GEOPOLITIK – Nato treibt Einkreisung Russlands in Europa voran

Die Nato will neue Mitglieder auf dem Balkan und in Osteuropa gewinnen. Mit dieser Strategie will sie Russland einkreisen. Moskau warnt vor Konsequenzen. Die Destabilisierung des europäischen Kontinents droht.

US-Außenminister John Kerry, Nato-Generalsekretär Stoltenberg und Montenegros Premier Milo Djukanovic. (Foto: dpa)

US-Außenminister John Kerry, Nato-Generalsekretär Stoltenberg und Montenegros Premier Milo Djukanovic. (Foto: dpa)

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Mit der zügigen Ausweitung der Nato setzt das Militärbündnis jene Strategie um, die Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg kürzlich in Washington in einer Grundsatzrede verkündet hatte: Die Nato beansprucht für sich das Recht, militärisch überall auf der Welt tätig zu werden – um die USA und die EU zu verteidigen, wie Stoltenberg sagte. Dazu zählt neben einer Ausweitung der Aktivitäten im Nahen Osten und den Golf-Staaten die Erweiterung in Osteuropa.

Russland kritisiert die Ambitionen der Nato, neue Mitglieder in Osteuropa und auf dem Balkan zu gewinnen, scharf: „Die jüngsten Versuche der Nato, die politische und militärische Landschaft in Europa zu verändern, insbesondere im Zusammenhang mit der ausgesprochenen Politik der Abschreckung gegenüber Russland, wird unweigerlich die Interessen Russlands beeinflussen und es zwingen, proportional zu reagieren (…) Aus dem kürzlich unterzeichneten Protokoll über Montenegros Anschluss an das Washingtoner Abkommen (Anm.d.Red. Nordatlantik-Vertrag über die Gründung der Nato) geht hervor, dass die Absicht vorliegt, den Beitritt Montenegros im größtmöglichem Umfang zu beschleunigen und ihn unumkehrbar zu machen “, zitiert die Tass Maria Sacharowa, Sprecherin des russischen Außenministeriums.

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Die 28 NATO-Außenminister hatten am Donnerstag ein Protokoll über Montenegros Aufnahme in die Nato unterzeichnet. Montenegro erhält zunächst nur einen Beobachter-Status. Sobald die Ratifizierung abgeschlossen ist, wird Montenegro das 29. Mitglied der NATO werden.

Nikita Bondarew vom Russischen Institut für Strategische Studien sagt, dass die Mehrheit der Montenegriner gegen eine Nato-Mitgliedschaft ihres Landes sei. Bondarew wörtlich: „Das Land litt im Jahr 1999 unter den NATO-Bombardements, so dass die Menschen nicht den Wunsch haben, der NATO beizutreten, während ihre führenden Politiker genau diese Absicht hegen. Russland schenkt dem möglichen Nato-Beitritt Montenegros so viel Aufmerksamkeit, weil es irgendwie beeinflusst werden könnte, sondern weil eine Führung eines europäischen Staats die Nato-Mitgliedschaft gegen den Willen der Bürger durchsetzen will (…) Montenegros Opposition will ein Referendum über den Beitritt, während die Führung nachdrücklich gegen ein Referendum ist.“

Montenegro hatte das Beitrittsangebot der Nato  am 2. Dezember 2015  angenommen. Die Regierung in Podgorica erwartet im Juli, auf dem Nato-Gipfel 2016 in Warschau Vollmitglied zu werden. Montenegro unterstützte von 2010 bis 2014 aktiv den Nato-Einsatz (ISAF) in Afghanistan mit 45 Soldaten und ist weiterhin in das Trainingsprogramm der Nato in Afghanistan „Operation Resolute Support“ involviert, berichtet die Nato auf ihrer Webseite.

Eine Nato-Mitgliedschaft würde Montenegro zu einer regionalen Führungsnation aufsteigen lassen. Diese Entwicklung könnte Länder wie Mazedonien und Bosnien Herzegowina dazu inspirieren, ebenfalls eine Nato-Mitgliedschaft anzustreben. Russland ist aufgrund seiner historischen Angst, „eingekreist“ zu werden, gegen einen Nato-Beitritt Montenegros und gegen die allgemeine Nato-Erweiterung. Nach Ansicht des russischen Außenministeriums ist die Nato-Beitrittseinladung an Montenegro ein „konfrontativer Schritt, der zusätzliche destabilisierende Folgen für die euro-atlantische Sicherheit nach sich ziehen wird“, berichtet Foreign Affairs.

