlegenheit zu beweisen, vielleicht überstanden.

Jetzt aber ging im Parteivorstand, der im Nobelhotel eines seiner vielen Unternehmerfreunde hoch über Isny im Allgäu tagte, die Meldung herum, der SPIEGEL erscheine anderntags mit pikanten Details über einen Aufenthalt in einer Luxussuite für 2000 Mark pro Nacht auf Penang. Späth war als Herr Schwab gereist.

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Zum Verhängnis wurde ihm seine Angewohnheit, vor allem in von deutschen Managern geführten Häusern abzusteigen. Einer von ihnen – Hans Georg Jahnke hieß der Mann – war bereit auszusagen: „Der hohe Gast hielt sich die meiste Zeit in seinen Räumlichkeiten auf und ließ sich verwöhnen.“ Also bestieg der fünfte Ministerpräsident des Landes Baden-Württemberg den Hubschrauber, flog nach Stuttgart, trat vor die Medien und gab seinen Rücktritt bekannt.

Der charmante Sanierer

Späth suchte das Heil in der Verdrängung. Selbst im parlamentarischen Untersuchungsausschuss wenige Wochen später gab Späth sich schon wieder vergleichsweise aufgeräumt: Zügig erfand er eine Version, die zwar nicht stimmte – aber gerade in der Partei und auch in der heimischen Öffentlichkeit, die sich ein populäres Idol nicht madig machen lassen wollte, schnell verfing: Journalisten seien doch regelmäßig mitgereist, hätten alles gewusst und nun die Gelegenheit, ihn zu stürzen, genutzt.

Schon auf dem Parteitag, an dem er seine CDU an Erwin Teufel übergab, zog er bereits wieder vielbeklatscht in den Saal ein. Dass die Schwarzen im Südwesten 1992 die gewohnte absolute Mehrheit weit verfehlten und in eine Große Koalition mussten, wurde seinem Nachfolger angelastet.

Späth war da schon Vortragsreisender, mit nicht unter fünfstelligen Honoraren in Sachen Wiederaufbau im Osten. Nur fünf Monate nach seinem Rücktritt wurde er in Jena Geschäftsführer der Jenoptik, die vom volkseigenen Betrieb Carl Zeiss übrig geblieben war. Dass er etwa 15.000 Beschäftigte entließ und die verbleibenden Arbeitsplätze mit riesigen Subventionen gestützt bekam, tat seinem Ruf als Sanierer keinen Abbruch.

Ein Schlüssel für seine enorme Beliebtheit war das gewinnende Wesen, der Charme des Mächtigen, dazu die rasche Auffassungsgabe, das Elefantengedächtnis, sein Humor, seine Schlagfertigkeit – und ein enormer Elan. Er wollte, dass etwas voranging – auf die Richtung kam es nicht immer so genau an. Begleitet wurde sein rastloses Wirbeln zwischen Stuttgart und Peking, zwischen Moskau und Maylasia von dem treffenden Spruch, er sei ein Meister darin, Luftballons laut steigen und leise platzen zu lassen.

Sollte doch einmal das Interesse an seiner Person abebben, griff er – noch jahrelang – in seinen tiefen Fundus von immer gut erzählten Witzen, zumal über Helmut Kohl, den er, wie er später zugab, bei seinem Putschversuch 1989 in Bremen unterschätzt hatte. Oder er überraschte als Kunst- und Kulturkenner, der immer auf gutem Fuß stand mit den Spitzenkräften des berühmten Stuttgarter Balletts. Späth konnte glänzen mit Originalen statt Kalenderblättern von Friedensreich Hundertwasser oder als Fan von Ida Kerkovius, einer der zentralen Frauenfiguren der Deutschen Moderne. Immer nach der Devise, im für ihn so typischen Idiom: „Hinter High-tech high-culture schalten!“

„Wir haben Späth viel zu verdanken“

Der Kreis zu den Grünen und zur neuen Baden-Württemberg-Partei schließt sich im Silicon Valley. Späth war als erster deutscher Ministerpräsident in Kalifornien. Er schwärmte Mitte der Achtziger von Venture Capital und Gründergeist, von alternativen Antriebssystemen, damals von Raps, und – Genießer durch und durch eben – von Robert Mondavi und dessen „Opus One Wineyard“, natürlich ein Joint Venture. Da saß Winfried Kretschmann schon im Landtag von Baden-Württemberg, in der ersten Fraktion der Grünen, die Späth binnen weniger Jahre mit Hilfe einer grünen CDU-Politik wieder aus dem Parlament vertrieben haben wollte.

Das misslang bekanntlich gründlich. Aber wie Späth damals, so spricht Kretschmann heute vom besonderen Spirit in Kalifornien, von dem sich der prosperierende, sich immerwährend auf der Überholspur wägende Südwesten einiges abschneiden könne. „Wir haben Lothar Späth viel zu verdanken“, sagte der Nachfolger bewegt, als die Nachricht von Späths Tod eintraf. Das gelte für die Grünen und erst recht für das Land.

Quelle: Spiegel-online vom 18.03.2016

 

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