Nachruf auf Prince: König der Sexmusik, Universalgenie des Pop

Von Tobi Müller

Prince, 1987 in Paris

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Prince, 1987 in Paris

Ein Funkmusiker, der Rockfans zum Hüftschwung verhalf. Ein Kunstgeschöpf, das der Musikindustrie den Mittelfinger zeigte. Er mischte Prüderie mit der Fantasie eines Pubertierenden. Jetzt ist Prince im Alter von 57 Jahren gestorben.

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„I’ve got more hits than Madonna kids“, sagte Prince , nachdem er das Konzert stinkfrech mit „Purple Rain“ eröffnet hatte, seinem berühmtesten Song. Es war die erste von 21 Shows, die er im Spätsommer 2007 in London spielte. Alle ausverkauft, klar.

Die CD zur „Planet Earth“-Tour lag umsonst einem Boulevardblatt bei und wurden vor der Konzerthalle noch einmal verteilt, die Karten kosteten mit 30 Pfund nicht allzu viel. Einer der größten Stars zeigte der Tonträgerindustrie den Mittelfinger.

Und ausgerechnet jener Mann, der seit den späten Siebzigerjahren als sexuell mehrdeutiges Kunstgeschöpf dem Mainstream den Kopf verdreht hatte, führte zwei Stunden lang vor, was für ihn auf der Bühne zählt: Handwerk bis zum Exzess, Virtuosität, aber mit größtmöglicher Leichtigkeit. Gitarrensoli, für die sich andere schmerzverzerrt krümmen, spielte er so, als würde er gleichzeitig telefonieren.

Sollen die anderen mal schwitzen bei der Arbeit. Daraus entstand eine irre Spannung zwischen coolem Vortrag und überhitzten Themen. Denn Prince war der König der Sexmusik. Während das kurze Pop-Format normalerweise den schnellen Höhepunkt sucht, handelte seine Musik oft von Aufschub. Slow Love. Nicht gleich ans Mieder, erst mal nur drüber reden. Das ist vielleicht noch sexyer. Immer wieder vermischte sich religiöse Prüderie mit der Fantasie eines Pubertierenden.

Zum ersten Mal im Radio gehört habe ich ihn, die Aufnahmetaste des Kassettenrecorders gedrückt, im Herbst 1979. Harte Gitarren, eine hohe Kreischstimme im Falsett. Funk, Hardrock , Groove. Der Moderator war so benommen wie ich auch. Zum Glück habe ich, wie viele Europäer, die Texte nicht immer verstanden.

„Bambi“, von seinem zweiten Album mit dem Titel „Prince“, war auch eine wüste Fantasie über harten Sex, allerdigs wie so oft nah an der Parodie. Der amerikanische Kritiker Robert Christgau schrieb 1980 über den Nachfolger „Dirty Mind“: „Mick Jagger kann jetzt seinen Penis einpacken.“ Das stimmte vielleicht sogar. Prince wurde nun einer der Megastars der Eighties neben Madonna und Michael Jackson , eine genialische Klammer der beiden.

Ein ganzer Stapel Achtziger-Prince liegt jetzt neben meinem alten Plattenspieler, und jedes Album klingt einzig nach Prince und nach nichts anderem, was in diesen Jahren erschien. Der Elektrosound der afroamerikanischen und in New York auch hispanischen Dance-Szenen dringt zwar durch, aber Prince schrieb nie für den Klub, sondern immer fürs Radio. Die vielen Frauen in seiner Band wie Wendy, Lisa und Sheila E., die ihn an den Keyboards, Gitarre und an der so zentralen Perkussion und am Schlagzeug unterstützt haben, verschoben den Rocksound in Richtung großes Funk-Entertainment, auch wenn die Gitarren nie weg waren.

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Und nach dem Welterfolg des Albums „Purple Rain“ (1984) und dem dazugehörigen Film, entschied sich das Multitalent abermals für neue Experimente. Der vielfache Wandel von Prince betraf nicht primär die Inszenierung, sondern stark die Musik selbst. Obwohl er das Rollenspiel liebte und beherrschte, blieb er meist ein eigenwilliger Meistermusiker, der sich nichts sagen ließ.

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Mit „Around the World in a Day“ zog 1985 die Psychedelik in das Werk von Prince ein, die viele Fans nicht mochten. Ein Jahr später hatte das Album „Parade“ zwar den Hit „Kiss“, verlief aber sonst in ruhigen Bahnen.

Und 1987 folgte schon wieder ein Meilenstein: Das Doppelalbum „Sign o‘ the Times“. Ein Kinderlied wie „Starfish & Coffee“, ein Flohsack wie „Housequake“, daneben viele dunkle, intensive Tracks, die mit Mininimalismus höchste Intensität herstellten. Und gab es je einen verrückteren Hit als „Sign o‘ the Times“, den heute noch Millionen in Karaokebars zu singen versuchen, obwohl er nur aus einem Beat, einem reduzierten Bass, einem rhythmisch eleganten, aber eben auch komplexen Rap besteht und einem unsingbaren Refrain? Ich habe Jahre gebraucht, bis ich bis zum Ende einigermaßen mitsingen konnte. Aber „Sign o‘ the Times“ bleibt unwiderstehlich.

Von den Superstars des alten Popgeschäfts, die uns alle zu früh wegsterben, war Prince das letzte Universalgenie. Niemand hat nicht nur so viel Kontrolle über sein Produkt behalten, sondern es auch tatsächlich selbst entworfen, in vielen Fällen auch selbst gespielt und aufgenommen.

Seine Fehden mit der Musikindustrie und insbesondere seiner alten Plattenfirma sind Legende. Plötzlich durfte man ihn nicht mehr Prince nennen, ein seltsames Symbol trat an die Stelle seines Names, oder TAFKAP, The Artist Formerly Known As Prince.

Seiner Musik haben diese aufreibenden Kämpfe nicht nur gutgetan. Und gerade auch afroamerikanische Interessegruppen waren wenig erfreut, als sich Prince „Slave“ auf die Wange schrieb, um seine Millionenverträge als Sklavenarbeit zu brandmarken.

Aber Prince bleibt für fast niemanden haftbar, Prince war Prince. Ein Funker, der Rock spielen konnte wie kein Zweiter. Ein Hetero, der mit Homozeichen spielte. Eine Figur weniger der Integration als der Irritation, mitten im ganz fetten Mainstream. Solche Stars gibt es nicht mehr. Sie würden heute vielleicht zu viele Leute verärgern, Pop ist da sehr vorsichtig geworden.

In London, an diesem famosen Konzert vor bald neun Jahren, hat man aber deutlich gesehen, dass auch ein Selbsterfinder wie Prince eine Herkunft hat. In der Band blies Maceo Parker das Altsaxofon, Greg Boyer war an der Posaune: Es waren Leute von James Brown und von den legendären Funkbands Parliament und Funkadelic.

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Prince betonte an diesem Abend das afroamerikanische Kontinuum. Vielleicht hat man dies in den vermeintlich farbenblinden Mainstream-Achtzigern zu wenig erkannt oder erkennen wollen. Und vielleicht war Prince einmal mehr der Zeit ein Stück voraus.

Jetzt ist der letzte Superstar des Funk, soweit wir wissen, an einer Grippe gestorben , in seinem Haus in der Nähe von Minneapolis.

Quelle: Spiegel-online vom 21.04.2016

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