Facebook bezahlte Teenager

Facebook-App auf einem Mobiltelefon
ORF.at/Dominique Hammer
Daten-App

Das Soziale Netzwerk Facebook steht erneut in der Kritik: Laut einem Bericht des Technologieportals TechCrunch bietet der Konzern von Mark Zuckerberg seit 2016 Nutzerinnen und Nutzern Geld an, um ihren kompletten Datenverkehr mitzuverfolgen. Auch Teenager dürfen teilnehmen. Facebook setzt sich mit der Spionage-App über ein Verbot von Apple hinweg – und gerät zunehmend unter Druck.

Mit 20 US-Dollar im Monat ködert der Konzern Nutzerinnen und Nutzer, heißt es in dem in der Nacht auf Dienstag veröffentlichten Bericht. Diese sollen dafür die „Facebook Research“ betitelte App auf ihrem Smartphone installieren. In den Nutzungsbedingungen wird darauf hingewiesen, dass dadurch installierte Apps, Nutzungsverhalten und Surfaktivitäten aufgezeichnet werden.

Dabei kann die Facebook-Research-App sogar bei eigentlich verschlüsselten Verbindungen mithören. Das erlaubt Facebook etwa, private Chatnachrichten zu lesen und Zugangsdaten für Dienste wie Onlinebanking und andere Soziale Netzwerke zu protokollieren. Der Datenhunger der App endet jedoch nicht bei verschlüsselten Verbindungen: Userinnen und User werden auch dazu aufgefordert, einen Screenshot der eigenen Amazon-Bestellübersicht zu übermitteln.

Auch Teenager zu „Project Atlas“ zugelassen

Facebook zielt mit dem auch als „Project Atlas“ bezeichneten Programm auf Anwenderinnen und Anwender im Alter von 13 bis 35 ab. Minderjährige müssen für die Verwendung die Zustimmung ihrer Eltern einholen – in dem Formular, das diese unterzeichnen müssen, heißt es: „Es sind keine bekannten Risiken mit dem Projekt verbunden, aber Sie sind sich darüber im Klaren, dass dieses Projekt die Aufzeichnung personenbezogener Daten über die Verwendung von Apps durch Ihr Kind beinhaltet.“

Ähnliche App aus Appstore verbannt

Die App erinnert stark an Onavo – eine von Facebook gekauft App, die ebenfalls das Nutzungsverhalten aufzeichnet. Apple verbannte die App nach scharfer Kritik im letzten Sommer. Für Facebook Research umgeht Facebook den Appstore von Apple komplett und setzt auf Drittanbieter. Dazu muss ein Entwicklerzertifikat auf den Geräten installiert werden, die an dem Programm teilnehmen wollen – was möglicherweise gegen Apples Regeln verstößt, die die Verwendung eines solchen Zertifikats nur unternehmensintern gestatten.

Facebook selbst sagte gegenüber TechCrunch, dass „wesentliche Fakten über dieses Marktforschungsprogramm ignoriert“ würden. Es sei nichts „geheim“ gewesen, auch der Spionagevorwurf wird scharf zurückgewiesen. „Alle Menschen, die sich für das Programm anmeldeten, wurden nach ihrer ausdrücklichen Zustimmung gefragt und für ihre Teilnahme bezahlt.“ Dass mit dieser App auch Teenager angelockt wurden, sieht Facebook nicht als Problem: „Weniger als fünf Prozent der Teilnehmer waren Teenager. Jeder einzelne von ihnen hatte das Einverständnis der Eltern“, so ein Sprecher des Sozialen Netzwerks.

Android-App besteht auch nach Kritik weiter

Facebook gab zuerst an, dass man die Research App auf dem iPhone-Betriebssystem iOS einstellen wolle. Doch wie TechCrunch am Mittwochnachmittag berichtete, blockierte Apple bereits tags zuvor die App des Sozialen Netzwerks. Die Android-App befindet sich jedoch weiterhin im Einsatz. Apple-Chef Tim Cook betonte in den vergangenen Wochen mehrmals, dass das Unternehmen Datenschutz als enorm wichtig erachte, und forderte unter anderem eine Datenschutzverordnung analog zur EU-DSGVO in den USA.

Bedenken wegen Messenger-Zusammenlegung

Die jetzt bekanntgewordenen Vorwürfe gegen Facebook erhöhen den Druck auf das Soziale Netzwerk zusätzlich. Erst vergangene Woche wurde bekannt, dass Facebook offenbar bewusst hohe Ausgaben von Kindern in Spielen und anderen Facebook-Apps ignoriert hatte. Kinder konnten ohne das Wissen der Eltern hohe Geldbeträge ausgeben, berichtete die BBC. Erst nach mehreren Jahren und einem Gerichtsprozess änderte Facebook seine Regeln im Jahr 2016.

Auch die Zusammenlegung der Messengerdienste von Instagram, Facebook und WhatsApp, die alle im Besitz des Sozialen Netzwerks sind, sorgt für Unruhe bei Datenschützerinnen und Datenschützern. Laut „New York Times“ sollen künftig Nutzer zwischen den Diensten Nachrichten schicken können.

Doch gleichzeitig wird dadurch die Verbindung der ursprünglich getrennten Dienste ausgebaut. So reichte bisher für eine Anmeldung bei WhatsApp die Angabe der Telefonnummer, bei Instagram die Angabe einer Mailadresse – Facebook verlangt darüber hinaus etwa die Angabe des vollen Namens und sperrt im Zweifel das Benutzerkonto.

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Druck auf Zuckerberg steigt

Auch der Druck auf Facebook-Chef Zuckerberg wird durch die neuen Vorwürfe wohl weiter zunehmen. Erst vergangene Woche wies er Anschuldigungen zurück, dass Facebook Nutzerdaten verkaufen würde. „Wir verkaufen die Daten der Menschen nicht“, schrieb Zuckerberg in einem Beitrag, den unter anderem das „Wall Street Journal“ und „Le Monde“ abdruckten.

Das Geschäftsmodell des Netzwerks basiere darauf, dass Facebook auswerte, auf welche Seiten die Nutzerinnen und Nutzer klickten und welche Informationen sie über sich teilten, so Zuckerberg. Zwar wies er damit den Verkauf von Nutzerdaten zurück – bestätigte aber gleichzeitig, dass Daten ein wesentlicher Teil des Geschäftsmodells sind. Auch die Facebook-Research-App dürfte dieses Vorhaben unterstützen. Unklar ist jedoch, ob und welche Konsequenzen es geben könnte – zumindest das Verhältnis mit Apple dürfte damit aber vor einer Belastungsprobe stehen.

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