Zeit: Die »Klasse der Weltbürger« bedauert ihre Arroganz gegenüber den Wutbürgern

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13.08.2016
Markus Mähler

Das Establishment kann nicht mehr ruhig schlafen, schreibt Elisabeth Raether in der Zeit:»Die Ausgeschlossenen« machen im politischen Leben wieder Lärm, weil »sie so wütend wurden«. Sie verschaffen Donald Trump in den USA, dem Front National in Frankreich und der AfD in Deutschland Wahlsieg um Wahlsieg. Wie konnte das nur passieren, fragt sich die Autorin stellvertretend für die »Klasse der Weltbürger«: »Wir haben keine Gelegenheit ausgelassen, unsere Überlegenheit vorzuführen.« Deshalb rächen sich die »Ausgeschlossenen« und wählen jetzt Populisten, die »ein bisschen doof« sind, die »Ahnungslosigkeit und Unvernunft verkörpern«. Natürlich kommen alle »Abgehängten« in der Zeit wieder nicht zu Wort.




Die Wochenzeitung Die Zeit ist ein Wohlfühlblatt für das Sonnendeck unserer Republik. Dort kommt gar nicht mehr an, was im Maschinenraum, bei den Schiffsheizern und in der dritten Klasse passiert. Die »Klasse der Weltbürger« wundert sich aber gerade auf dem Sonnendeck, warum die MS Merkel-Europa den Kurs wechselt. Die Elite merkt: Hoppla, da unten gibt es ja auch noch Menschen, die denken, fühlen und handeln und immer wütender werden.

Das sind blumige Sätze – aber sie fassen einen vielbeachteten Text der Autorin Elisabeth Raether in der gedruckten Zeit zusammen. Er ist auch als Audio-Podcast abrufbar: »Was macht die Autoritären so stark? Unsere Arroganz. Jahrelang haben die liberalen Eliten die da unten und ihre Sorgen heimlich verachtet. Jetzt wählen die Abgehängten die Rassisten, und der Schreck ist groß.« Natürlich muss ich ergänzen: Viel beachtet wurde er nur von denen da oben, weil er wunderbar als Unterschichten-Bashing funktioniert – ein Markenzeichen der Zeit.


Für unsere »Klasse der Weltbürger«: Einmal Märchenstunde mit ein bisschen Gänsehaut

Der Text aus der Edelfeder unterstellt denen »da unten« wieder einmal per Ferndiagnose »Kränkung und Angst« – und deshalb stimmen sie eben für Donald Trump in den USA, für den Front National in Frankreich und für die AfD in Deutschland. Sie wählen Populisten, die »ein bisschen doof« sind; die »Ahnungslosigkeit und Unvernunft verkörpern«. Wenn jetzt die »Klasse der Weltbürger« einfach nur ein bisschen weniger arrogant gegenüber den »Gekränkten«, »Abgehängten« und »Hoffnungslosen« sein könnte – so der Appell der Autorin –, dann wird alles wieder gut. So einfach ist das also?

Ja, es ist sogar noch viel einfacher: Im Grunde geht es nur um das wohlige Bauchpinseln der Zeit-Abonnenten, die sich nach dem Lesen wieder einmal herrlich überlegen fühlen durften. Für die Insassen der liberalen Blase sind »die da unten« etwas, das wohlige Angstschauer über den Rücken jagt: »Wir« verstehen sie nicht, »wir« haben Angst vor ihnen, gleichzeitig müssen »wir« aber auch über sie lachen und jetzt werden die da unten auch noch wild!

Was können »wir« hier oben bloß gegen die da unten tun? Die Autorin Raether beschreibt dieses »Wir« übrigens auf einer halben Seite. Jeder, der sich nicht als Weltbürger und Zeit-Leser fühlt, sollte das jetzt nur vorsichtig lesen. Sie könnten vor lauter Wut den Kopf auf die Tischkante hämmern. Aber bitte – auf eigenes Risiko – lassen wir Raether erklären, wer zur »Klasse der Weltbürger« bei Zeit und Co. gehören darf:

So sieht sich die »Klasse der Weltbürger« im Spiegel

»Wer ist wir? Wir sind die, die führen. Wir sind die neue liberale Elite. […] Wir sind eine Gesellschaft der Klassen, in der die einen führen und die anderen folgen. […] Wir haben dieselben Methoden wie alle Eliten überall: Wir definieren, was guter Geschmack ist, was sich gehört und was nicht, und wir verachten diejenigen, die sich daran nicht halten. Wir sorgen dafür, dass unsere Zirkel geschlossen bleiben. Doch wie ein Revolutionsregime sind wir über jeden Vorwurf erhaben, denn wir, oder zumindest die Generationen vor uns, haben für diesen Platz in der Gesellschaft kämpfen müssen. Wir haben die Toleranz sozusagen erfunden, deshalb definieren wir sie jetzt auch. Herausgekommen ist die unantastbare Herrschaft des Richtigen, also unsere Herrschaft. Es stimmt ja, wir haben viel Gutes in die Welt gebracht, Gerechtigkeit und Freiheit für Frauen, Migranten, Behinderte, Homosexuelle, das alles ist unsere Tradition. Doch die Klassen haben wir nicht abgeschafft. Wir haben uns nur an die Spitze der Klassengesellschaft gesetzt, und jetzt kommt es uns so vor, als hätten alle Schranken sich geöffnet. Von unten dürfte das Ganze anders aussehen.«

