Wahlkampfauftakt von Marine Le Pen: Start: Brachay – Ziel: Élysée

Von Stefan Simons, Paris

Frankreichs Front National: Rechte Party im Dorf-Idyll
AFP

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Marine Le Pen will 2017 Präsidentin werden, die Chance ist da. Weil sich die rechte FN-Chefin kompromisslos bodenständig gibt – und vor allem auf eines setzt: Marine Le Pen.

Brachay, eine Gemeinde im Departement Haute-Marne, ist ein stilles Dorf in den Hügeln am Rand von Elsass und Ardennen: Rathaus, Kirche mit Friedhof, Springbrunnen, drei Bauernhöfe, 57 Einwohner. Doch einmal im Jahr bricht im Ort die Hölle los, wird das Nest zur Kulisse von nationaler Bedeutung. Hier zelebriert Marine Le Pen seit vier Jahren den Auftakt zur politischen Herbstsaison und an diesem Wochenende den Start ihrer Präsidentschaftskampagne.

„An das ganze Volk will ich mich wenden. An das Frankreich derjenigen, die arbeiten und in Stille leiden, aber ihren Stolz behalten“, beginnt die FN-Chefin auf der Bühne im Dorfkern und legt noch ein wenig Pathos drauf: „Ich wende mich an das gesamte Volk, das Frankreich ohne Stimme, aber nicht ohne Mut, das Frankreich der Seele und des Herzens.“

So abgelegen der Ort – auf der politischen Landkarte Frankreichs nimmt Brachay eine Ausnahmestellung ein. Marine Le Pen erhielt hier bei der ersten Runde der Präsidentenwahl 2012 ihr bestes Ergebnis, satte 72 Prozent. Und bei den Europawahlen zwei Jahre später holte ihr Front National (FN) sogar über 84 Prozent. Konservative wie Sozialisten erhielten keine einzige Stimme. Seither feiern die Rechten das Örtchen als FN-Hochburg, als Symbol „des vergessenen, aber großherzigen Frankreichs“.

Acht Monate vor dem Kampf um den Einzug in den Élysée ist die FN-Chefin erneut zurück in Brachay. Auf der Bühne steht sie, umjubelt und umgeben von FN-Bürgermeistern, ausgewiesen durch die Schärpe in Blau-Weiß-Rot. Im Hintergrund Slogan und Thema der Kampagne: „Das stille Frankreich“.

Es ist ein gewollter Kontrast zum Wettkampf der Eitelkeiten bei den Vorwahlen der Konservativen. Während zu gleicher Stunde im Seebad La Baule die verfeindeten Kandidaten der Republikaner um die Gunst ihrer Parteibasis buhlen, gibt es in Brachay nur einen gefeierten, unangefochtenen Star: die FN-Chefin, die sich zum ersten Mal in der Geschichte der rechtsextremen Formation für 2017 Chancen ausrechnet auf ein – diesmal auch landesweites – Rekordergebnis.


Nach einer selbst verordneten medialen Sommerpause hat sich die FN-Chefin erst mit einem außenpolitischen Auftritt bei CNN zurückgemeldet, einer rüden Attacke auf US-Kandidatin Hillary Clinton und Lobpreisungen für Donald Trump. In Brachay steht hingegen Innenpolitik auf der Agenda: Islamismus und Immigration, Misere der Landwirtschaft, Verfall des Mittelstandes, grassierende Arbeitslosigkeit.

„Wider ein Diktat aus Brüssel oder Berlin“

Natürlich fehlt nicht der Hinweis auf die Attentate oder den Burkinistreit, Marine Le Pen arbeitet sich an allen Aufregerthemen des FN ab. In schrillen Tönen wettert sie gegen den „ungezügelten Globalismus“, die „Vorherrschaft der Multis“ oder das „Diktat von Brüssel, Berlin oder Washington“. Ein Referendum nach dem Vorbild des Brexit fordert sie und das Ende der TTIP-Verhandlungen, damit auch Frankreich seine „wirtschaftliche Unabhängigkeit“ wiederfindet.

Soweit die Parolen.

Auf einen konkreteren Katalog der Vorschläge, ein Programm, verzichtet die FN-Chefin. Stattdessen setzt sie auf Personenwahlkampf. Ihre Strategie vermeidet die Positionierung im Koordinatensystem von rechts und links, die Webadresse ihrer Kampagne kommt sehr bewusst ohne Bezug zur Partei aus: marine2017.fr. Die rechte Populistin will als vertrauensvolle Führerfigur erscheinen, über dem hässlichen Grabenkrieg der etablierten Parteien, wählbar für alle Franzosen, die von der „herrschenden Politikerkaste“ zutiefst desillusioniert sind.

Deshalb als Leitmotiv die Abgrenzung von den „Kleinkrämern an der Spitze der Republik“, von den „diskreditierten Vertretern des Systems“, die nur auf den Machterhalt und „kurzfristigen Siege“ spekulieren und dabei „das Land in den Ruin geführt haben“. Die FN-Frau spricht von Visionen eines Frankreichs der „Ordnung und Autorität, der Patrioten, einer Nation, die den Weg zu Macht und Größe zurückfindet.“ Nicht weniger als ein Regimewechsel sei dazu nötig, „eine Revolution“.

Le Pen feiert sich selbst als Ausnahmeerscheinung

„Die Rolle der Politik besteht darin, die Nation in einem kollektiven Ziel zu vereinen“, erklärt die FN-Chefin als Version für ihre Präsidentschaftskampagne 2017 und spricht von Schicksal, Souveränität, Größe, von Autorität, Ordnung, Rechtsstaatlichkeit. „Von unserem Engagement und unserem Sieg wird die Zukunft Frankreichs abhängen, vielleicht gar die Freiheit jedes Einzelnen“, orakelt Marine Le Pen.

Nach einem Seitenhieb gegen Nicolas Sarkozy als „Freund der Saudis“ empfiehlt sich Le Pen selbst als unabhängig: „Ich bin eine Ausnahmeerscheinung dieser Wahlkampagne, frei vom fremden Mächten, vom Einfluss des Kapitals, der Banken, der Medien“, betont sie. „Ich stehe für meine eigene Vision. Meiner Meinung nach hat der Staatschef nur einen Kurs auf dem Kompass – das Interesse aller Franzosen.“

Und natürlich ist Le Pen „bereit für das Volk“, sagt sie am Ende ihrer 45-minütigen Rede: „Ich glaube an den Aufbruch der Nation, die Dynamik des Volkes“ und verspricht, bevor ihre Worte im Beifall und der Marseillaise zu Ende gehen: „Ja, wir werden gewinnen.“



Zusammengefasst: Marine Le Pen will im kommenden Jahr französische Präsidentin werden – das könnte sogar klappen. Beim Auftakt ihrer Kampagne gab sie den Kurs vor. Stramme Abgrenzung zu „denen da oben“ und ihrem angeblich korrupten System, Fokus auf die Person Le Pen.

Quelle: Spiegel-online vom 04.09.2016

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Baufutzi
Baufutzi
7 Jahre zuvor

Le Pen war leider auch schon in Israel, genau wie Heinz Strache, Frauke Petry und und und….

Ulrike
Ulrike
7 Jahre zuvor

Oh je mir schwant übles dabei.