Leere Regale bald auch in Deutschland? Lkw-Fahrer gehen aus! Deutschland steuert aufs gleiche Problem wie Großbritannien zu

PKW und LKW stauen sich auf der Autobahn A8.
Peter Kneffel/dpa/Archivbild PKW und LKW stauen sich auf der Autobahn A8.
Mittwoch, 27.10.2021, 09:43

Gut 71.000 Euro Jahresgehalt bieten britische Firmen gerade, um Lkw-Fahrer anzulocken. Trotzdem will dort keiner mehr „auf Achse“ sein. Ein ähnlicher Mangel könnte auch Deutschland treffen – und die hiesigen Gehälter sind nicht ansatzweise so üppig. Dürftige Löhne sind aber nicht der einzige Grund für den Mangel.

Auch wenn es hämisch war: Das Chaos der britischen Wirtschaft vor einigen Monaten rang vielen Europäern ein Schmunzeln ab. Kilometerlange Lkw-Staus in Dover, leere Regale in den Supermärkten. Trotz vieler Verhandlungen und Deals mit der EU ging der Brexit nicht so reibungslos wie erhofft über die Bühne – zum Vergnügen derer, die den Austritt der Briten als unsinnig empfanden.

Mit der „Lorry-Crisis“ folgte darauf gleich die nächste Misere. Dem Land fehlen Berufsverbänden zufolge mehr als 100.000 Lastkraftfahrer, berichtete „BBC“ vor kurzem. Hohn sollten sich die Festland-Europäer aber dieses Mal verkneifen – denn britische Verhältnisse drohen auch hier.

Brexit - Dover
Gareth Fuller/PA Wire/dpaLastwagen, die Fracht transportieren, die an den Seehafen von Dover geliefert wurde, stehen im Stau (Archivbild)
 

Dabei ist es keine Neuigkeit, dass Deutschland langsam die Fahrer ausgehen. Bereits im Februar 2020, noch vor der Pandemie, warnte das Bundesverkehrsministerium (BMVI) vor dem Schwund der Trucker. 2027, so die damalige Prognose, würden in der deutschen Logistik bereits 185.000 Lastkraftfahrer fehlen – und das, ohne die größere Lastenmenge zu berücksichtigen. Dem BMVI zufolge dürfte diese bis 2030 auf 607 Milliarden Tonnenkilometer steigen, 20 Prozent Plus gegenüber 2017.

Heißt: Im Zweifelsfalle weitet sich der Mangel nochmal um Tausende Trucker aus. „Die Zahl der verfügbaren Lkw-Fahrer wird […] deutlich abnehmen. In der Folge ist mit verstärkten Frachtraumengpässen und anhaltend einbrechenden Service-Levels zu rechnen“, konstatierte das BMVI. Doch warum will niemand mehr „auf Achse“ sein?

Kraftfahrer verdienen 660 Euro weniger als andere Facharbeiter

Endlose Straßen, das rhythmische Motorbrummen des Vierzigtonners: Trotz aller Trucker-Romantik ist Kraftfahren vor allem Arbeit, die den Lebensunterhalt finanzieren soll. Genau hier liegt eines der großen Probleme in der Branche, wie eine Erhebung des Statistischen Bundesamts zeigt. Am Steuer verdient sich kaum etwas.

Im vergangenen Jahr lag der Vollzeit-Lohn eines Truckers durchschnittlich bei 14,21 Euro pro Stunde – bei vollausgebildeten Fahrern, wohlgemerkt. Angelernte Kräfte erhielten im Mittel nur 12,91 Euro. Damit liegen die Stundenlöhne der Lkw-Fahrer deutlich unter dem gesamtwirtschaftlichen Durchschnittslohn von Fachkräften (19,91 Euro) und Angelernten (16,02 Euro).

Brutto verdienen die Berufskraftfahrer, zu denen auch Bus- und Kurierfahrer gehören, demnach zwischen 2313 und 2623 Euro im Monat. Das sind zwischen 300 und 660 Euro weniger als im wirtschaftsweiten Durchschnitt. Kein Wunder also, dass sich nur noch wenige Arbeitnehmer hinter das Lenkrad setzen wollen. Gleichzeitig sind mehr als ein Drittel der Trucker bereits älter als 55 Jahre und damit der Rente nahe – der momentane Schwund ist erst der Anfang.

Auf Anfrage von FOCUS Online bekräftigte die Gewerkschaft Verdi zwar, dass die Tarifabschlüsse der Branche je Bundesland „in den letzten Jahren immer oberhalb der Inflationsrate“ lagen, allerdings „von einem sehr niedrigen Niveau kommend“. Zudem war die Inflation bis 2021 meist eher gering.

