Schließungspläne in der Corona-Krise – Havelberg: Eine Stadt kämpft um ihr Krankenhaus

Als die Klinikgruppe KMG Anfang des Jahres ankündigte, das Krankenhaus in Havelberg zu schließen, war das ein Schock für viele Menschen. Inzwischen ist den Mitarbeitern gekündigt worden, trotzdem läuft der Krankenhaus-Betrieb noch. Die Frage ist nur: Wie lange noch? Gibt es noch Hoffnung für den Standort? Ein Besuch vor Ort.

Luca Deutschländer

von Luca Deutschländer, MDR SACHSEN-ANHALT

Außenansicht des KMG-Krankenhauses in der Hansestadt Havelberg
37 Betten, um internistische und chirurgische Krankheitsbilder zu behandeln: Aktuell ist das Krankenhaus Havelberg aber trotz laufenden Betriebs leer.Bildrechte: MDR/Luca Deutschländer

Die Nachricht von der Krankenhaus-Schließung kam auch für Havelbergs Bürgermeister unerwartet. „Völlig unerwartet“, sagt Bernd Poloski (parteilos), als er am Mittwoch in seinem Büro zum Gespräch mit gebührendem Sicherheitsabstand empfängt. Noch kurz vor Weihnachten hatte die Klinikgruppe KMG erklärt, das Krankenhaus in Havelberg grundsätzlich weiterführen zu wollen und ein Pflegeheim zu integrieren. Die 37 Betten des Hauses waren da auch schon für den Krankenhausplan in Sachsen-Anhalt angemeldet. Am 8. Januar dann die Kehrtwende: Das Krankenhaus soll geschlossen werden. Poloski und der damalige Landrat Carsten Wulfänger (CDU) sind die ersten, die an jenem Abend davon erfahren. Zwei Tage später wird die Nachricht öffentlich – viele Menschen in Havelberg und Umgebung sind geschockt.

Seitdem ist einiges in dem Konflikt passiert: Hunderte Menschen haben mehrfach für den Erhalt der Klinik demonstriert, viele der 53 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter protestieren noch immer mit Schildern für die Zukunft des Krankenhauses. Abwechselnd und einzeln, Menschenansammlungen sind aktuell schließlich verboten. Dabei ist ihnen längst gekündigt worden. Die Schreiben gingen Ende März raus. KMG hatte wenige Tage nach Bekanntwerden der Schließungspläne mitgeteilt, ein Seniorenheim aus dem Krankenhaus machen zu wollen. Die Debatte über die Gesundheitsversorgung im ländlichen Raum war neu entfacht. Es ging um die Frage, ob kleine Krankenhäuser überhaupt rentabel geführt werden können. KMG hatte berichtet, dass die Havelberger Klinik seit Jahren rote Zahlen schreibt. Doch dann kam die Corona-Krise – und es wurde still um das Krankenhaus. Andere Themen bestimmten die Schlagzeilen.

Verhandlungen über Zukunft des Krankenhauses laufen

Der Havelberger Bürgermeister Bernd Poloski sitzt an seinem Schreibtisch im Rathaus.
Bernd Poloski kämpft um die Zukunft der medizinischen Versorgung in Havelberg.Bildrechte: MDR/Luca Deutschländer

Hinter den Kulissen wird trotz der Krise weiter um den Standort gerungen. „Die Verhandlungen laufen“, sagt Bürgermeister Poloski. Er selbst ist regelmäßig dabei, wenn – inzwischen telefonisch – über die Zukunft des Krankenhauses diskutiert wird. Für den Rathauschef ist klar: Es braucht eine Sonderlösung. Das liege einerseits an der Altersstruktur im Norden Sachsen-Anhalts, die ganz andere medizinische Bedürfnisse als in der Stadt verlange. Andererseits liege es an der besonderen Lage Havelbergs im dünn besiedelten Landesnorden. Wer in einem der kleinen Orte an der Havel lebt, müsste ohne das Havelberger Krankenhaus mehr als 70 Kilometer Fahrt nach Stendal auf sich nehmen. „Es gibt eine hohe Erwartungshaltung der Bürgerinnen und Bürger, die medizinische Betreuung hier zu gewährleisten“, erzählt das Havelberger Stadtoberhaupt. Ob Gesundheitszentrum oder ein erweitertes Medizinisches Versorgungszentrum – auf welche Konstellation es am Ende hinausläuft, sei „völlig offen“, sagt Poloski.

Natürlich ist auch der Rathauschef nicht begeistert darüber, wie all das zustande gekommen ist. Dennoch lobt er die Klinikgruppe KMG dafür, dass sie die „Tür nicht geschlossen hat“. Im Gegenteil: Der Konzern sei ein „ganz wichtiger Partner“ bei den Verhandlungen über die Zukunft des Krankenhauses. „Sie ermöglichen es uns, einen anderen Träger zu finden. Das ist die Voraussetzung, es geht schließlich auch um die Immobilie“, sagt Poloski. Und doch ist KMG selbst natürlich noch im Spiel. Die Pläne, ein Seniorenheim aus der Einrichtung zu machen, existieren. Erste Umbauarbeiten gab es schon, aktuell ruhen sie wegen der Corona-Krise.

