Gold und Silber vor Neubewertung? Lagerhäuser der Terminbörsen liefern deutlich mehr aus

08.08.2015  Markus Gärtner

Der Goldpreis notiert nach dem jüngsten Einbruch acht Prozent unter dem Kurs, den er zu Jahresbeginn hatte. Silber ist seit Anfang Januar mehr als sechs Prozent abgerutscht. Seit Wochen rätseln Goldexperten wie es sein kann, dass die physische Nachfrage nach den Edelmetallen so stark ist, deren Preise jedoch nachgeben.

Spekulation an den Futures-Märkten wird verantwortlich gemacht. Dort wird in großen Mengen auf sinkende Kurse gewettet, ohne physisches Gold einzubeziehen. Es geht den Short-Tradern nur darum, dem Markt mittels Termingeschäften auf dem Papier starke Verkäufe vorzutäuschen.

Aber genau das ändert sich jetzt – und lässt auf bessere Preise hoffen. Besonders gut lässt sich das am Silbermarkt beobachten. Laut dem TF Metals Report wird normalerweise in einem typischen Monat auf 80 bis 85 Prozent der am Monatsende noch offenen Kontrakte eine physische Auslieferung des zugrundeliegenden Silbers verlangt.

Diese Zahl stieg im Juli plötzlich auf 135 Prozent an. Das bedeutet, dass jetzt auch auf ältere Kontrakte Auslieferungen der Ware verlangt werden. Das macht aber nur Sinn, wenn für die Ware, sprich die Silberbarren, eine Wertsteigerung zu erwarten ist.

Offenbar ist das jetzt der Fall.

Diese Stimmungsänderung hat mehrere Gründe. Zum einen ist Silber ein Nebenprodukt in vielen Minen, die bevorzugt andere Metalle abbauen. Der scharfe Preisverfall bei den Rohstoffen hat dazu geführt, dass seit Monaten viel Kapazität in der Minenindustrie stillgelegt wurde. Das beginnt, über die Verknappung des Angebots auch den Preis für Silber zu stützen.

Der zweite Grund ist die für den September anstehende Zinswende in den USA. Die Notenbank hat erklärt, dass die Zeit für die erste Zinsanhebung nach fast einem Jahrzehnt Minizinsen gekommen ist. Für Edelmetalle ist das schlecht. Aber die schlechte Nachricht ist bereits in die niedrigen Kurse eingebaut. Der Druck lässt also nach.

Der dritte Faktor, der für das Silber spricht, ist die enorm starke physische Nachfrage. Seit Mitte Juni haben die Käufe enorm angezogen. Die US-Münzanstalt hat ab dem 12. Juli zwei Wochen lang die Auslieferung des »Silver Eagle« angehalten. Als die Verkäufe wieder aufgenommen wurden, konnten in zwei Tagen 2,5 Millionen Münzen abgesetzt werden.

Insider am Silbermarkt sehen eine Verbindung zwischen der enorm gestiegenen Nachfrage nach Münzen und Barren auf der einen Seite und den erhöhten Auslieferungen von physischer Ware aus den Lagerhallen der COMEX auf der anderen Seite. Die Silberbarren werden gebraucht, um mehr Münzen zu prägen.

Ein kurzer Lagebericht am 4. August auf der Webseite The Market Oracle verdeutlicht das:

»Einige große Edelmetall-Depots im Lande (USA), wie in Los Angeles, haben kein Silber mehr auf Lager, und die Betreiber von Münz-Prägeanstalten suchen überall nach Silber, damit sie ihre Produktion nicht anhalten müssen.«

Am Goldmarkt sieht das ähnlich aus. Vor allem in Asien heizen die niedrigen Kurse die physische Nachfrage an. Und zwar enorm. Käufer in China und Indien haben zusammen allein im Mai knapp 300 Tonnen Gold importiert. Das entsprach 14 Prozent mehr, als in diesem Monat rund um die Welt gefördert wurde.

