Star-Ökonom Sinn – „Wenn Deutschland nicht artig ist, lassen die Türken Flüchtlinge durch“

Mittwoch, 02.03.2016, 08:34

Hans-Werner Sinn

dpa/Karlheinz Schindler – Hans-Werner Sinn, Ex-Präsident des Münchner Ifo-Instituts für Wirtschaftsforschung.

Der Ökonom Hans-Werner Sinn hat sich während einer Vorlesung gegen Merkels Flüchtlingspolitik ausgesprochen. Er hält ihre Strategie für unrealistisch und gar gefährlich. Zudem gab er Vorschläge, wie eine Strategie aussehen könnte. An eine Umsetzung seiner Ideen glaubt er allerdings nicht.

Während einer Vorlesung im Münchener Ifo-Institut äußerte sich Star-Ökonom Hans-Werner Sinn kritisch gegenüber Merkels Flüchtlingsstrategie,wie die „Welt“ berichtete. „Die Kanzlerin setzt auf die Türkei. Das soll sie mal ausprobieren“, sagte Sinn. „Wenn man den Türken den Schlüssel in die Hand gibt für die Tür, die nach Deutschland führt, dann macht man sich abhängig von der Türkei“.

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Er betonte, dass die Türkei immer noch EU-Mitglied werden wolle, und jede Chance wahrnehmen würde, Druck auf Europa auszuüben: „Immer, wenn Deutschland nicht artig ist, lassen die Türken ein paar Flüchtlinge durch. Was für eine schreckliche Perspektive. Das ist keine überzeugende Politik“, so Sinn. Seiner Meinung nach sei es außerdem illusorisch, auf eine Grenzschließung zum Mittelmeer in Griechenland zu hoffen: „Machen sie mal 1000 Inseln dicht; das geht physisch gar nicht.“

Sinn fordert stärkere Kontrollen im Schengenraum

Statt sich auf Griechenland zu fixieren, sei es notwendig, den zentraleuropäischen Schengenraum stärker zu kontrollieren. Dabei sei besonderes Augenmerk auf die ungarisch-slowenische Grenze zu legen. Dort fordert Sinn Transitlager, in denen dann entschieden werden solle, ob die Neuankömmlinge nach europäischem Asylrecht asylberechtigt sind.

Diese Flüchtlinge sollten anschließend nach einem Quotensystem auf den gesamten Schengenraum verteilt werden. Auch in Italien sollte es solche Transitlager geben. Hoffnungen, dass seine Vorschläge umgesetzt werden, habe er nicht. „Kommt das? Ich weiß es nicht, aber nächste Woche wissen wir mehr.“ Sinn spielte damit auf den EU-Gipfel am Montag in Brüssel an. „Aber ich glaube nicht, weil die osteuropäischen Länder nicht mitmachen wollen.“

Migranten sollen sofort in Arbeitsmarkt integriert werden

Die Neuankömmlinge sollen nach Meinung des Ökonoms so schnell wie möglich in den Arbeitsmarkt integriert werden. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass man die jungen Leute in den Lagern Däumchen drehen lässt“, sagte Sinn. So könne er sich vorstellen, dass Migranten und deutsche Arbeitnehmer, die neu auf den Arbeitsmarkt kommen, für eine Karenzzeit vom Mindestlohn ausgenommen seien. Sinn begrüßte auch den Vorschlag von Arbeitsministerin Andrea Nahles (SPD), die Ein-Euro-Jobs für Flüchtlinge ins Gespräch gebracht hatte. Er finde, dass dies ein guter Vorschlag sei. Man verlange quasi eine Gegenleistung für die Sozialhilfe – die würde somit zum Arbeitslohn werden.

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Sinn unterstellt Deutschland „großen Fehler“

Außerdem forderte Sinn eine Verstärkung der Entwicklungshilfe vor Ort, um die wirtschaftliche Lage der Menschen in den Mittelmeeranrainerstaaten zu verbessern. „Deutschland hat den großen Fehler gemacht, die vom damaligen Premierminister Nicolas Sarkozy vorgeschlagene Mittelmeerunion vor zehn Jahren abzublocken“, so seine Erklärung. Die Union hätte dabei helfen können, die Situation in den Herkunftsländern vieler Wirtschaftsflüchtlinge zu verbessern. Wichtig sei vor allem, den Handel mit den betroffenen Ländern weiter zu liberalisieren. Europa dürfe insbesondere die Agrarmärkte nicht weiter abschotten, weil gerade in der Landwirtschaft viele der betroffenen Länder besonders wettbewerbsfähig seien. „“Das soll aber nicht heißen, dass wir unsere Grenzen offen lassen und so lange die Entwicklungshilfe verstärken, bis keiner mehr kommt.“

Quelle: Focus-online vom 02.03.2016

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