Medien-Drama 3.0 ‒ Das transatlantische Donnergrollen

11.08.2015
Markus Gärtner

Erst verdrückt sich die Werbung ins Internet. Dann laufen den Mainstream-Medien auch die Zuschauer und Leser davon. Jetzt rollt die dritte Pestwelle über die Nachrichten-Industrie.

Die Investoren lassen die Aktien der großen News-Konzerne fallen wie heiße Kartoffeln. Das passiert derzeit in den USA. Doch der ferne Donnerhall ist gar nicht so fern, wenn man sich den deutschen M-Dax-Index anschaut. Dort finden sich die Aktien von Axel Springer, ProSiebenSat1 Media und der RTL Group.

Es klingt paradox, ist aber wahr: Die Rendite-Heuschrecken in den Hedgefonds haben jahrelang frenetisch die Aktien von US-Medienkonzernen wie CBS, Viacom, Fox oder Time Warner gekauft. In keiner Industrie waren sie stärker engagiert. Und das, obwohl dort ebenfalls Stagnation oder Einbrüche bei den tonangebenden Unternehmen Schlagzeilen machen. Viacom berichtete für das erste Quartal sechs Prozent Anzeigen-Rückgang und sinkende Einschaltquoten. Schlechtere Raten im Fernsehen meldete auch Fox. Neue Anbieter wie Netflix setzen den etablierten Networks immer stärker zu.

In der vergangenen Woche krachte in New York der Medien-Teilindex innerhalb des Aktienbarometers S&P 500 an zwei Börsentagen insgesamt acht Prozent in die Tiefe. Es herrschte Ausverkauf.

Ronald Reagans ehemaliger Budgetdirektor David Stockman sieht in dieser Attacke auf die Medien-Aktien eine »Zusammenrottung von Investoren gegen« die ohnehin belagerten Medienfirmen. Der Finanz-Blog ZeroHedge sieht gar die »Liebesbeziehung zwischen Hedgefonds und Medienunternehmen beendet«.

Aber eine solche hat es nie gegeben.

Ja, die ungeduldigen Geld-Ingenieure der Rendite-Jäger-Fonds haben seit der Finanzkrise so viele Medien-Aktien gekauft, dass sie jetzt knapp zehn Prozent der 15 Firmen im Medien-Index des S&P 500 besitzen.

Doch sie haben nicht so viel Kapital in die Medien gesteckt, weil sie an eine glänzende Zukunft geglaubt hätten, sondern weil sie wussten: Der wachsende finanzielle Druck auf die gebeutelte Branche führt zu immer mehr Übernahmen und Fusionen.

Und daran verdienen die Geld-Geier, wenn sie früh genug einsteigen, am meisten. Denn Übernahmekandidaten sehen in der Regel enorme Kurssprünge bei ihren Aktien.

Die angebliche Liebesbeziehung war daher eine nachvollziehbare Kasino-Wette auf eine darbende Zunft, die sich gegen den Absturz und die wachsende Internet-Konkurrenz wehrt und dabei zu immer größeren Einheiten zusammenschmilzt.

Allein im vergangenen Jahr wurden für diverse Übernahmen in dem Sektor 110 Milliarden Dollar auf den Tisch geblättert. Doch während sie Größe suchten, vernachlässigten die US-Börsenfirmen aus der Medienbranche ihre Belegschaft und Programme.

Stattdessen schütteten sie in den vergangenen Jahren lieber Dividenden an die Aktionäre aus und nahmen dank der entfesselten Notenbanken Kredite zu fast NULL Prozent Zinsen auf, um eigene Aktien zurückzukaufen, deren Kurse hochzuschrauben und für die Wall Street attraktiver auszusehen.

Ein Beispiel: CBS hat seit 2011 satte elf Milliarden Dollar für Dividendenzahlungen und Rückkäufe eigener Aktien an der Börse ausgegeben. Das waren 40 Prozent mehr als die eingefahrenen Gewinne in dieser Zeit. Im Klartext: Auf Pump wurden die Aktionäre beglückt und die Aktienkurse geschönt. Dafür wurde mehr Geld ausgegeben, als Gewinne in die Kassen spülten.

Doch jetzt sind die Kurse dieser Aktien so hoch gestiegen – und die Perspektiven eingetrübt – dass die Hedgefonds binnen weniger Tage in der vergangenen Woche die Reißleine zogen und massiv Aktien der Medienindustrie abstießen. Und zwar so viele, dass in nur zwei Tagen 50 Milliarden Dollar Aktienwert vernichtet wurden.

»Die Leute schießen zuerst und stellen dann Fragen«, kommentiert der Investment-Stratege Walter Todd beim Vermögensverwalter Greenwood Capital Associates in South Carolina den heftigen Ausverkauf.

Und was hat das mit deutschen Medienfirmen zu tun?

Deren Aktien sind ebenfalls kräftig gestiegen. Die Springer-Aktie hat sich seit Ende 2011 mehr als verdoppelt. Fast 100 Prozent hat in den zwei Jahren bis Frühjahr 2015 die Aktie von RTL zugelegt. Das Papier von ProSiebenSat1 Media hat sich seit Anfang 2012 fast verdreifacht.

Hedgefonds sind in hiesigen Medienhäusern nicht oder sehr gering engagiert. Aber auch hierzulande sind die Aktienkurse weit vorausgeeilt.

Quelle: Kopp-online vom 11.08.2015

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