Monsantos Untaten rächen sich

16.10.2015
F. William Engdahl

Der alte Satz: »Flüche sind wie Hühner, sie kommen immer auf die Stange zurück« – im Deutschen etwa: »Untaten fallen immer auf den Urheber zurück« – war selten so passend wie zur Beschreibung dessen, was heute dem weltgrößten Anbieter genmanipulierten (GVO-) Saatguts und dazugehöriger Unkrautgifte widerfährt. Und es könnte kaum ein besseres Ziel treffen. Die Monsanto Corporation aus St. Louis steckt offenbar in großen Schwierigkeiten.



Seit sich US-Präsident George H.W. Bush 1992 mit der Geschäftsleitung von Monsanto dazu verschwor (jawohl, Virginia, es gibt Verschwörungen), einer nichtsahnenden amerikanischen Bevölkerung GVO aufzudrücken, schien Monsanto nicht mehr zu stoppen.

Mithilfe von Bushs Erlass, der völlig unwissenschaftlichen Doktrin der Substanziellen Äquivalenz, wonach keine staatliche US-Behörde Gentech-Produkte unabhängigen Tests unterziehen durfte, konnte Monsanto eigene frisierte Tests durchführen und den Aufsichtsbehörden der USA und der EU als stichhaltig präsentieren. Das Ergebnis war, dass Gen-Saatgut die US-Landwirtschaft übernahm, auch weil Farmern die Lüge aufgetischt wurde, GVO steigerten den Ernteertrag und benötigten weniger chemische Pflanzenschutzmittel.

Monsanto verbreitete Gentech-Saatgut in der ganzen Welt, durch Bestechung wie in Indonesien und durch die Machenschaften der US-Regierung. Monsanto bezahlte Wissenschaftler für falsche Aussagen über die Sicherheit seiner Produkte.

Der Konzern korrumpierte die Brüsseler Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA), seine Position zu stärken, auch dann noch, als alarmierende Untersuchungen wie die berühmte Studie von Professor Gilles-Éric Séralini, die im September 2012 in der renommierten Zeitschrift Food and Chemical Toxicology veröffentlicht wurde, die ganze Welt schockierten. Diese erste Langzeitstudie über eine zweijährige Fütterung von 200 Ratten mit GVO zeigte schockierende Auswirkungen, zum Beispiel diese: »Weibliche Ratten, die mit Gen-Mais von Monsanto gefüttert wurden, starben zwei- bis dreimal häufiger als die Tiere in der Kontrollgruppe, und sie starben schneller… Weibchen entwickelten große Mamma-Tumoren, fast immer häufiger und früher als die Kontrolltiere; am zweithäufigsten geschädigt war die Hypophyse; der Sexualhormonhaushalt wurde durch die GVO- und Roundup-Behandlung gestört.«

Monsanto versuchte umgehend, den Überbringer der schlechten Nachricht zu töten, indem die Zeitschrift Food & Chemical Toxicology unter Druck gesetzt wurde, den früheren Monsanto-Mitarbeiter Richard E. Goodman einzustellen, der Séralinis Studie prompt für »unwissenschaftlich« erklärte und zurückzog, ein bei wissenschaftlichen Fachzeitschriften höchst ungewöhnlicher und extrem seltener Akt. Ein Jahr später mussten Goodman und der Chefredakteur zurücktreten; Séralinis Studie wurde in einer anderen wissenschaftlichen Zeitschrift erneut veröffentlicht.

Annus horribilis

Die Liste von Monsantos Vergehen und kriminellen Aktivitäten ist lang. Jetzt scheint es jedoch, als fielen die Untaten auf den Urheber zurück.

Das Jahr 2015 entwickelt sich zu einem, das Großbritanniens Königin Elisabeth ein Annus horribilis nennen würde, ein ganz fürchterliches Jahr. Am 20. März 2015 bewertete die Internationale Krebsforschungsagentur (IARC) der Weltgesundheitsorganisation (WHO) die Karzinogenität [krebserzeugende Eigenschaft] von Glyphosat, dem Hauptbestandteil von Monsantos meistverkauftem Herbizid Roundup.

Sie fand »Hinweise auf Karzinogenität bei Versuchstieren. Darüber hinaus verursachte Glyphosat in menschlichen Zellen DNS- und Chromosomenschäden… Bei einer Studie an Einwohnern einer Gemeinde wurden erhöhte Blutmarker von Chromosomenschäden (Mikronuclei) gemeldet, nachdem auf nahegelegenen Feldern Glyphosat versprüht worden war.« Monsanto war darüber mit Sicherheit alles andere als begeistert.

Dem WHO-Bericht folgte ein komplettes Verbot von GVO-Saatgut in der Russischen Föderation, gefolgt von der Entscheidung für ein totales GVO-Verbot in 19 von 28 EU-Ländern, ein vernichtender Schlag gegen Monsanto und die Gentech-Lobby. Im September 2015 folgte ein weiterer Schlag gegen ein Monsanto-Herbizid: Ein französisches Berufungsgericht erklärte Monsanto der chemischen Vergiftung für schuldig.