Wie stellt sich die »Klasse der Weltbürger« aber Wutbürger vor, die sich jetzt an den Wahlurnen rächen wollen? Nun, Zeit-Autorin Raether hat es zwar auf die USA gemünzt, aber »die Mütter der Fettleibigen, der Schulversager, der Gefängnisinsassen, der Teenagermoms, der Drogensüchtigen« gibt es natürlich auch in Deutschland. Das sind also die Worte aus dem Sonnendeck. Fühlen Sie sich als AfD-Wähler bereits in Ihrer Ehre gekränkt? Gemach, das Schlimmste kommt doch erst noch: »Über sie, die den Fortschritt nicht so schnell begreifen, kann man auch in Zeiten der inklusiven Sprache alles Verächtliche sagen: Über die Unsicheren, die Unbegabten, die Ängstlichen, über die weißen Männer. Ihre Wünsche, ihre Bedürfnisse, ihre Ängste, ihre Biografien – alles ein Witz. Man kann sie white trash nennen, oder Arbeiter, Arbeitslose, Ungelernte. In jedem Fall sind sie die Unbeliebten, weder weltgewandt noch selbstironisch. Sie sind die Gekränkten.«

Und so sieht sie den Wutbürger

Es ist kein Wunder, dass dieser Text so ungeheuer beliebt war und auf der Digitalplattform BlendlePlatz eins der Wochencharts belegt. Hier bekommen alle, die sich für überlegen halten, weil sie eine dicke Wochenzeitung abonnieren können, auch nur ihre persönlichen Vorurteile bestätigt. Serviert und auf Hochglanz poliert von den Schönschreibern der Zeit. Der Ego-Wichs geht natürlich noch weiter. Man kann von Marine Le Pen, Chefin des französischen Front National, halten, was man mag. Sie verkörpert im Moment aber einen neuen Typus Politiker, dem die Gunst der Massen gehört. Die Zeit-Autorin Raether zieht Le Pen aber mit einem billigen Sigmund-Freud-Komplex durch den Schlamm. Le Pen sei bloß ein kleines verletztes Mädchen im Körper einer wütenden Frau. Stellen Sie sich vor, Raether hätte das hier nicht über eine Französin geschrieben, sondern über die AfD-Bundesvorsitzende Frauke Petry. Der Gewittersturm wäre perfekt gewesen.

»Das ist die Heldengeschichte der Missachteten«

Lesen Sie auch das lieber abseits der Tischkante: »Die Front-National-Chefin Marine Le Pen verbrachte eine privilegierte Jugend in einem reichen Pariser Vorort, aber von den Marginalisierten wird sie geliebt. Während die Bessergestellten in ihr eine grobschlächtige Frau mit präfaschistischen Ansichten sehen, wärmen die verletzten Seelen sich an ihr. Denn sie haben dasselbe erlebt: die Verachtung der liberalen Elite. Le Pen hat jahrelang daran gearbeitet, endlich in die französischen Fernsehstudios vorgelassen zu werden, wo ihr Vater unerwünscht war. Jetzt kämpft sie mit einer Leidenschaft um das Amt des Präsidenten, als gehe es nicht um Politik, sondern darum, eine Rechnung zu begleichen. Das ist die Heldengeschichte der Missachteten: Ihr, die angeblich so supertoleranten Besserverdienenden, habt uns jahrelang ignoriert. Wir durften im Reality-TV auftreten, zu eurem Amüsement, das ihr mit eurer ewigen Ironie genießt. Aber jetzt haben wir ins ernste Fach gewechselt. Jetzt wollen wir die Macht, und wir bekommen sie. Ihr habt euch doch immer beschwert, dass wir nicht wählen gehen – tja, aber genau das werden wir jetzt tun.«

Der Text bietet einige bemerkenswerte Einsichten – trotzdem sollte sich die Wochenzeitung Zeit fragen, ob sie hier nicht Gräben aufschüttet, wo vorher keine waren. Jeder, der sich nicht zur »Klasse der Weltbürger« zählt, fühlt sich nach dem Lesen vor allem so: erniedrigt. 70 Prozent des Textes sind nichts weiter als eine Beleidigungsorgie – und ja, jeder kapiert den Kunstgriff: Das soll eben die unverbesserliche Arroganz der Oberklasse symbolisieren. Leider taugen schöngekleisterter Symbolismus und Satire eben auch nur dazu, die Vorurteile unter Zeit-Abonnenten zu bedienen. Die können auf ihrer heimischen Chaiselongue nun vollends im persönlichen Größenwahn schwelgen. Hinterher geht es mit dem Flieger in eine interessante Hauptstadt Europas, um dort in einem netten kleinen Restaurant und mit teurem Wein auf die Europäische Union und ihren Berg ungelöster Probleme anzustoßen. Wenn dieser Zeit-Text bereits Selbstkritik ist, kann man den »Abgehängten«, »Gekränkten« und »Hoffnungslosen« nur zurufen: Weiter so! Die selbsternannte liberale Elite mit ihrem EU-Fetisch braucht noch viele weitere Denkzettel.

Quelle: Kopp-online vom 13.08.2016

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Ulrike
Ulrike
7 Jahre zuvor

Die Zeit wird zu gegebener Zeit Besuch von den Terroristen bekommen.
Wer diese Zeitung noch liest ist selber schuld. Lügenpresse

Baufutzi
Baufutzi
7 Jahre zuvor

Sehr unerträglich dieses Blatt,aber deren Niedergang hat schon begonnen.