Finanzsystem Economist zum Aufstieg des Yuan: Kommt das chinesische Jahrhundert?

Veröffentlicht: 10.08.15 23:50 Uhr

China baut die eigene Währung als ernstzunehmende Alternative zum Dollar auf. Das weltweite Yuan-Handelsnetzwerk entsteht unter Ausschluss der USA. Nun müsse China Institutionen nach US-Vorbild schaffen, um das Vertrauen der Investoren zu stärken, so der Economist. Mit dem Aufbau eines eigenes Zahlungssystems und einer asiatischen Entwicklungsbank sind die ersten Schritte getan.

Bedrohung für das Währungsmonopol: China macht ernst und positioniert den Yuan als mögliche Weltwährung gegen den Dollar. (Foto: dpa)

Bedrohung für das Währungsmonopol: China macht ernst und positioniert den Yuan als mögliche Weltwährung gegen den Dollar. (Foto: dpa)

Vor sechs Jahren begann Chinas Regierung mit der Internationalisierung des Yuan. Seitdem vollzog die chinesische Währung einen steilen Aufstieg. Der weltweite grenzüberschreitende Handel in Yuan stieg von 0 Prozent im Jahr 2009 auf 22 Prozent im Jahr 2014. Inzwischen gehört der Yuan zu den Top-5-Währungen der Welt, hinter Dollar, Euro, Pfund und Yen. Zentralbanken aus 50 Staaten haben bereits in den Yuan investiert und der Internationale Währungsfonds (IWF) erwägt die Vergabe des Reservestatus an die chinesische Währung. Dennoch hat der Yuan noch einen weiten Weg vor sich, wenn er die Dollar-Hegemonie brechen will. Während ausländische Investoren nur rund 200 Milliarden Dollar in chinesische Aktien investiert haben, halten sie etwa 16 Billionen Dollar an US-Wertpapieren.

Die Zentralbanken der Welt halten etwa 60 Prozent ihrer Währungsreserven in Dollar. Diese starke Nachfrage erlaubt es den USA, Anleihen zu höheren Preisen zu begeben und Geld zu günstigeren Konditionen zu leihen. Dies habe dazu geführt, dass Zinsen auf zehnjährige US-Staatsanleihen um die Jahrtausendwende herum rund einen Prozentpunkt unter Marktniveau lagen, schreibt der Economist unter Bezug auf wissenschaftliche Untersuchungen. Eine Studie des McKinsey Global Institute kam zu dem Schluss, dass dieser Vorteil der US-Regierung jährlich bis zu 100 Milliarden Dollar einbringt. Der Nachteil dabei sei, dass US-Exporteure unter dem starken Dollar zu leiden haben, was die US-Wirtschaft im Jahr bis zu 60 Milliarden Dollar koste. Im Endeffekt führe der Dollar-Status also zu einem Gewinn von 0,3 bis 0,5 Prozentpunkten des BIP. Sollte der Yuan seinen weltweiten Aufstieg fortsetzen, würden sich diese Einnahmen deutlich verringern.

Wann könnte der Yuan den Dollar als Reservewährung ablösen? In China sind viele Experten der Ansicht, es sei nur eine Frage der Zeit. Der Economist zitiert eine Reihe chinesische Fachleute, darunter Chen Yulu, Ökonom und Präsident der chinesischen Volksuniversität in Peking. Er hält einen Aufstieg des Yuan innerhalb der nächsten 15 Jahre für möglich. Wei Jianguo, Vize-Handelsminister Chinas, ist der Ansicht, dass sich ein solcher Übergang in den nächsten 20 Jahren vollziehen wird. Der Gouverneur der chinesischen Zentralbank, Zhou Xiaochuan, denkt dagegen, dass die Internationalisierung der chinesischen Währung ein langwieriger Prozess werde. Das Tempo werde dabei entscheidend von den internationalen Finanzmärkten bestimmt.

Um zu verstehen, wie ein Wechsel der Weltreservewährung abläuft, untersuchen Ökonomen den letzten Übergang vom englischen Pfund zum US-Dollar. Damals löste eine aufstrebende Wirtschaftsnation eine im Niedergang befindliche ab. Doch der Kontext war damals ein anderer, denn beide Währungen waren noch an den Goldpreis gebunden. Dadurch verringerte sich das Risiko für Investoren von einer in die andere Währung umzuschichten. Dagegen leitet sich der Wert heutiger Währungen von Angebot und Nachfrage ab und schwankt daher stärker. Zudem waren die USA und Großbritannien schon damals enge Verbündete mit ähnlichen Staats- und Wertesystemen. Dagegen ist China sowohl wirtschaftlich als auch politisch sehr verschieden vom US-System und wird in den USA als direkter Konkurrent wahrgenommen.

