Neue Entwicklungen in Berlin machen Kiew nervös: Bahnt sich in München eine neue Ostpolitik an?

Neue Entwicklungen in Berlin machen Kiew nervös: Bahnt sich in München eine neue Ostpolitik an?

Frank Walter Steinmaier besuchte am 7. Mai 2015 Erinnerungsorte im ehemaligen Stalingrad, darunter einen deutschen Soldatenfriedhof. Ein Kniefall ähnlich jenem Willy Brandts im Jahre 1970 in Warschau ist bis jetzt in Russland ausgeblieben. Zu Hochzeiten der Krise war dies jedoch ein großer Schritt.

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Am Mittwoch wurde in Minsk der Abzug schwerer Waffen von der Donbass-Frontlinie unter Obhut der OSZE vereinbart. Dieser Beschluss ist im Moment fast nicht realisierbar. Trotzdem ist es ein Signal, dass Kiews Strategie des Zündelns vorerst gescheitert ist.

Von Wladislaw Sankin

Zunächst lief alles wie gewohnt für Kiew. Poroschenko weilte bei der Kanzlerin, während sich die von ihm vorgeschickten Truppen Kämpfe mit den Antiregierungseinheiten lieferten. Das gab auch den passenden Propagandastoff für den hohen Besuch: gefallene ukrainische Soldaten. Poroschenko beschwerte sich über Russland, die deutsche Kanzlerin beschwor ihre Freundschaft. Es ging um Geld, Kredite, politische Unterstützung.

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Das alte Drehbuch wird rasch zur Makulatur

Im Stile einer theatralischen Inszenierung reiste der ukrainische Präsident vorzeitig nach Hause ab, wegen der angeblichen russischen Offensive. Zwei Tage später, am 2. Februar, las die neue US-amerikanische UNO-Botschafterin Nikki Haley bei der auf ukrainisches Gesuch hin einberufenen Sitzung des UN-Sicherheitsrates einen Text vor, der genauso gut von ihrer Vorgängerin, der notorisch russophoben Samantha Power stammen hätte können. Sie warf Russland „aggressives Verhalten“ vor. Mit ihren Aussagen überraschte die US-Botschafterin bei ihrem ersten Auftritt sogar die Tagesschau.

Kiew frohlockte. Doch schon bald darauf lief nicht mehr alles nach Plan. Niemand konnte Russland ein wie auch immer geartetes aggressives Verhalten nachweisen. Im Gegenteil: Die vermeintlich unabhängige OSZE wurde dabei entlarvt, wie sie Kiews Vorrücken mit schweren Waffen deckte. Es gab zudem wieder tote Zivilisten auf dem Gebiet der Aufständischen. Das offizielle Donezk beschuldigte Kiew und rief die Weltgemeinschaft dazu auf, dessen eigenes aggressives Vorgehen zu stoppen. Nikki Haley besuchte ihr Visavis Witaly Tschurkin zum Zwecke des Kennenlernens und lächelte mit ihm in die Kamera. Donald Trump sagte in einem Interview, er weiß nicht so genau, was in der Ukraine überhaupt passiert.

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Deutscher Botschafter enttäuscht Kiew, auch Medien ziehen nicht mit

Am 7. Februar kam es für die ukrainische Führung zu einer besonders unangenehmen Situation. Der deutsche Botschafter Ernst Reichel rief Kiew dazu auf, die in Minsk vereinbarten Wahlen in den abtrünnigen Gebieten durchzuführen, unabhängig davon, ob die ukrainische Fahne über den Stadtverwaltungen wehe oder nicht. Kiew reagierte mit harschen Tiraden gegen den Botschafter. Ein Abgeordneter, der seinerzeit als Augenzeuge das Odessa-Massaker begrüßte, beschmierte mit Spray das Mauerstück vor der deutschen Vertretung in Kiew.

Das aggressive Schnappen nach der Hand, die Berlin so lange unbeirrbar über seinen Schützling gehalten hatte, bewirkte eher das Gegenteil des gewünschten Effekts: Die deutsche Regierung ließ sich auf Kiews Kritik nicht ein. Berlin versuchte zwar zu beschwichtigen, es schimmerte jedoch durch, dass man über ein solches Verhalten aufseiten der Kiewer Freunde „not amused“ ist.

