Neue Vorwürfe im Regensburger Korruptionsskandal – Millionenkredit für Bauträger wirft Fragen auf

Nach BR-Recherchen stehen in der Regensburger Korruptionsaffäre weitere Vorwürfe im Raum. OB Joachim Wolbergs (SPD) soll sich als Sparkassenfunktionär für einen Millionenkredit zugunsten des wegen Bestechungsvorwürfen inhaftierten Bauträgers Tretzel eingesetzt haben.

Von: Sebastian Grosser, Hans Hinterberger, Kilian Neuwert

Stand: 16.02.2017

Sparkasse Regensburg  | Bild: BR/Uli Scherr

Nach Recherchen des Bayerischen Rundfunks soll sich Joachim Wolbergs (SPD) als Verwaltungsratsvorsitzender der Regensburger Sparkasse dafür eingesetzt haben, dass der wegen Bestechungsvorwürfen inhaftierte Bauträger Volker Tretzel einen Kredit über viereinhalb Millionen Euro erhielt.

Kredit ohne Sicherheitsleistung

Volker Tretzel | Bild: Altrofoto

Bauträger Volker Tretzel

Dem BR vorliegenden Unterlagen zufolge wurde Tretzel der Kredit im Februar 2016 offenbar auf einem Privatkonto bei der Sparkasse zu Vorzugskonditionen gewährt, ohne dass er dafür eine Sicherheitsleistung hinterlegen musste. Die Summe soll umgehend auf ein Firmenkonto Tretzels bei einem anderen Geldinstitut überwiesen worden sein. Die Sparkasse hätte das Geld also nicht unmittelbar zurückholen können, ihre Pfandrechte wären ins Leere gelaufen. Von der ursprünglich vereinbarten Übereignung eines Goldbestandes an die Bank wich man nach BR-Informationen im Zuge der Kreditvergabe wieder ab. Der Bauträger war zum damaligen Zeitpunkt selbst Mitglied des Verwaltungsrates der Sparkasse Regensburg.

Auffällig niedriger Zinssatz

Finanzexperten bestätigten dem BR unabhängig voneinander, dass diese Form der Kreditvergabe fragwürdig ist. Der Kredit wurde offenbar als Kontokorrentkredit zu einem Zinssatz von 0,6 Prozent vergeben. Bei einem Kontokorrentkredit handelt es sich um eine Form des Dispokredits auf Girokonten, der für kurzfristige Finanzierungen vorgesehen ist und jederzeit zurückbezahlt werden kann. Für derartige Kredite werden Expertenaussagen zufolge meist höhere Zinssätze verlangt. Grundsätzliche Voraussetzung für Kredite an Verwaltungsratsmitglieder einer Sparkasse seien aber marktübliche Zinssätze, so der Bankenexperte Guido Eilenberger im BR-Interview. 0,6 Prozent seien nicht üblich.

„Dieser Zinssatz weicht in dem Fall offenbar ganz erheblich vom marktüblichen Zinssatz ab. Einen derart günstigen Zinssatz gibt es bei Dispositionskrediten nicht.“

Prof. Dr. Guido Eilenberger, Bankenexperte

Anwälte und Sparkasse halten sich bedeckt

Der Anwalt von Joachim Wolbergs äußerte sich auf Anfrage des Bayerischen Rundfunks nicht zu dem Sachverhalt. Eine Antwort von Volker Tretzels Anwalt steht aus. Auch die Sparkasse Regensburg hält sich bedeckt. In einer Stellungnahme heißt es:

 

staatslehre

„Auch wenn das Interesse der Medien an Informationen zu den persönlichen Finanzen von Personen des öffentlichen Lebens nachvollziehbar ist, gilt die Wahrung des Bankgeheimnisses für die Sparkasse Regensburg als höchstes Gut. Auf ihm ruht das Vertrauen von über 160.000 Kundinnen und Kunden. Wir geben daher keine Stellung ab zu Fragen nach einzelnen Finanzvorgängen unserer Kunden. Alle Fragen der zuständigen Ermittlungsbehörden, die im Zusammenhang mit Herrn Volker Tretzel und Herrn Joachim Wolbergs an die Sparkasse Regensburg gerichtet werden, beantworten wir gegenüber diesen Ermittlungsbehörden umfänglich und vollständig.“

Sparkasse Regensburg

Aus Sicht des Bankenexperten Eilenberger ist allein die Tatsache problematisch, dass der Unternehmer Tretzel Mitglied des Verwaltungsrates der Sparkasse Regensburg war.