In den letzten Jahren mussten die USA mitansehen, wie China ein Netzwerk des Yuan-Handels rund um die Welt aufbaute. Russland und China rechnen ihren Handel mit Rohstoffen verstärkt in Yuan ab. China etablierte sich auch als Kreditgeber in Krisenzeiten, indem es Abkommen für direkte Währungs-Swaps ohne Einbeziehung des Dollars schloss, etwa mit Russland oder Argentinien. Darüber hinaus erzielte die chinesische Regierung zahlreiche Abkommen zum bilateralen Handel in nationalen Währungen, etwa mit Kanada und zuletzt mit der Türkei. Und auf Chinas Bestreben hin wurde der Handel mit Yuan an westliche Börsen erleichtert – darunter Frankfurt, London und Singapur. Auffällig dabei sei, so der Economist, dass nur die New Yorker Wall Street auf dieser Liste der wichtigsten Handelsplätze fehle.

Ein Vorgeschmack auf künftige Spannungen zwischen China und den USA erhielt die Öffentlichkeit zuletzt bei der Gründung der „Asian Infrastructure Investment Bank“ (AIIB). Die USA versuchten ihre Verbündeten davon zu überzeugen, der auf Chinas Initiative hin gegründeten Entwicklungsbank nicht beizutreten, da sie darin eine Konkurrenz zur in Washington ansässigen Weltbank sehen. Doch die US-Verbündeten Deutschland, Großbritannien, Frankreich und Italien verweigerten ihre Gefolgschaft und wurden Gründungsmitglieder der asiatischen Entwicklungsbank. Zugleich treibt die US-Regierung den Abschluss des Handelsabkommens mit pazifischen Staaten (TPP) unter Ausschluss Chinas voran.

Die USA stehen dem Aufstieg des Yuan aus gutem Grunde kritisch gegenüber, denn die Dollar-Hegemonie ist einer der Eckpfeiler ihrer Vormachtstellung. Rund 45 Prozent des grenzüberschreitenden Handels wird in Dollar abgerechnet. Internationale Konzerne sind deshalb auf Zugang zum US-Finanzsystem angewiesen, um ihre Geschäfte im Ausland abzuwickeln. Gleichzeitig erlaubt dies den USA mittels Sanktionen effektiv Druck auf andere Staaten auszuüben. Als sie 2013 Sanktionen gegen Nordkoreas größte Devisenbank verhängten, brach die chinesische Zentralbank alle Geschäftsbeziehungen dorthin ab. Ein Jahr zuvor, auf dem Höhepunkt der Iran-Sanktionen, musste China widerwillig seine Öl-Importe aus dem Iran kürzen.

Dies ist einer der Gründe für Chinas Ankündigung, mit dem China International Payment System (CIPS) sein eigenes internationales Zahlungssystem aufzusetzen. Dadurch entsteht die erste wirkliche Alternative zur Society for Worldwide Interbank Financial Telecommunication (SWIFT), die von den USA immer wieder eingesetzt wird, um politischen Druck auf andere Staaten auszuüben. Der Economist sieht in Chinas Ankündigung die Gefahr, das die USA die Kontrolle über die globalen Zahlungsströme verlieren. Zudem würde es das politische Drohpotenzial des Dollar schwächen, wenn Staaten im Ernstfall auf das chinesische Zahlungssystem umsteigen könnten. Und schließlich würde es China ein Machtinstrument an die Hand geben, um seinerseits Druck auf andere Staaten auszuüben, in dem ihre Banken vom Zahlungsystem abgeschnitten werden.

Doch um den Yuan als Weltreservewährung zu etablieren, hat China noch einige Reformen vor sich, meint Eswar Prasad, Professor für Ökonomie an der Cornell Universität und leitender Wissenschaftler der Brookings Institution. Er sieht die Stärke des Dollar in den US-Institutionen, die ihn stützen: Ausgereifte Finanzmärkte, ein robustes Rechtssystem und einen transparenten politischen Prozess. Das Vertrauen der Investoren in diese Institutionen mache den Dollar zum sicheren Hafen in Krisenzeiten. Dagegen müsse China den Yuan erst frei konvertierbar machen, nicht weiter in den Wechselkurs eingreifen und effiziente Anleihemärkte aufbauen. Das aktuelle massive Eingreifen der Regierung in den Aktienmarkt zeige wie weit China davon entfernt sei, ein ausgereiftes Finanzsystem zu schaffen, zitiert der Economist Prasad.

Zudem müsste Chinas Rechtssystem reformiert werden, so dass Richter auch gegen die Interessen der kommunistischen Partei urteilen dürften. Und schließlich müsse China dafür sorgen, dass die Wirtschaft weiter wachse, denn eine Stagnation würde die Ambitionen des Yuan als Reservewährung untergraben. Der IWF hat seine Entscheidung, die chinesische Währung in seinen Währungskorb aufnehmen, zunächst auf September 2016 verschoben, wie Bloomberg berichtet. Während Frankreich sich für eine Aufnahme eingesetzt habe, beharrten die USA zuvor auf einem freien Wechselkurs des Yuan. Zwar wurde noch keine entgültige Entscheidung gefällt, doch die Aufnahme des Yuan stehe wohl kurz bevor, zitiert Bloomberg aus dem IWF-Bericht.

Quelle: Deutsche Wirtschafts Nachrichten vom 10.08.2015

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