Hinzu kommt: Die Tarifbindung in der Branche ist gering. Um gutes Personal finden zu können, werden häufig auch Gehälter oberhalb der Tarifverträge gezahlt. Die Kehrseite: „Wem Qualität egal ist, und nur auf geringe Personalkosten setzt, bedient sich eben illegaler Praktiken unter Umgehung der Kabotage-Regeln“, sagt Stefan Thyroke, der bei Verdi die Branchen-Bundesfachgruppe leitet.

Kabotage bezeichnet den Gütertransport in einem Land durch ausländische Unternehmen, wie etwa Speditionen. In der EU gelten dabei einige Einschränkungen, zum Schutz nationaler Märkte.

„Im System ist genug Geld“

Laut Thyroke wären höhere Gehälter ein Schritt, den Mangel an Fahrern zu lindern. „Der BGL forderte bereits vor zwei Jahren 5000 Euro für Lkw-Fahrer. Dem ist nichts hinzuzufügen“, sagt Thyroke. Das müssten Spediteure und die Gewerkschaften in einer konzertierten Aktion bewältigen. „Genug Geld ist im System. Die großen Logistik-Unternehmen, welche die Auftraggeber der Speditionsbranche sind, verdienen alle prächtig.“ Ein Problem sei aber, dass einzelne Spediteure höhere Kosten aufgrund des Markts nicht einfach auf die Frachtpreise umlegen könnten. Thyrokes Vorschlag: „Alternativ wäre eine Frachtpreisuntergrenze denkbar, damit Personalkosten refinanzierbar bleiben.“

Was unterm Strich übrigbleibt, ist aber nicht allein entscheidend. Sicher: Viele Berufe sind Knochenjobs, die durchaus ein höheres Gehalt verdienen würden – das Trucker-Leben aber bringt noch einmal ganz andere Entbehrungen. „Die Arbeitsbedingungen stimmen insgesamt nicht“, bemängelt Thyroke. „Viel mehr Abwesenheiten von Zuhause als nötig, enormer Zeitdruck wegen minutengenauer Taktung der Aufträge und insgesamt eine sehr geringe Wertschätzung.“

Das sieht auch der Bundesverband Spedition und Logistik DSLV im Hinblick auf den Trucker-Mangel ähnlich. „Die Unterwegs-Bedingungen verschlechtern sich leider tendenziell, die den Ansprüchen vieler junger Menschen an eine Work-Life-Balance nicht entsprechen. Insbesondere die im europäischen Fernverkehr Beschäftigten sind tagelang unterwegs“, sagt DSLV-Hauptgeschäftsführer Frank Huster gegenüber FOCUS Online.

„Der wachsende Verkehr verlangt trotz modernster Fahrzeug-Assistenz-System konstante Konzentration und erschwert die Parkplatzsuche zur Einhaltung gesetzlich vorgeschriebener Ruhezeiten“, fügt Huster an. Ebenso lasse die Sanitär- und Versorgungsinfrastruktur an Rastplätzen weiter zu wünschen übrig.

Schottet Deutschland den Markt ab, drohen wirklich britische Verhältnisse

Die Löhne seien zwar gestiegen, der harte Wettbewerb deutscher Firmen mit der Konkurrenz aus Osteuropa mit anderen Sozialkostenstrukturen bremse die Entwicklung aber aus. Tendenziell befürworte auch der DSLV eine bessere Bezahlung der Trucker. Den deutschen Markt dafür aber einfach für die osteuropäische Konkurrenz dichtzumachen, sei keine Option. „Dann nämlich drohen hier wirklich britische Verhältnisse“, mahnt Huster.

Dort habe man den Markt abgeschottet – und finde nun niemanden für das Steuer der „Lorries“, obwohl Jahresgehälter von 60.000 Pfund, umgerechnet fast 71.000 Euro, geboten werden. Stattdessen sieht Huster die Politik in der Pflicht: „Die Harmonisierung von Arbeits- und Sozialvorschriften bleibt eine europäische Aufgabe.“ Unter welchen Bedingungen und für welches Gehalt die Trucker dann über die Straßen ziehen, seien indes „firmenindividuelle Entscheidungen“.

Dennoch müssen noch weitere Maßnahmen ergriffen werden, um den Personalmangel abzufedern. „Für technik- und fahrbegeisterte Menschen ist der Beruf immer noch faszinierend“, sagt Huster. Wichtig sei aber, dass sich die infrastrukturellen Rahmenbedingungen verbessern, „vor allem an den Rastplätzen und an vielen Be- und Entladestellen“.