Am 8. Februar töteten Unbekannte den Volkshelden des Donezkers Widerstands, Michail „Giwi“ Tolstych und zwei seiner Begleiter bei einem grausamen Anschlag. Sein Körper war komplett zu Kohle durchgebrannt. Ganz im Stile von Untergrundterroristen bekannte sich die ukrainische Regierung in Person des Beraters des Innenministers, Soran Schkirjak, de facto zu der Tat und drohte den Chefs der beiden beiden selbsternannten Volksrepubliken, Sachartschenko und Plotnitski, mit weiteren Tötungen: „Ihr seid die nächsten“. Tage zuvor, am 4. Februar, war der Chef der Lugansker Volksmiliz getötet worden.

Die Westmedien bedachten den Terror mit verlegenem Schweigen. Egal, wie schlecht die so genannten Separatisten sonst in ihrer Berichterstattung davonkommen: Diese Meldung würde Kiew sicherlich keine neuen Freunde bescheren. Die ungezügelte Frechheit, der Zynismus und die Grausamkeit des post-maidanen Kiews werden langsam auch der einst zahlreichen und lautstarken Maidan-Fraktion unter den deutschen Journalisten suspekt. Die Süddeutsche Zeitung nannte zum ersten Mal die Dinge beim Namen: Kiew begann selbst die Eskalation.

Das deutsche Wahljahr kann die Ostpolitik umkrempeln

Das gleichzeitige Anflehen Donald Trumps vonseiten Poroschenkos und seiner Rivalin Julia Timoschenko brachte eher bescheidene Ergebnisse: Die neue US-Regierung beschränkt sich auf das Nötigste und sendet an alle Seiten des Konfliktes vorerst ernüchternde Signale aus.

Die größte Enttäuschung der letzten beiden Wochen für die Ukraine bleibt aber Deutschland. Offenbar beginnt auch die deutsche Stütze des postmaidanen Narrativs zunehmend zu wackeln. Der Personalwechsel an der deutschen Staatsspitze – die Erhebung von Frank-Walter-Steinmeier ins Amt des Bundespräsidenten und die Ernennung von Sigmar Gabriel zum Außenminister – sowie die mögliche Abwahl von Angela Merkel im bevorstehenden Herbst lassen Poroschenko und seiner Clique auf dem europäischen Parkett deutlich weniger Spielraum.

In der Tat: Es ist unwahrscheinlich, dass Frank-Walter Steinmeier sich als Bundespräsident mit der Rolle des Hochzeitsgenerals abfinden wird. Der ambitionierte Politiker wird ziemlich sicher vor allem mithilfe der Russland-Frage seiner Partei im Wahljahr helfen wollen, ihr bewährtes Profil durch die Ausgestaltung einer neuen Ostpolitik zu schärfen. Bislang blieben die Kompetenzen des Bundespräsidenten vielfach nicht ausgeschöpft und es ist durchaus zu vermuten, dass der SPD-Politiker Ambitionen hegt, seinem Amt mehr politisches Gewicht zu verleihen.

Quelle: Sputnik

Der Vorgänger Steinmeiers im Amt des Außenministers, Guido Westerwelle, badete in der Menge auf dem Maidan. Steinmeier saß unter den Kriegsveteranen in Wolgograd und lauschte einem deutsch-russischen Friedenskonzert. Sein Vorgänger im jetzigen Amt, Joachim Gauck, boykottierte Russland demonstrativ.

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Es gibt Anzeichen dafür, dass die Achse Steinmeier-Gabriel an einer Neufassung der Ostpolitik 2.0 feilen wird, also einer neuen Annäherung mit einem immer weiter nach Osten driftenden Russland. Damit würden sie Merkel deutlich machen, dass die SPD mit ihrer Russland- und Ukrainepolitik im Gegensatz zur Politik der letzten Jahre wieder in die Fußstapfen des Kult-Politikers Willy Brandt treten möchte.

Der mögliche neue Wandel durch Annäherung könnte an diejenigen Teile der deutschen Wählerschaft appellieren, die auch in der von den Pro-NATO-Medien künstlich aufgeheizten Atmosphäre der Russophobie bei Vernunft geblieben sind. Akzente dieser Art können dann den letzten Schleier vom neoimperialistischen Kurs der Union mit Merkel an der Spitze abnehmen.

Die Anzeichen für diesen Wandel erkannte kein Geringerer als der ukrainischer Botschafter in Deutschland, Andrej Melnik. So sagte dieser in einem Interview, das am 14. Februar erschien:

Es ist kein Geheimnis, dass ausgerechnet Merkel derjenige Anker in stürmischen europäischen Gewässern war, ist und sein wird, der das ukrainische Schiff am sichersten hält.