Das Gericht bestätigte das Urteil zugunsten des Getreidebauern Paul François, dessen Rechtsanwälte geltend gemacht hatten, der Unkrautkiller Lasso habe bei ihrem Mandanten neurologische Probleme verursacht, unter anderem Gedächtnisverlust und Kopfschmerzen. Später kündigte der US-Bundesstaat Kalifornien an, man werde Glyphosat als Karzinogen führen, die erste Aufsichtsbehörde in den USA, die entsprechend entscheide, so Dr. Nathan Donley, Wissenschaftler am Center for Biological Diversity.

Diese Rückschläge hatten ernste Folgen für den Gentech- und Chemiekonzern. Die Monsanto-Aktie fiel von 125 Dollar im Februar auf 29 Dollar. Angesichts rückläufiger Verkaufszahlen kündigte Monsanto die Streichung von 2600 Stellen an, das sind zwölf Prozent der Beschäftigten. Außerdem sollen drei Milliarden Dollar für den Aktienrückkauf verwendet werden, eine Form von Finanz- (im Gegensatz zu Gen-) Manipulation, durch die der Gewinn pro Aktie auf magische Weise erhöht wird, indem Aktien vom Markt genommen werden.

Das Ganze wurde noch schlimmer, als die strategische Übernahme des Schweizer Gentech- und Agrochemiekonzerns Syngenta durch Monsanto scheiterte. Seit 2011 verfolgte Monsanto die Strategie, mit Syngenta gleichzuziehen. Syngenta ist der weltgrößte Hersteller von Herbiziden und Pestiziden, ein kleinerer Teil des Gewinns stammt aus patentiertem GVO-Saatgut. Monsanto dagegen ist der weltgrößte Anbieter von GVO-Saatgut, erwirtschaftet aber nur einen relativ kleinen Anteil des Gewinns durch den Verkauf von Agrochemikalien.

Ende August bot Monsanto Syngenta – berüchtigt für sein umstrittenes Herbizid Atrazin und seine Neonicotinoid-Herbizide – 47 Milliarden Dollar. Der Schweizer Konzern lehnte ab und Monsanto musste das Angebot zurückziehen. Monsanto hatte das Übernahmeangebot unterbreitet, um weniger abhängig vom GVO-Verkauf zu werden und stärker auf Gewinne aus dem Verkauf von Unkrautvernichtungsmitteln zu setzen. Ein Zeichen dafür, dass Monsanto nicht an den »Wunder«-Eigenschaften des GVO-Saatguts interessiert ist. Jetzt will sich der Konzern auf giftige Chemikalien konzentrieren, die die Giftstoffbelastung in Tieren, Pflanzen und Boden erhöhen.

In dem verzweifelten Versuch, das Terrain zu verteidigen und eine GVO-Kennzeichnung in den USA zu verhindern, betreibt Monsanto Lobbyarbeit beim US-Kongress für ein Gesetz, das die Kennzeichnung von GVO in Lebensmitteln verbietet. Obwohl 80 Prozent aller abgepackten Lebensmittel in Amerika GVO enthalten, wird dies den Verbrauchern verheimlicht; in der EU ist die Kennzeichnung Pflicht.

Ein neues, von Monsanto unterstütztes US-Gesetz wurde vom Repräsentantenhaus verabschiedet und liegt jetzt dem Senat zur Debatte vor. Durch das Gesetz H.R.1599 mit dem irreführenden Namen »Gesetz über sichere und genaue Kennzeichnung von Lebensmitteln (SAFE)« würde die Kennzeichnung landesweit auf freiwilliger Basis erfolgen, einzelne Bundesstaaten dürften keine Kennzeichnungspflicht verhängen.

Damit soll dem Vorpreschen einzelner Bundesstaaten begegnet werden, die mangels einer nationalen Regelung eigene Bestimmungen erlassen haben. Laut einer kürzlich durchgeführten Umfrage der New York Times befürworten 93 Prozent der Amerikaner eine Kennzeichnung von GVO-Lebensmitteln, drei Viertel der Befragten äußerten sich besorgt über Gentech-Produkte in Lebensmitteln.

Geld von Monsanto könnte die Verabschiedung von H.R.1599 erkaufen. Aktivisten haben das Gesetz in »DARK« umgetauft, weil Amerikaner über ihr Essen im Dunkeln gelassen werden.

Die Zukunftsaussichten von GVO sind definitiv schlechter als zu irgendeinem Zeitpunkt nach dem verhängnisvollen Treffen 1992 mit Papa Bush im Weißen Haus.
Kredit für Selbständige
Quelle: Kopp-online vom 16.10.2015

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