Geopolitik Putin setzt sich durch: USA akzeptieren Eingreifen Russlands in Syrien

Veröffentlicht: 17.09.15 00:28 Uhr

Die russische Initiative, in Syrien gemeinsam mit den Amerikanern gegen den IS zu kämpfen, findet nun doch die Zustimmung der USA. Die bezieht sich zunächst nur auf den militärischen Bereich. Doch auch die Tage von Syriens Präsident Assad könnten gezählt sein. Tragisch für alle Kriegsopfer und Vertriebenen: Die Russen hatten dem Westen bereits 2012 einen Plan für Syrien präsentiert. Er wurde jedoch von der Allianz in einer völlig Fehleinschätzung der Lage abgelehnt.

Die USA und Russland - hier die Außenminister Lawrow und Kerry - wollen nun doch in Syrien gemeinsam gegen den IS vorgehen. (Foto: dpa)

Die USA und Russland – hier die Außenminister Lawrow und Kerry – wollen nun doch in Syrien gemeinsam gegen den IS vorgehen. (Foto: dpa)
Der russische UN-Botschafter Vitali Tschurkin hatte bereits 2012 einen Plan für Syrien ohne Assad vorgelegt - der Westen lehnte damals ab. (Foto: dpa)

Der russische UN-Botschafter Vitali Tschurkin hatte bereits 2012 einen Plan für Syrien ohne Assad vorgelegt – der Westen lehnte damals ab. (Foto: dpa)
Vladimir Putin hätte Syriens Präsidenten Baschar al-Assad im Jahr 2012 fallengelassen. Doch der Westen lehnte ab. (Foto: dpa)


 

Russlands Präsident Wladimir Putin scheint sich in der Frage einer militärischen Intervention Russlands durchgesetzt zu haben: Die USA und Russland erwägen nun ein gemeinsames militärisches Vorgehen gegen die Terrormiliz IS in Syrien. Im Gespräch seien Absprachen auf militärischer Ebene, sagte US-Außenminister John Kerry am Mittwoch beim Treffen mit seinem südafrikanischen Kollegen Maite Nkoana-Mashabane. Der Vorschlag kam nach Kerrys Angaben von russischer Seite.

Die Amerikaner mussten sich sicherlich überwinden, diesen Schritt zu gehen – schließlich hatten ihnen die Russen in Syrien zu Beginn der Krise die Schau gestohlen und verhindert, dass es zu einer breiten Militäraktion der Amerikaner gegen Präsident Baschar al-Assad kommt. Die Reputation der Russen stieg danach noch einmal deutlich, als unter Vermittlung Moskaus die syrischen Chemiewaffen vernichtet wurden.

Russland hatte bereits vor einigen Wochen damit begonnen, sowohl eine militärische als auch eine diplomatische Initiative in Syrien zu ergreifen.

Es war lange unklar, ob diese Initiative mit der US-Regierung abgesprochen gewesen ist. US-Präsident Barack Obama soll nach Informationen von Robert Parry von Consortiumsnews die Russen sogar ermuntert haben, sich militärisch zu beteiligen. Tatsächlich kann Russland, so Parry, den Amerikanern in Syrien entscheidend helfen, ihre nationalen Interessen durchzusetzen.

Die nunmehrige Aussage von Kerry bestätigt, was der russische UN-Botschafter Vitali Tschurkin dem US-Sender CBS sagte: Dass es nämlich weitreichende Absprachen zwischen den USA und Russland geben dürfte. Tschurkin sagte, dass die USA nicht mehr auf einem Sturz von Syriens Präsident Baschar al-Assad bestehen, sondern alle Kräfte auf den Kampf gegen den IS konzentrieren wollen. Die Russen ihrerseits haben seit längerem angedeutet, dass sie ihrerseits nicht auf dem Verbleib von Assad bestehen. Ironischerweise sind es ausgerechnet die Russen, die allerdings fordern, dass Assad nicht durch Druck von außen, sondern durch eine demokratische Wahl abgelöst werden soll. Passend dazu hat sich Assad selbst in mehreren Interviews in russischen Medien geäußert und gesagt, dass ein Präsident, wenn er abgewählt wird, sofort von der Bühne abtreten müsse.

Wie die militärische Kooperation zwischen den USA und Russland aussehen soll, ist noch völlig unklar. Die Russen verfolgen mit Sicherheit weitergehende Ziele. So berichtet die staatliche Nachrichtenagentur TASS, dass das russische Militär nicht ausschließen will, eine Luftwaffenbasis in Syrien zu errichten.

Die vermehrte Aktivität der Großmächte in Syrien könnte einerseits zu ungewollten Zwischenfällen zwischen den Großmächten führen. Zum anderen ist unklar, inwieweit von den immer neuen Waffenlieferungen auch radikale Gruppen an anderer Stelle profitieren: Israels Premier Benjamin Netanjahu hat angekündigt, nach Moskau zu reisen, um mit Russlands Präsident Wladimir Putin über die Lage zu sprechen. Das berichtet die Times of Israel. Israel hat sich aus Syrien bisher bewusst herausgehalten und fürchtet, dass neue Waffen in den Besitz der Hisbollah gelangen könnten, die unverändert eine erhebliche Bedrohung für den Norden Israels darstellt.

Für Tschurkin ist die Entwicklung in gewissen Weise eine persönliche Genugtuung: Russland hatte dem Westen bereits im Jahr 2012 angeboten, den syrischen Präsidenten Baschar al-Assad zum Rücktritt zu bewegen. Dies erklärt der ehemalige finnische Präsident und Friedensnobelpreisträger Martti Ahtisaari im Interview mit dem Guardian. Er war zu dieser Zeit in Hinterzimmergespräche involviert, die mit Vertretern der fünf ständigen Mitglieder des UN-Sicherheitsrats (USA, Russland, Frankreich, Großbritannien und China) stattfanden.

Am 22. Februar 2012 nahm Ahtisaari als Vermittler an einer solchen Gesprächsrunde teil. Dort habe er mit dem russischen Gesandten Vitali Tschurkin gesprochen, der ihm folgenden Drei-Punkte-Plan vorgeschlagen haben soll: „Erstens: Wir sollten der Opposition keine Waffen geben. Zweitens: Wir sollten sofort einen Dialog zwischen der Opposition und Assad einleiten. Drittens: Wir sollten einen eleganten Weg für Assad finden, um abzutreten.“ Es solle zu Friedensgesprächen zwischen Regierung und Opposition kommen und nach einer gewissen Zeit wäre Assad zurückgetreten, so der Vorschlag.

Ahtisaari hatte die Vertreter der USA, Großbritanniens und Frankreichs über den Vorschlag informiert. Doch der Westen sei so überzeugt gewesen, dass Assad sowieso nur noch wenige Wochen im Amt durchhalten würde, so Ahtisaari. Deshalb haben die westlichen Gesandten den Vorschlag ignoriert.

„Es war eine Gelegenheit, die 2012 verlorenen gegangen ist“, so Ahtisaari über das Angebot aus Moskau. Die vergebene Chance hatte für das Land verheerende Folgen: Tausende Tote und Millionen Vertriebene mussten seither den Preis für eine falsche Einschätzung der Lage durch den Westen bezahlen.

Quelle: Deutsche Wirtschafts Nachrichten vom 17.09.2015

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