Die künftige deutsche Ukraine-Politik sah auch er in den Schatten des Wahlkampfes und der Profilierung aufseiten der Großparteien – und in die Suche nach einer neuen, anderen Russland-Politik gestellt.

Die Kiewer Zuckungen

Das ist aber auch das Spezifische am ukrainischen Diskurs der so genannten Unabhängigkeit: Wie schon so oft in der Geschichte geschehen, versuchen die ukrainische Eliten auch in heutiger Krise, an dasjenige Imperium anzudocken, das ihnen in diesem Moment als das Stärkste erscheint. Das westliche transatlantische Imperium, das aus einem Militärblock und tausenden supranationalen Bündnissen besteht, haben bis vor Kurzem noch Angela Merkel und Barack Obama verkörpert. Davon ist vorerst nur noch Merkel geblieben. Wie lange wird sie noch im Amt sein?

Die neuen Töne aus Berlin, mangelnder Enthusiasmus aufseiten der USA, die Abwehrbereitschaft der Streitkräfte der Volksmilizen von Donezk, die sich nicht provozieren lassen, verunsichern Kiew. Gleichzeitig wird seine Politik, die ohnehin irrational genug ist, dazu auch noch immer widersprüchlicher. So blockiert Kiew mit einer Hand die Einfuhr der wertvollen Anthrazit-Kohle aus dem Donbass. Mit der anderen Hand warnt das Land vor einem baldigen Energie-Kollaps.

Um einem solchen gegenzusteuern, rief Kiew am Mittwoch zum wiederholten Mal den Ausnahmezustand aus. Sogar die Ausrufung des Kriegszustandes wurde dabei angedroht. Das wäre für die Kiewer Quasi-Diktatur praktisch: Jede Repressalie sowohl im Landesinneren als auch an der Frontlinie könnte man mit den Nöten der Landesverteidigung noch besser als bisher rechtfertigen.

Der Sondervertreter der OSZE in der Ukraine, Martin Saidik, antwortet auf die Fragen der Journalisten in Minsk nach einem der Treffen der Kontaktgruppe; 7. Juli 2015.

Was aber tatsächlich geschah: Bis zum 20. Februar sollen die schweren Waffen wieder in die von Minsk II vorgesehene Zone abgezogen werden. Das entschied am Mittwochabend die Kontaktgruppe der Konfliktparteien in der weißrussischen Hauptstadt unter dem Vorsitz der OSZE, wie der Sondervertreter der internationalen Organisation, Martin Saidik, verkündete. Immerhin ist dies einmal mehr eine Chance, um der Kiewer Auslegung der Minsker Vereinbarungen einen Riegel vorzuschieben.

Gelingt ein München 2.0?

In zwei Tagen wird am Rande der Münchner Sicherheitskonferenz zudem auch das so genannte Normandie-Format in Gestalt der Außenminister der daran beteiligten Ländern tagen. Gastgeber ist diesmal der SPD-Mann Sigmar Gabriel. Bis jetzt hat sich seine Partei als eher moderate Kraft hervorgetan, die zumindest in der Lage war, die Tricksereien vonseiten Kiews zu erkennen. Diese nannte der Russlandbeauftragte der Bundesregierung, Gernot Erler, diplomatisch „Schwierigkeiten“.

Vor zehn Jahren war München der Ort, an dem der russische Präsident Wladimir Putin klare Warnsignale an die Westeliten sandte: Sie können nicht mehr nach ihrem Gutdünken über die Welt herrschen. Für den neuen deutschen Außenminister bietet sich in München 2017 die einmalige Chance, wenigstens der Verlogenheit der deutschen Ostpolitik der Merkel-Jahre ein Ende zu setzen. Damit könnte er zumindest auch den ersten Stein im verfestigten Lügengebilde um den Ukraine-Konflikt abräumen: Die Dinge beim Namen zu nennen, wäre jedenfalls schon einmal ein erster Schritt. Manchmal reicht auch eine scheinbar kleine Geste, um etwas Großes in Bewegung zu setzen.

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Ulrike
Ulrike
7 Jahre zuvor

Die Kanzlerin beschwor die Freundschaft mit Ukraine. Man kann nur noch kotzen.
Da stecken doch ganz andere Gründe dahinter.