Landgericht Heidelberg – „Reichsbürger“ kassierten zu Unrecht Sozialleistungen

Berufungsverhandlung vor dem Landgericht: Heidelberger Ehepaar wegen Betrugs verurteilt – Weitere Klage steht an

08.04.2017, 06:00 Uhr

Symbolfoto: dpa

Von Denis Schnur

Sie lehnen den Staat ab, halten die Bundesrepublik und ihre Organe für Firmen und fühlen sich nicht an Gesetze gebunden – doch Sozialleistungen scheinen sie gerne in Anspruch zu nehmen. Am Heidelberger Amtsgericht wurde bereits im September 2015 ein Ehepaar verurteilt, das den „Reichsbürgern“ zuzuordnen ist, weil die beiden mehr als 5000 Euro Arbeitslosengeld zu Unrecht bekommen haben. Weil sie in Berufung gingen, wurde gestern erneut vor dem Landgericht verhandelt.

Doch schon zu Beginn war klar: Nur Ursula A. würde erscheinen, ihr Mann Bernd weile zurzeit in Panama. Genau das war auch in den Vorjahren das Problem: Das Ehepaar bezieht seit 2005 Arbeitslosengeld II, in der Zeit zwischen 2010 und 2013 war Bernd A. jedoch insgesamt etwa ein Jahr in Panama – ohne sich beim Jobcenter abzumelden. Da sich ein Leistungsbezieher jedoch „dem Arbeitsmarkt zur Verfügung halten müsse“, wie Richter Jürgen Dopfer erklärte, habe dem mittlerweile 64-Jährigen für diese Zeit kein Geld zugestanden. Mindestens 5314 Euro seien laut Jobcenter zu viel ausgezahlt worden.

Da das Ehepaar eine „Bedarfsgemeinschaft“ bildet und Ursula A. das Fehlverhalten ihres Mannes deckte und sogar unterstützte, indem sie etwa beim Jobcenter eine falsche Krankmeldung für ihren Mann abgab – während dieser in Mittelamerika war -, wurden 2015 beide zu Freiheitsstrafen auf Bewährung verurteilt: er zu elf Monaten, sie zu neun. Beide legten Berufung ein. Als aber das Landgericht eine Verhandlung für eben jene Berufung ansetzte und Bernd A. vorlud, schickte dieser den Brief ungeöffnet zurück mit dem Vermerk: „Mit dem Landgericht besteht kein Vertragsverhältnis.“

Aussagen wie diese sind typisch für Reichsbürger, eine heterogene, tendenziell rechtsradikale Gruppe, die sich darin einig ist, dass sie die Bundesrepublik nicht anerkennen. Stattdessen gehen sie davon aus, dass das Deutsche Reich weiter existiert. Folglich genießen auch in A.s Welt die Institutionen der Bundesrepublik keinerlei Autorität. Sehen konnte man dies etwa bei der Verhandlung 2015, als etwa zehn Sympathisanten des Angeklagten den Prozessauftakt störten, indem sie sich weigerten, Platz zu nehmen. Bei den folgenden Verhandlungstagen ließ sich der einstige Unternehmer selten blicken.

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Da er auch gestern unentschuldigt fehlte, war seine Berufung schnell abgearbeitet: Im Einvernehmen mit der Staatsanwaltschaft verwarf Dopfer sie ohne weitere Prüfung – auch zur Erleichterung seines Pflichtverteidigers Hans Auffenberg, der von seinem Mandanten keinerlei Antwort auf Briefe und Anfragen bekommen hatte. Bei Ursula A. war das Verfahren etwas aufwendiger: Deren Anwältin Andrea Combé bestritt zwar nicht die Schuld ihrer Mandantin, überzeugte Richter und Staatsanwalt jedoch davon, dass Bernd A. die treibende Kraft hinter dem Betrug war. „Meine Mandantin war nur geringfügig eigenverantwortlich tätig.“ Zudem sei sie im Gegensatz zu ihrem Mann zum Tatzeitpunkt nicht vorbestraft gewesen und habe fast die komplette Geldsumme zu diesem nach Panama transferiert: „Eine Eigennützigkeit hat sie überhaupt nicht gehabt.“ Deshalb sei die fast gleiche Bestrafung der beiden nicht zu rechtfertigen.

Das sah auch die Kammer so: Sie hob das Urteil der ersten Instanz auf und verurteilte Ursula A. stattdessen zu einer Geldstrafe von 180 Tagessätzen à 20 Euro. Bereits jetzt werden von ihrem Arbeitslosengeld 108 Euro monatlich einbehalten, um den zu Unrecht erhaltenen Betrag zurückzuzahlen. Und damit nicht genug: Da das Ehepaar Schulden im sechsstelligen Bereich angehäuft hat, steht das gemeinsame Haus in Heidelberg vor der Zwangsversteigerung. Außerdem läuft zurzeit ein weiteres Verfahren gegen Bernd und Ursula A.: Demnächst müssen sie sich wegen Erpressung, Nötigung und Betrug in zahlreichen Fällen vor Gericht verantworten.

Quelle: Rhein-Neckar-Zeitung vom 08.04.2017

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Karlchen
7 Jahre zuvor

Nach der Haager Landkriegsordnung von 1907 sind enteignungen in besetzten Gebieten grundsätzlich verboten. Nach welchen Gesetzen also will wer das Haus zwangsversteigern?