Ärger über Frauke Petry – Die AfD steuert auf einen Richtungskampf zu

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Dienstag, 29.03.2016, 21:56 · von FOCUS-Online-Autorin Ida Haltaufderheide

Frauke Petry, AfD, Streit
dpaInnerhalb der AfD ist Frauke Petry zunehmend isoliert.

Kaum ist der Jubel der AfD über ihren Erfolg bei den Landtagswahlen verklungen, gibt es Turbulenzen in der Partei. Frauke Petry rügt öffentlich Parteikollegen – und gerät dadurch selbst in Verruf. Viele sind besorgt wegen ihrer Alleingänge und peinlichen Medienauftritte. Manövriert sich die Parteichefin selbst ins Abseits?

Es scheint, als würde sich in der AfD nun der Ärger Bahn brechen, den viele Parteimitglieder vor den Landtagswahlen heruntergeschluckt haben, um Unruhen zu vermeiden.

In einem Interview mit der Zeitschrift „Bunte“ plauderten Partei-Chefin Frauke Petry und ihr Lebensgefährte, der nordrhein-westfälische AfD-Vorsitzende Marcus Pretzell, nicht nur über Privates. Petry teilte auch gegen die Berliner Landesvorsitzende Beatrix von Storch und den stellvertretenden Bundesvorsitzenden Alexander Gauland aus.

 

„Man merkt daran die Spannungen, die da sind“

Von Storchs Äußerungen zum Waffeneinsatz gegen Flüchtlinge seien „katastrophal“ gewesen, so Petry. Gaulands Aussage, die Flüchtlingskrise sei ein „Geschenk“ für die AfD, nannte sie „fatal“. Kürzlich trennte Petry sich außerdem von ihrem Pressesprecher. In der Partei scheint sie zunehmend isoliert.

„Man merkt daran die Spannungen, die da sind“, sagte Bundesvorstandsmitglied André Poggenburg nach Erscheinen des „Bunte“-Interviews der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“.

FOCUS Online/WochitPrivate Einblicke bei AfD-Paar Frauke Petry und Marcus Pretzell

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Offene Kritik an Petrys Führungsstil

Petrys Alleingänge sorgen für Unmut – und erinnern an ihren Vorgänger Bernd Lucke. Petry selbst hatte damals gemahnt, die Partei dürfe unter Lucke nicht zur One-Man-Show werden. Wenig später trat er – nach erheblichem Druck – aus der AfD aus.

Nun gerät Petry in eine ähnliche Situation: Eine Vorsitzende, die ihre Parteikollegen öffentlich angreift und sie im Regen stehen lässt, statt sich schützend vor sie zu stellen, ist vielen in der AfD ein Dorn im Auge. Spitzenfunktionäre seien seit Wochen bereit, offen über ihre Bedenken gegen Petrys Führungsstil zu sprechen, berichtet die „FAZ“. Dabei geht es aber offenbar nicht nur um Stilfragen, auch ideologisch scheint es Differenzen zu geben:

  • Viele Mitglieder sehen die AfD bevorzugt in der Opposition – Petry will offenbar Regierungsbeteiligungen.
  • Die Nationalkonservativen sind verärgert über eine Ordnungsmaßnahme gegen Björn Höcke – die Petry unterstütze.
  • Die EU-Kritiker sind für den Austritt Großbritanniens aus der EU – Petry sprach sich dagegen aus.
  • Petry befürwortete ein Urteil des Bundesgerichtshofs, das muslimischen Lehrerinnen erlaubt, Kopftücher zu tragen. Das irritiert die Islamkritiker.
  • Ein weiterer Streitpunkt in der Partei: Die Bundesspitze um Petry will die Saar-AfD wegen angeblicher enger Kontakte zu Rechtsextremen auflösen. Der Landesverband wehrt sich dagegen.

Trotzdem glaubt der Politikwissenschaftler Oskar Niedermayer nicht an einen Putsch gegen Petry. Zwar gebe es Uneinigkeiten und Konflikte, aber bei den großen inhaltlichen Fragen gebe es keine unüberbrückbaren Differenzen, sagte er FOCUS Online. „Ein Putsch würde der Partei bei ihrem Aufstieg schaden, das wissen auch die Putschisten und dieses Risiko gehen sie nicht ein“, so der Experte.

Impulsive Interview-Aussagen

Gefährlicher seien dagegen Petrys Medienauftritte. „Obwohl Petry inzwischen ausreichend Erfahrung mit Journalisten haben müsste und sonst sehr clever agiert, macht sie immer wieder unerklärliche Anfängerfehler“, so Niedermayer. Eine Strategie könne er dahinter nicht erkennen, vielleicht sei die AfD-Chefin tatsächlich einfach ein sehr impulsiver Mensch und rede manchmal unbedacht.

„Das könnte ihr das Genick brechen“, sagt Niedermayer, denn auch innerhalb der Partei heißt es inzwischen, Petry sei ungeschickt im Umgang mit Journalisten. Streitigkeiten wie die Diskussion um die verpassten Interviews im „ZDF Morgenmagazin“ seien schädlich für die Partei und lenkten zu sehr von Inhalten ab. Irgendwann könnten Petrys Auftritte dazu führen, dass der Druck innerhalb der AfD zu groß werde und sie den Vorsitz abgeben müsse, so der Politikwissenschaftler.

Auch wenn es um Inhalte geht, kommt Petry häufig ins Schleudern. Das zeigte sich zuletzt bei einem Interview mit der „Deutschen Welle“. Petry geriet zunehmend in Erklärungsnot und reagierte aggressiv auf kritische Nachfragen. Das Video des verunglückten Auftritts wurde im Internet millionenfach angeklickt und geteilt.

Trennung vom Partei-Pressesprecher nach den Wahlen

Vielleicht hätte AfD-Pressesprecher Christian Lüth die Parteivorsitzende vor dieser Blamage retten können, doch eine Zusammenarbeit mit ihm lehnt sie seit der Woche nach der Landtagswahl ab. Während die anderen zwölf Bundesvorstände offenbar mit Lüth zufrieden sind, beklagte Petry, er habe ihr nicht ordentlich zugearbeitet. Einen neuen Sprecher will die Partei ihr aber nicht bezahlen.

Offene Rücktrittsforderungen hat bisher zwar niemand ausgesprochen, doch nach Erscheinen des „Bunte“-Interviews hätten sich einige in der Partei schon „die Hände gerieben“ in der Gewissheit, dass die Parteichefin nun irreparabel beschädigt sei, zitiert die „Zeit“ ein Vorstandsmitglied. Viele hätten Angst, dass Petry die jüngsten Erfolge der AfD verspielen könnte. In Umfragen ist die AfD erstmals seit Wochen wieder leicht gesunken.

Eine Chance zur Schlichtung

Die Vorsitzende, die der Partei lange als Aushängeschild diente, steht sich selbst im Weg. Das sieht auch Politikwissenschaftler Niedermayer als Petrys größtes Hindernis. Es gebe allerdings noch eine Chance zur Schlichtung: Ende April findet ein Bundesparteitag der AfD in Stuttgart statt.

Dort soll über das neue Programm der Partei abgestimmt werden. „Mit dem Entwurf dafür müssten alle Flügel der Partei leben können“, sagt Niedermayer, der das Programm bereits gelesen hat. Ein offener Streit oder gar ein Flügelkampf sei daher in nächster Zeit sehr unwahrscheinlich.

Quelle: Focus-online vom 29.03.2016

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Alexander Berg
8 Jahre zuvor

Klassische Politik bleibt klassische Politik…