„Einem Unternehmer bringt es sehr viel, in diesem Gremium zu sitzen. Er wird dauernd über alle Geschäfte der Sparkasse informiert, sofern sie eine gewisse Größe haben. Er hat also automatisch einen Informationsvorsprung gegenüber möglichen Konkurrenten. Das ist natürlich Gold wert.“

Prof. Dr. Guido Eilenberger, Bankenexperte

 

Weitere dem BR vorliegende Unterlagen sowie Aussagen aus Kreisen des Verwaltungsrats legen nahe, dass sich Wolbergs vor einigen Jahren bei der Regierung der Oberpfalz dafür einsetzte, dass Tretzel den Posten erhielt. Die Regierung der Oberpfalz ist für die Sparkassenaufsicht zuständig und entsandte den Bauträger schließlich, genau wie weitere Personen, in den Verwaltungsrat. Aus diesem schied er nach Angaben der Sparkasse Regensburg rund vier Monate vor seiner Verhaftung auf eigenen Wunsch hin aus. Die Ermittlungen gegen Tretzel liefen zu diesem Zeitpunkt aber bereits.

Die Regierung der Oberpfalz überprüft die Kreditvergabe derzeit. Auf BR-Anfrage teilte ein Pressesprecher mit, man habe die Sparkasse Regensburg um Stellungnahme gebeten.

Jahn-Präsident rückte in Verwaltungsrat nach

Hans Rothammer | Bild: picture-alliance/dpa

Der Nachfolger Tretzels im Verwaltungsrat ist der amtierende Präsident des SSV Jahn Regensburg, Hans Rothammer. Laut Angaben der Sparkasse Regensburg wurde die Nachfolgeregelung bereits im Jahr 2014 festgelegt. Gegen den Jahn-Präsidenten und Steuerberater Rothammer werden im Zuge der Korruptionsaffäre ebenfalls Vorwürfe laut. Er soll Protokolle aus Vereinsgremien geändert haben, bevor er sie Ermittlern übergab. Rothammer bestreitet diese Vorwürfe in einer Stellungnahme an den BR.

Die Vorwürfe der Staatsanwaltschaft

Der Bauträger Volker Tretzel steht im Verdacht, Joachim Wolbergs Parteispenden für dessen SPD-Ortsverein in Höhe von 500.000 Euro zugesichert zu haben, um im Gegenzug bei einer Bauvergabe bevorzugt zu werden. Tatsächlich sollen fast 370.000 Euro über Strohmänner in gestückelten  Beträgen unterhalb der Veröffentlichungsgrenze von 10.000 Euro geflossen sein. Außerdem soll Tretzel Wolbergs zugesagt haben, den Fußballclub SSV Jahn Regensburg zu fördern und Wolbergs oder ihm nahestehenden Personen geldwerte Vorteile verschafft haben. Wolbergs, Tretzel und ein ehemaliger Geschäftsführer seines Unternehmens sitzen seit Mitte Januar in Untersuchungshaft. Die Staatsanwaltschaft sieht die Gefahr, dass die Männer weitere sogenannte Verdunkelungshandlungen vornehmen, nachdem sie bereits auf Zeugen eingewirkt und Beweismaterial manipuliert haben sollen. Im Falle Tretzels begründet die Staatsanwaltschaft die Untersuchungshaft zudem durch die Gefahr einer Flucht. Auch gegen Wolbergs Amtsvorgänger Hans Schaidinger (CSU) wird ermittelt. Für Gegenleistungen soll er von dem Bauträger unter anderem einen Beratervertrag mit einem Monatshonorar von 20.000 Euro erhalten haben.

 

Die fragwürdige Kreditvergabe – ein Einzelfall?

Kommunalpolitiker werden genau wie Unternehmer in den Verwaltungsrat einer Sparkasse berufen. Das Gremium soll den Vorstand der Institute überwachen. Im Falle der Regensburger Sparkasse setzt sich der Verwaltungsrat aus sechs Vertretern der Stadt, sechs Vertretern des Landkreises und vier Vertretern der Wirtschaft zusammen. Auf dem Posten des Vorsitzenden wechseln sich der Regensburger Oberbürgermeister Joachim Wolbergs (SPD) und Landrätin Tanja Schweiger (FW) ab. Neben diesem Gremium unterhalten viele Sparkassen einen sogenannten Kreditausschuss, der Entscheidungen über die Vergabe hoher Kredite trifft. In Regensburg ist der Verwaltungsratsvorsitzende zugleich Vorsitzender des Kreditausschusses.

Dass Mitglieder eines Sparkassen-Verwaltungsrates Kredite gewährt bekommen, ist durchaus üblich, wenn auch umstritten. Diesen sogenannten Organkrediten muss der Verwaltungsrat laut Kreditwesengesetz zustimmen. Im Jahr 2015 gewährte die Sparkasse Regensburg Kredite in Höhe von 1,5 Millionen Euro an Mitglieder des 16-köpfigen Gremiums. Die Summe scheint angesichts der Kreditvergaben der Sparkasse Cham vergleichsweise niedrig. Das Geldinstitut sorgte für Schlagzeilen, da hier Kreditvergaben in Höhe von über 20 Millionen Euro an Mitglieder des Verwaltungsrats im Raum standen. Immer wieder wurde in diesem Zusammenhang auch die Doppelrolle von Kommunalpolitikern als Kreditnehmer und Kontrolleure kritisiert, etwa von den Grünen im Bayerischen Landtag.

Quelle: Bayerischer Rundfunk vom 16.02.2017

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