Im vergangenen Jahr hatte Russland Montenegro vorgeschlagen, ein Referendum über einen möglichen Nato-Beitritt durchzuführen. Damit würde man auch dem demokratischen Anspruch nachkommen, „von dem wir so oft etwas gehört haben“, zitiert die BBC die russische Außenamtssprecherin Maria Zacharowa. Sie sagt, dass es zahlreiche Menschen in Montenegro gibt, die gegen einen Nato-Beitritt sind.

Bisher gibt es noch keine Nato-Stützpunkte in Montenegro. Doch die Häfen des Landes in Bar und Porto gelten als potenzielle Nato-Stützpunkte. Zuvor hatte sich Russland für den Bau eines Marinehafens in Bar eingebracht. Doch das Angebot wurde von der Regierung in Podgorica abgelehnt. Die Häfen von Montenegro werden bereits im Rahmen des militärischen Nato-Mission „Operation Active Endeavour“ genutzt, berichtet Balkan Insight Ende Oktober 2014 kam es in der Hauptstadt Pogdorica zu gewaltsamen Massenprotesten der Opposition (Demokratische Front), die den Rücktritt der Regierung unter Premier Milo Dukanovic und Neuwahlen forderten.

Dukanovic ist bereits seit 25 Jahren an der Macht und gilt als Befürworter eines Nato-Beitritts seines Lands. Im Interview mit Radio Free Europe/Radio Liberty sagt Dukanovic, dass das Ziel eine „völlige Integration des Balkans“ in „europäische und euro-atlantische Strukturen“ sei. Montenegro habe seine Wahl zugunsten der EU und der Nato getroffen. Die Proteste vom Oktober 2015 seien von Russland „organisiert“ worden, um das Nato-Beitrittsangebot zu verhindern. Die Opposition werde von Russland finanziert. Das Carnegie Moscow Center berichtet im Zusammenhang mit einem möglichen Nato-Beitritt von Montenegro: „Die Nato ist drauf und dran, ein Überraschungsmitglied aufzunehmen – ein Land, das über eine lange Zeit hinweg als ein russischer Verbündeter auf dem Balkan galt.

Der Spiegel berichtet ganz offen über die geostrategischen Absichten der Nato: „Russland reagiert gereizt auf die Nato-Einladung an Montenegro. Doch der Allianz geht es um den Einfluss auf dem Westbalkan. Der Mangel an demokratischen Standards in dem kleinen Staat ist Brüssel deshalb offenbar egal.“

Edward P. Joseph vom Center for Transatlantic Relations und Janusz Bugajski Center for European Policy Analysis (CEPA) schreiben in einem gemeinsamen Artikel auf Balkan Insight: „Im Zuge der Ukraine-Krise sollte Washington alles tun, um Bosnien, Montenegro und Mazedonien in Richtung westlicher Institutionen zu bewegen. Durch sein Vorgehen in Georgien und in der Ukraine hat Moskau deutlich gemacht, dass das Ziel die direkte Lähmung – wenn nötig, direkt –  von Ländern in seiner Nachbarschaft ist, die auf eine formalisierte Zusammenarbeit mit der Nato und der EU drängen.“

Die Militärallianz hat seit dem Ende des Kalten Krieges bereits zwölf neue Mitglieder insbesondere aus Osteuropa aufgenommen. Die Nato will Montenegro ungeachtet russischer Proteste in die Militärallianz aufnehmen.

Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg hieß den kleinen Balkanstaat nach der Entscheidung der Außenminister des Bündnisses am Mittwoch willkommen. „Dies ist der Beginn einer wunderschönen Allianz“, erklärte er bereits im Dezember 2015. Die Aufnahme Montenegros wird die erste Erweiterung der Allianz seit dem Beitritt Kroatiens und Albaniens im Jahr 2009. Die Nato und Montenegro werden nach den Worten Stoltenbergs nun in Beitrittsgesprächen die Details der Aufnahme klären. Dies werde vermutlich bis Anfang kommenden Jahres dauern. Danach müssen die Parlamente der 28 Mitgliedsstaaten den Beitritt ratifizieren. Bei der vergangenen Aufnahmerunde habe dies etwa ein Jahr gedauert. Russland lehnt den Beitritt des Balkanstaats mit 650.000 Bürgern und einer Armee von etwa 2000 Soldaten zur Nato strikt ab.

Stoltenberg wies den damaligen russischen Protest zurück: „Es geht hier nicht um Russland, sondern um Montenegro und die Nato.“ Die Nato-Erweiterung richte sich gegen niemanden, und jedes Land habe das Recht, seine eigenen Sicherheitsarrangements zu treffen. „Niemand hat das Recht, sich dabei einzumischen“, sagte Stoltenberg.

Die Ambitionen der Nato gehen über Montenegro hinaus und erstrecken sich auf den gesamten Balkan. So soll auch Mazedonien Nato-Mitglied werden. Doch im Jahr 2008 hatte Griechenland auf dem Nato-Gipfel in Bukarest ein Beitrittsangebot der Nato an Mazedonien blockiert, berichtet das mazedonische Militär auf ihrer Webseite. Ab 2002 nahm Mazedonien an der Nato-Einsatz (ISAF) in Afghanistan teil. Mazedonien kooperiert im Rahmen der Nato insbesondere mit den USA. So nahm das Land auch von 2003 bis 2008 an der „Operation Iraqi Freedom“ mit 500 Soldaten teil, berichtet das United States European Command.

Mazedonien ist ein wichtiges Transitland für das von den USA unterstützte Pipelineprojekt TAP. Die TAP soll das Gasmonopol Russlands in Europa brechen. Deshalb ist Mazedonien auch ein Schauplatz des Energiekriegs zwischen den USA und Russland. Dabei gerät Europa sowohl aus militärischer als auch aus energiepolitischer Perspektive zwischen die Fronten. Die USA und Russland dehnen ihre Einfluss-Sphären auf dem Kontinent aus. Die EU ist machtlos, weil ihr die Nato die Außenpolitik diktiert.

Der ehemalige Ministerpräsident und VMRO-DPMNE-Chef Nikola Gruevski und Präsident Gjorge Ivanov wollen eine Konfrontation mit Russland verhindern. Die sozialdemokratische Oppositionspartei SDSM unter Zoran Zaev und die Albaner-Parteien PDSH und BDI gehören ins transatlantische Lager und wollen den Einfluss der Russen zurückdrängen. In Skopje finden seit mehreren Monaten täglich Proteste statt. Die Proteste werden offen als Teil einer „Farbrevolution“ eingestuft. So unterstützt das CIA-Sprachrohr Radio Free Europe/Radio Liberty unterstützt die Demonstranten der Opposition.

Die sozialen Medien spielen bei der Organisation der Proteste eine wichtige Rolle, berichtet der direkt dem Bundeskanzleramt unterstellte, staatliche Sender Deutsche Welle.

Im vergangenen Monat verschärfte sich die Krise noch weiter, als Präsident Ivanov all jene begnadigte, die in einen Abhörskandal verstrickt gewesen waren – darunter auch Ex-Premier Gruevski. Aus Protest verwüsteten pro-westliche Demonstranten Ivanovs Büro. Auch die EU-Kommission und die Nato drängten darauf, die Begnadigungen ohne Verzögerung zurückzuziehen, berichtet Reuters.

Für den Kreml steht fest, dass die USA im Zuge eines „Regime-Change“ den aktuellen Präsidenten Gjorge Ivanov stürzen wollen, um eine pro-westliche Regierung einzusetzen.

Quelle: Deutsche Wirtschafts Nachrichten vom 21.05.2016

 

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Ulrike
Ulrike
7 Jahre zuvor

Die werden keine Ruhe geben bis es Krieg auf euopäischem Boden gibt. Und die blöden Europäer kapieren es einfach nicht was USA-Interessen sind.

USA will Krieg mit Russland aber auf euopäischem Boden. Wir sind dann die Dummen die ins Gras beissen werden.