Verband versichert: Die Grundversorgung ist nicht gefährdet

Neu sind diese Forderungen, wie der Mangel an Truckern selbst, übrigens nicht. Bereits 2018 formulierte der DSLV zusammen mit anderen Branchenverbänden einen entsprechenden Fünf-Punkte-Plan. Dort heißt es unter anderem: „Neben einer auskömmlichen Entlohnung in einem fairen Wettbewerbsumfeld sind ein sicherer und moderner Arbeitsplatz sowie eine ‚Work-Life-Balance‘, die durch innovative Arbeitszeitmodelle erreicht werden kann, erforderlich.“

Immerhin: Huster bekräftigt, dass nicht von Engpässen bei einzelnen Gütern darauf geschlossen werden sollte, dass derzeit die Grundversorgung gefährdet ist. „Der Fahrermangel verbessert die Situation natürlich nicht.“ Im Wesentlichen beruhen das ein oder andere leere Regal derzeit darauf, „dass die maritimen Lieferketten aus dem Takt geraten sind“.

Nichtsdestotrotz besteht Handlungsbedarf, damit die Versorgung über die Straßen auch künftig sicher bleibt. „[Der Mangel an Fahrern] ist eindeutig ein Trend, der nicht nur seit vielen Jahren zu beobachten ist, sondern schon heute auch auf die Zukunft projizierbar ist. Wir hatten schon vor zwei Jahren eine Lücke von 80.000 Fahrern. Rechnet man nun jedes Jahr 15.000 drauf, wird das Problem immer schwerwiegender“, sagt Verdi-Experte Thyroke.

Nach dieser Rechnung würden Deutschland sogar noch etwas eher die Zahl an Truckern fehlen, die das BMVI prognostiziert hat. Wann genau dieser Mangel in dieser Höhe da ist, sei auch gar nicht so erheblich, sagt Thyroke – wichtiger sei, dass Deutschland, wenn sich nichts ändert, bis zum Jahresende 2027 an die 200.000 Fahrer fehlen.

Quelle: Focus-online vom 28.10.2021

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Rosemarie Pauly
Rosemarie Pauly
2 Jahre zuvor

…Gut 71.000 Euro Jahresgehalt bieten britische Firmen gerade, um Lkw-Fahrer anzulocken. Trotzdem will dort keiner mehr „auf Achse“ sein…

Das haben etliche mir persönlich bekannte Trucker schon vor dreißig Jahren verdient, plus Spesen. Das waren noch Zeiten. Heute würden sie dafür nicht mal mehr morgens um vier Uhr aus dem Bett steigen.
Allerdings wurden die Trucks auch schonmal überladen, wie mir berichtet wurde, und die Fahrer durften es dann ausbaden – Punkte in Flensburg etc..
Niemand will im Zeitalter von IT und KI und wie das alle heißt noch Knochenjobs verrichten. Die jungen Leute sehen fast alle zu, dass sie einen Studienplatz erhaschen, andere lümmeln sich bei der Agentur für Arbeit herum, einige wenige gehen noch ins Handwerk (viel zu wenige !) oder blamieren sich als sogenannte Influencer auf den bekannten Internet-Plattformen und bei DSDS und hoffen, dass sie da bekannt werden und das große Geld verdienen. Alles ist besser, als sich die weichen Händchen schmutzig zu machen.
Ihre Vorbilder Klima-Gretl und die fliegende Luise sprechen ja auch nicht über Arbeit, wenn sie den Mund aufreißen, um Erwachsene anzupöbeln, und man sieht sie selbst ja auch nicht arbeiten, sondern sie reisen durch die Welt und verprassen unser Steuergeld.
Lassen wir doch alle Kinder nach Schulabschluss erst einmal für 3 Jahre in die Lehre gehen, danach sind sie volljährig und können tun und lassen, was ihnen gefällt. Das hört sich jetzt wahrscheinlich altertümlich und ewig-gestrig an, wäre aber meiner Meinung nach der einzig richtige Weg, ordentliche Menschen aus ihnen zu machen.
Anscheinend ist das nicht mehr gewollt; früher war es anders.

Ulrike
Ulrike
2 Jahre zuvor

So gehts wenn man die Leute nicht anständig bezahlt. Wer will das schon tagelang von zu Hause weg für einen Hungerlohn. Irgendwo in der Pampa im LKW schlafen müssen usw.