Wenn in beiden Ländern im laufenden Jahr die Nachfrage nicht mehr einbricht, werden sie zusammen 2015 über 2000 Tonnen Gold auf dem Weltmarkt einkaufen. Das wären mehr als zwei Drittel der gesamten jährlichen Goldproduktion auf der Welt.

Allein die Shanghai Gold Exchange in China hat in der ersten Woche im August über 73 Tonnen Gold an Käufer ausgeliefert. Das war die drittgrößte Menge in der Geschichte der Börse. Und es war die dritte Woche mit einem Plus in Folge.

Auch in Indien, wo die privaten Haushalte auf elf Prozent der weltweiten Goldvorräte sitzen, schnellt die Nachfrage empor. Die Käufe im laufenden Jahr übertreffen das Vorjahr bisher um 61 Prozent. Von Thailand über Malaysia bis nach Vietnam und Südkorea steigt die Gold-Nachfrage, weil es in China Turbulenzen an den beiden Börsen gibt und weil die Goldpreise stark ermäßigt sind.

Die Aussichten, in naher Zukunft steigende Gold- und Silberpreise zu erleben, bessern sich also. Und dennoch schreiben die Mainstream-Medien den Goldpreis nach unten wie eh und je.

Schon am 4. Mai 1999, bevor das Gold zu einer jahrelangen Rally mit einem Zuwachs von 650 Prozent ansetzte, fragte die New York Times, »wer braucht Gold, wenn wir Greenspan haben?« Der Hintergrund ist simpel und erschreckend.

Der jahrtausendealte Glaube an einen der werthaltigsten Rohstoffe der Menschheit ist in den Redaktionsstuben der Mainstream-Medien zerbrochen. Denn das Gehirn der Journalisten wurde von den Notenbanken und den Wall-Street-Analysten gewaschen.

Das Argument lautet so: Die beste Absicherung gegen Verluste an den Finanzmärkten sind inzwischen die Notenbanken. Diese begannen in den 90er-Jahren unter Alan Greenspan, nach jeder Krise mit einer Überdosis extrem niedriger Zinsen die Konjunktur und die Börsen zu stabilisieren.

Ein verheerender Irrglaube setzte ein, wonach Notenbanker von nun an die Finanzmärkte vor jedem größeren Ungemach zuverlässig retten. Wer brauchte da noch eine Absicherung gegen Risiken durch Edelmetalle?

Der Irrglaube, Gold sei inzwischen nur noch irgendein Metall, hat sich bis heute gehalten, wie ein Kommentar am 17. Juli 2015 im Wall Street Journal zeigte. In diesem Kommentar wurde Gold von der Werthaltigkeit her auf eine Stufe mit einem »Pet Rock« gestellt. Pet Rocks sind die kleinen Tiere, die sich Kinder und Jugendliche aus Steinen basteln und anmalen.

Wenige Tage nach dem Wall Street Journal schoss auch die Washington Post eine Breitseite auf das gelbe Edelmetall ab und schrieb, »das Gold ist dem Untergang geweiht«. Die Journalisten, die gegen das Gold Stimmung machen, werden beeinflusst von Zitate-Gebern wie dem Chefökonom der Citigroup, Willem Buiter. Dieser gibt gerne zum Besten, dass Gold sich seit 6000 Jahren in einer Dauerblase befinde.

Wirtschaftsfreundliche TV-Sender wie CNBC greifen solche abgenutzten Uralt-Bonmots gerne auf. Die entstehende Gegen-Öffentlichkeit nimmt sie jedoch als das wahr, was sie sind: Propaganda der übelsten Sorte.

Als Buiter seinen Spruch im November 2014 zum x-ten Mal wiederholte, weil die Niederlande wie eine wachsende Zahl anderer europäischer Staaten – darunter Deutschland – ihr Gold heimholten ‒ kommentierte Zero Hedge die Gold-Schmonzette mit diesen Worten: »Der holländische Stratege von Citi kotzt sich gerade voll über dem Gold aus.«

Quelle: Kopp-online vom 08.08.2015

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