Proteste in der Colbitz-Letzlinger Heide – Besetzung des GÜZ: Das sind die Aktivisten hinter der Aktion

Mit einer Besetzung des Militärgebiets protestieren mehrere Dutzend Menschen gegen das Gefechtsübungszentrum in Gardelegen. Die Friedensaktivisten fordern eine zivile Nutzung der Heide, wollen mit Leseecken im Heidesand ein Zeichen setzen und vergleichen ihre Aktion mit Falschparken. MDR SACHSEN-ANHALT hat die Gruppe am Vortrag bei ihren Vorbereitungen im niedersächsischen Wendland getroffen.

Auf pinkem Grund klebt ein Aufkleber mit der Aufschrift -Friedenssichernde Maßnahme-.
Aktivisten aus ganz Deutschland protestieren in dieser Woche erneut gegen die Bundeswehr. Ihre Motivation ist unmissverständlich. Bildrechte: MDR/Luca Deutschländer

Sie wollen heute über ihre Ängste sprechen, sagt Katja Tempel. Über ihre Erwartungen und ihre Erfahrungen. Immerhin werde es für einige hier das erste Mal sein, dass sie zivilen Ungehorsam üben. Da sei es wichtig, dass man sich vorher gut kennenlernt und einander vertrauen kann.

Eine Gruppe selbst ernannter Friedensaktivisten hat sich an diesem Donnerstag nahe der Grenzen zwischen Niedersachsen und Sachsen-Anhalt versammelt. Sie wollen es mit der Bundeswehr aufnehmen. Auf einem Campingplatz am Ortsausgang des Dorfes Gedelitz planen sie die Besetzung des Gefechtsübungszentrums Heer, kurz GÜZ. Das GÜZ liegt gut 70 Kilometer Luftlinie südlich in Sachsen-Anhalt. Die Aktivisten fordern eine zivile Nutzung für das 23.000 Hektar große Gebiet – ökologische Holzwirtschaft und sanfter Tourismus statt Panzermanöver, Lasergefechten und Weiterbau der Übungsstadt Schnöggersburg.

Die Aktion sei mit Falschparken vergleichbar

Katja Tempel, die Frau mit dem Friedens-Pulli und ergrauten Kurzhaarschnitt, ist eine der Sprecherinnen der Gruppe und Ansprechpartnerin für die Presse. Sie arbeitet als Hebamme und was ihre Protesterfahrungen angeht, so wäre Tempel im Militärsprech eine Veteranin. Drei Wochen pro Jahr nehme sie sich für unterschiedliche Aktionen frei. Sie ist einst hierher, ins Wendland gezogen, um die Castor-Proteste zu unterstützen, war das Gesicht einer großen Anti-Atom-Initiative. Eine alte von ihr mitorganisierte Blockade-Aktion hieß „Gorleben bebt“. 30 Jahre später ist Tempels Wortwahl weniger martialisch, eher watteweich.

Eine Frau steht, ein Mikrofon in der Hand haltend, vor einem bunten Banner.
Katja Tempel engagierte sich einst gegen Castor-Proteste. Heute will sie eine Abschaffung der Bundeswehr erreichen. Bildrechte: Aktion GÜZ abschaffen

Mögliche Polizeiketten wolle man nicht „durchbrechen“, sondern „durchfließen“. Das Gleiche gilt, sollten sich ihnen Feldjäger in den Weg stellen. Die Aktion sei niedrigschwellig, so Tempel: Den Protestierenden drohe bestenfalls eine Ordnungsstrafe. Da das Gebiet nicht umfriedet ist, begehe man keinen Hausfriedensbruch, wenn man die Sandpisten des GÜZ betritt. Im Bußgeldkatalog wird ein Militärgelände zu besetzen damit auch nichts anders als Falschparken gehandhabt.

Ein bisschen teurer ist es dann allerdings schon: Ende Oktober vergangenen Jahres wurde ein Teilnehmer der letzten Besetzung zu einem Ordnungsgeld von 250 Euro verurteilt. Der Prozess fand in Bonn statt, wo das Bundesverteidigungsministerium sitzt. Die Gruppe nutzte die Verhandlung, um ihre Kritik am GÜZ zu wiederholen: dass hier Kriegseinsätze vorbereitet würden, dass in Sachsen-Anhalt mitgeholfen werde, das Völkerrecht zu brechen, etwa in Afghanistan.

Leseecken im Heidesand statt rollende Panzer

Sollte die Aktivisten auch dieses Mal wieder auf das Gelände gelangen, sagt Tempel, dann wollen sie das Gelände „beleben“: Mit einer Leseecke mitten in der Heide, da wo sonst Panzer rollen, soll ein Zeichen gesetzt werden. Auch ein paar Setzlinge will man pflanzen. Und sollten dann doch Panzer anrollen, wollen sich Tempel und ihre Mitstreiterinnen in den Heidesand setzen und eine weiße Fahne schwenken.

Ob man sich in Gardelegen wirklich von den Aktivisten überrumpeln lässt, ist zumindest fraglich. Laut Bundeswehr ist das GÜZ Europas modernste Ausbildungseinrichtung für Streitkräfte. Allein 64 Einsatzkräfte können in der Computerzentrale des GÜZ gemeinsam die Truppe-Übungen überwachen. Die Aktivisten hingegen schicken – Stand: Donnerstagmittag – gerade mal 24 Leute ins Feld. Eine Studentin sei 23 Jahre alt, ein älterer Mitstreiter 70. Mehr als die Hälfte der Teilnehmer ist zum ersten Mal bei einer solchen Aktion, sagt Tempel. Auf dem Campingplatz im Hintergrund wäre noch für mindestens die zehnfache Menge an Zelten, Autos und Wohnmobilen Platz.

So bleibt mehr freie Fläche für ein italienisches Künstlerpaar, das in der Mittagssonne schwarz-weiße bemalte Pappen trocknet. Ein Schachbrett, das – so erklären die beiden – für das Militär stehen soll: Figuren ohne eigenen Willen, die man durch die Landschaft verschiebt. Die Rückseiten bemalen sie in den Farben des Regenbogens, mit Herzen und Friedenszeichen.

Die restlichen Teilnehmer stammen aus dem gesamten Deutschland, auf dem Gelände ist schwäbischer Dialekt zu hören. Aus Sachsen-Anhalt kommen die wenigsten.

update 20.09.2020:

Etwa 20 Militärgegner haben ihre Protestaktion auf dem Truppenübungsplatz in der Colbitz-Letzlinger Heide offiziell beendet. Das teilten die Veranstalter der Aktion mit. Zuvor hatten Bundeswehr und Polizei die Zelte der Demonstranten auf dem Gelände abgebaut. Die Militärgegner hatten seit Freitag dort campiert. Ihr Protest richtet sich unter anderem gegen die fast fertiggestellte Übungsstadt Schnöggersburg. Dort sollen  Soldaten auf Auslandseinsätze vorbereitet werden.

Quelle: MDR vom 18.09.2020 und 20.09.2020


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gerhard
gerhard
3 Jahre zuvor

Wann gehen diese Aktivisten zur Schule/Uni oder gar einer Arbeit nach ?