Außenansicht des KMG-Krankenhauses in der Hansestadt Havelberg
KMG ist seit 2002 Träger des Krankenhauses in Havelberg.Bildrechte: MDR/Luca Deutschländer

Aktuell kein einziges Bett im Krankenhaus belegt

Das Krankenhaus in Havelberg liegt im oberen Teil der Stadt. Die Lage ist wunderbar, der Dom und das Prignitzmuseum sind direkt nebenan. Rund um das Krankenhaus gibt es kleine Cafés. Abgesehen von der Frau, die mit einem grünen Mund-Nasen-Schutz in der Hand ins Innere des Krankenhauses geht, ist am Mittwochvormittag aber kaum etwas los. Die Cafés sind geschlossen, die Corona-Krise macht auch das nötig. Viele Besucher aus dem Krankenhaus hätten die Cafés aktuell vermutlich sowieso nicht. Von den 37 Betten der Klinik ist nämlich kein einziges belegt, teilt KMG-Sprecher Franz Christian Meier MDR SACHSEN-ANHALT mit. Die Auslastung liege „bei null Prozent“. Das sei so nicht gewollt, sagt Meier. „Es kommen aktuell schlicht keine Patientinnen und Patienten in das Krankenhaus.“

Daran sei KMG aber nicht ganz unschuldig, meint der Havelberger Landtagsabgeordnete Wulf Gallert. Der Linken-Politiker ist nicht gut auf die Klinikgruppe zu sprechen. „KMG hat dafür gesorgt, dass viele Patienten in andere Krankenhäuser fahren“, sagt Gallert. Eine existierende Intensivstation etwa sei nie in Betrieb gegangen. Der Konzern habe außerdem verhindert, dass sich das Haus in der Hansestadt entwickeln könne. Und natürlich kommt diese Debatte über eine Krankenhaus-Schließung zur Unzeit, mitten in der Corona-Krise. Zwar hatte das Sozialministerium schon betont, dass das Havelberger Haus nicht für die Behandlung schwerkranker Corona-Patienten ausgelegt sei. „Das zentrale Argument bei all diesen Einschränkungen im Moment ist ja immer, dass wir unser Gesundheitssystem nicht überlasten“, sagt Wulf Gallert. „Und dann beobachten wir auf der anderen Seite, wie ein privater Krankenhausbetreiber mitten in in dieser Situation entscheidet, einen Krankenhaus-Betrieb endgültig zu schließen.“

Wulf Gallert
Der Havelberger Landtagsabgeordnete Wulf Gallert schlägt vor, eine landeseigene Krankenhaus-Gesellschaft aufzuziehen.Bildrechte: DIE LINKE Sachsen-Anhalt

Doch die Fehler liegen auch in der Vergangenheit, sagt Gallert. Dass der Landkreis Stendal das Krankenhaus Anfang der 2000er an KMG als privaten Träger abgegeben hat, hält der Abgeordnete für einen Fehler. Weder Landkreis noch das Land Sachsen-Anhalt hätten damals nach Lösungen gesucht, das Krankenhaus in öffentlicher Hand zu lassen. „Das fällt uns jetzt auf die Füße.“

Wulf Gallert schlägt deshalb vor, das Haus mit anderen in öffentlicher Hand in eine landeseigene Krankenhaus-Gesellschaft zu führen. Unter dem Dach von Land, Landkreis, Kommune und der landeseigenen Salus gGmbH, die schon jetzt das Fachklinikum in Uchtspringe führt. „Öffentliche Daseinsvorsorge gehört in öffentliche Hand“, sagt Gallert – und plädiert dafür, landesweit eine solche Krankenhaus-Gesellschaft aufzuziehen. Ihm gehe es um eine Gesellschaft, die stark genug sei, Arbeitsteilung zu organisieren und Synergien zu schaffen, sagt Gallert.

Hohe Identifikation vieler Mitarbeiter mit dem Standort

Die Debatte um die Zukunft des Havelberger Krankenhauses ist nicht nur für die ganze Region von Bedeutung. Sie beschäftigt logischerweise auch die 53 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, von denen einige ihr gesamtes Berufsleben am Standort verbracht haben. Die Identifikation mit dem Haus ist hoch, vor allem beim Pflegepersonal. „Die Leute kämpfen nicht nur um ihren Arbeitsplatz, sondern auch für die Region“, sagt Wulf Gallert. „Das muss man wissen, um die Dramatik der Auseinandersetzung zu verstehen.“ Und auch viele Bürgerinnen und Bürger hoffen auf eine Zukunft des Hauses. Mehr als 10.000 von ihnen haben für den Erhalt des Krankenhauses unterschrieben. Er habe „Hochachtung“ vor dem Engagement der Bürger, sagt Bürgermeister Bernd Poloski.

Blick auf das Rathaus der Hansestadt Havelberg
Im Havelberger Rathaus werden sich aktuell viele Gedanken über die Zukunft des Krankenhauses gemacht.Bildrechte: MDR/Luca Deutschländer

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Poloski weiß auch deshalb, dass die Zeit drängt. „Wenn man ihnen keine andere Perspektive aufzeigt, werden die Beschäftigten sich andere Arbeit suchen.“ Das sei in Zeiten des Fachkräftemangels kein Problem. „Ich hoffe von ganzem Herzen, dass wir eine schnelle Regelung finden“, sagt Poloski. Bis 30. Juni soll alles geklärt sein, betont er. So lange will auch KMG den Krankenhausbetrieb aufrecht erhalten.

Was danach geschieht, ist aktuell komplett ungewiss.

Quelle: MDR vom 25.04.2020


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ulrike
ulrike
3 Jahre zuvor

Es interessiert nur noch Gewinn –
Ob die Menschen dann weiss Gott wie weit in eine Klinik haben ist diesen Rechenkünstler egal. Hoffentlich warten die mal Stunden auf einen Krankenwagen…….