Schwedens Banken im Migranten-Dilemma – Fallstricke der Arbeitsintegration

 

Kolumne von Rudolf Hermann, Stockholm 

Der Weg zu erfolgreicher gesellschaftlicher Integration führt für Flüchtlinge am ehesten über eine Arbeitsstelle. Dazu ist jedoch ein Bankkonto nötig. Und ein solches zu eröffnen, ist nicht einfach.

Schweden blickt mit Sorge auf die grosse Zahl von Flüchtlingen. (Bild: Reuters)

Schweden blickt mit Sorge auf die grosse Zahl von Flüchtlingen. (Bild: Reuters)

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Mit etwelcher Sorge blickt man in den nordischen Staaten, namentlich in Schweden, auf die grosse Zahl von Flüchtlingen, die in den letzten zwei Jahren aufgenommen worden sind. Das nordische Modell des Wohlfahrtsstaats – der Grund, warum diese Länder als Destinationen für Migranten so attraktiv sind – gründet auf der Prämisse, dass die Bevölkerung nicht nur ein Anrecht auf umfangreiche Sozialleistungen hat, sondern dafür auch arbeitet und Steuern zahlt. Doch die Arbeitsintegration vieler Migranten hat in den letzten Jahren schlecht funktioniert und wird mit den deutlich angestiegenen Zahlen nicht einfacher. Wachsender finanzieller Druck auf das Sozialsystem ist absehbar.

In Schweden lautete das Rezept für die Integration von Flüchtlingen noch bis vor kurzem, dass vor der Arbeitssuche zuerst die Sprache gelernt werden sollte. Dabei verstreicht allerdings viel Zeit. Nun will man die Reihenfolge umkehren: Arbeitsintegration zuerst, Spracherwerb später. Mit einer Reihe von Fördermassnahmen will der Staat Arbeitsplätze bereitstellen, die entweder direkt auf Zugewanderte ausgerichtet oder diesen mindestens besser zugänglich sind.

Doch sogar wenn es einem Asylsuchenden in der Warteschlaufe gelingt, alle Hindernisse zu überwinden und Arbeit zu finden, stellt sich spätestens dann, wenn der erste Lohn fällig wird, ein Problem ein: die Eröffnung eines Bankkontos. Dies ist für Antragsteller, die noch nicht vollständig in das schwedische Bevölkerungsregister integriert sind, keine einfache Sache. Die Banken stehen in der Pflicht, Identitäten rigoros zu überprüfen, um möglicher Geldwäscherei und Terrorismusfinanzierung zuvorzukommen. Gerade die zweifelsfreie Bestimmung der Identität ist bei Flüchtlingen laut einem Sprecher der schwedischen Bankenvereinigung allerdings in drei von vier Fällen ein Problem. Der Appetit der Finanzinstitute, sich mit solchen Neukunden potenziell Probleme einzuhandeln, ist beschränkt. Es gelte deshalb ein Produkt zu entwickeln, das sowohl den Vorgaben der Politiker als auch den Compliance-Vorschriften des Sektors gerecht werde.

Quelle: Neue Zürcher Zeitung (Schweiz) vom 26.04.2016

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