Trotz Immobilien-Booms Leipziger Altbauten verfallen

Keine andere deutsche Großstadt wächst so schnell wie Leipzig. Vielleicht hat sie schon bald wieder 600.000 Einwohner. An allen Ecken wird gebaut. Und trotzdem: In der Stadt gibt es noch hunderte Altbauten, die niemand sanieren will. Oft denkmalgeschützte Häuser aus der Gründerzeit. Warum stehen davon noch so viele leer? Kann der Immobilienboom helfen, die Häuser zu retten?

von Ralf Geißler, MDR INFO

Eingerüstetes Haus

In sogenannten Problemvierteln stehen manchmal die schönsten Häuser. Leipzigs oberster Denkmalschützer Norbert Baron zeigt gerade auf eins. Ostvorstadt, Eisenbahnstraße. Ein Altbau aus der Gründerzeit. So einsturzgefährdet, dass zeitweilig die Straße gesperrt werden musste. Und doch ist es ein Kleinod. Baron: „Man sieht die sehr aufwändige Fassade, sogar mit Sandsteingliederung. Und die Eisenbahnstraße, die klingt für viele vielleicht nicht so vornehm, aber es war eine ganz wichtige Prachtstraße entlang der Eisenbahn. Und man sieht das an diesen Fassaden, man sieht das in den Wohnungen, dass die großzügig geschnitten waren. Das war schon eine gehobene Wohnlage.“

Es wird schwer spekuliert

Norbert Baron steht nicht ohne Grund vor diesem Haus. Es ist ein Beispiel dafür, dass Leipzigs Immobilienboom Denkmäler rettet. Nach Jahren des Verfalls hat sich hier ein Investor gefunden, der saniert. Doch das klappt nicht immer. In der Stadt gelten trotz des Baubooms achtzig Altbauten als akut gefährdet, hunderte stehen seit Jahren leer. Mitunter können sich Erbengemeinschaften einfach nicht auf einen Verkauf einigen. Ein anderer Grund sind Spekulanten. Karsten Gerkens leitet das Amt für Stadterneuerung und Wohnungsbauförderung: „Sie können sich vorstellen, im Moment ist das hier ein ganz heißer Markt. Wir wachsen wie verrückt. Die Einstiegspreise sind noch relativ günstig oder waren relativ günstig. Und wir stellen fest, dass jetzt speziell im Leipziger Osten Projekte fast innerhalb eines Jahres drei, vier Mal durchgehandelt werden. Da wird schwer spekuliert, ja.“

Gemüsehändler kauft baufälliges Haus

Durchgehandelt heißt: ein Investor kauft einen Altbau, will ihn aber gar nicht sanieren sondern zeitnah mit Gewinn weiterverkaufen. Und so gehen Häuser von Besitzer zu Besitzer. Irgendwann ist der Preis so hoch, dass sich kein Käufer mehr findet. Das Haus bleibt leer und verfällt. Es ist kein Massenphänomen. Trotzdem findet Gerkens die Entwicklung beunruhigend: „Wir hatten mal so einen Fall, da ging es um so einen Gemüseladen. Der hat dann einfach das Haus gekauft, um den Laden zu betreiben und nicht daran gedacht, dass ihm das Haus obendrüber zusammenfällt.“

Besitzer sollen zur Kasse gebeten werden

Eine „Arbeitsgruppe verwahrloste Immobilien“ soll nun gegensteuern. Sie kann Hausbesitzer auffordern, ihr Gebäude wenigstens vor weiterem Verfall zu sichern. Kommen sie dem nicht nach, kann die Stadt selbst Notmaßnahmen ergreifen. Dafür gibt es eine eigene Kasse. Norbert Baron: „Wenn zum Beispiel so ein Regenfallrohr fehlt. Das ist eine kleine Maßnahme, wenn man das über Jahre, Jahrzehnte nicht repariert, können da über hunderttausende Euro von Schaden entstehen. Und da versuchen wir mit solchen kleinen Möglichkeiten sofort einzugreifen.“ Das Geld will sich die Stadt von den Besitzern zurückholen. Notfalls durch Eintragung der Schuld im Grundbuch. So versucht Leipzig seine noch unsanierten Gründerzeithäuser zu retten. Eines will Norbert Baron nicht mehr zulassen: Dass die Denkmäler so stark verfallen, dass man sie irgendwann nur noch abreißen kann.

Quelle: MDR vom 13.08.2015

Dieser Beitrag wurde unter Aktuell, Geschichte, Kultur, Nachrichten, Politik, Soziales, StaSeVe Aktuell, Völkerrecht, Wirtschaft, Wissenschaft abgelegt und mit , , , , , , verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.
0 0 votes
Article Rating
Abonnieren
Benachrichtige mich bei
guest
0 Comments
Inline Feedbacks
View all comments