Flüchtlings-Misere: Verzweifelter Hilferuf eines Polizisten

München – Die Gewerkschaft der Polizei in Bayern hat den Hilferuf eines Beamten zum „Flüchtlings-Chaos“ veröffentlicht: Er schreibt darin über die Dinge, die „sich niemand zu schildern traut“.

Dass die Flüchtlingssituation eine Riesen-Belastung für die Polizei in Bayern und natürlich auch bundesweit ist, hat sich in den vergangenen Wochen immer wieder gezeigt.

Allein am Bahnhof in Rosenheim

ist die Massenabfertigung kaum zu bewältigen, klagte die Polizei vor kurzem. Züge müssten teils unkontrolliert nach München weitergeschickt werden.

Wie brisant die Lage ist, zeigt das Schreiben eines Polizisten, der sich über die anscheinend unfassbaren Zustände äußert. Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) in Bayern stellt sich hinter den Beamten und veröffentlicht sein Schreiben als offenen Brief, der sich im speziellen auch an die bayerische Staatsregierung und den Innenminister richtet.
Hier der Brief der Polizei zur Flüchtlings-Situation in Bayern im Wortlaut:

„Jetzt kennen wir also den Plan B der Bayerischen Staatsregierung zur Bewältigung des Asylantenstromes in Bayern. Die Pensionisten ab Ruhestand 01.01.2012 werden um stundenweise Mithilfe in der EDV-Erfassung der Erstaufnahme von Asylanten gebeten. Die Tätigkeit soll gem. Tarifvertrag der Länder (TV-L) Entgeltgruppe 5 für EDV-Erfassungsbeschäftigte abgegolten werden. Gibt es niemanden, der sich die derzeitige Situation zu schildern traut? Ja selbstverständlich ist der unglaubliche Berg von Verwaltungsaufgaben abzuarbeiten – aber was geschieht denn mit den sonstigen Aufgaben im täglichen „Frontgeschehen“? Reden wir über Wahrheiten, die man so nicht mediengerecht „verkaufen“ will.

– Eine völlig überforderte Bundespolizei muss nächtlich und täglich ihre Aufgaben zur Erfassung von Asylanten, Festnahme von Schleusern, vorläufige Unterbringung von Asylanten, Transport von Asylanten und Transport von Festgenommenen wegen Überlastung an die Bayerische Landespolizei übergeben

– Die A 8 (Oberbayern), die A 3 (Niederbayern), sind die Einfallstore der Flüchtlingsströme auf der Balkan-Route. Zwischen der Türkei bis nach Österreich befinden sich derzeit nach ehrlichen Schätzungen 300 000 Asylsuchende. Tendenz steigend!

– Die nahende kalte Jahreszeit erhöht den Druck. Die Flüchtlingsverbände korrigieren bereits jetzt ihre Zahlen für 2016 in neue Rekordhöhen, inzwischen rechnet selbst der Bundesinnenminister mit bis zu 750.000 Flüchtlingen in diesem Jahr

– Plätze für die festgenommenen Schleuser in den Bayerischen Justizvollzugsanstalten fehlen, die Haftanstalten sind überfüllt.

– Polizeiliche Anzeigen müssen unter Mithilfe abgeordneter Polzisten/innen aus unbe-troffenen Dienststellen im 24-Stunden-Takt abgearbeitet werden

– Transporte von Festgenommenen müssen unter Mithilfe aller Polizeidienststellen organisiert und im 24-Stunden-Takt durchgeführt werden.

– Transporte von Asylsuchenden, insbesondere Familien mit Kindern, sind im Dauerbetrieb durchzuführen. Hitze, Enge, Krankheit, Verletzungen müssen einfach ertragen werden

– Die sonstige Kriminalitätsbekämpfung auf den betroffenen Autobahnen kommt fast komplett zum Erliegen

– Die jeweilige Anzahl von Flüchtlingen bzw. Asylsuchenden gibt den Dienst- und Arbeits-ablauf vor. Für sonstige polizeiliche Aufgaben bleibt nur wenig oder gar kein Platz übrig

– Motivierte Polizisten/innen werden in der Mühle von „Abarbeitungsstraßen“ zur Erstaufnahme von Asylanten als Fließbandarbeiter oft verschlissen. Leid, Elend, Wut, Ärger, Erschöpfung, alle diese Erlebnisse sollten auch irgendwann verarbeitet werden – nur wann?

Für G 7 wurden über drei Jahre lang stabsmäßige Plan- und Vorbereitungsarbeiten gemacht und bei einer erkennbaren Flüchtlingsproblematik bricht das Chaos aus? Es kann nicht genügen sich gegenseitig auf die Schulter zu klopfen und zu erklären, wir packen das schon. Stellen Sie endlich mit einem nachvollziehbaren Konzept ihre Lösungen in personel-ler, organisatorischer und kooperativer Hinsicht dar. Für die Beschäftigten der Polizei, die hier im Zustrom der Flüchtlingswelle untergehen, sind diese Umstände untragbar. Wir können die ständige Überforderung nicht mehr hinnehmen und brauchen Unterstützung. Diese Flüchtlingswelle ist nur im Zusammenwirken aller staatlichen Behörden zu bearbeiten. Schöne Worte wie beim Besuch des Bundesinnenministers helfen da nicht weiter.“

(Der Name des Verfassers ist der GdP bekannt.)

Die Gewerkschaft der Polizei in Bayern stellt klar, dass sie diesen „Hilferuf“ in der Hoffung veröffentlicht, dass der Freistaat Bayern reagiert. Man würde keine stundenweise mithelfenden Pensionäre benötigen, sondern fest angestellte Vollzeitkräfte, die hier die üblichen Erfassungsarbeiten – die auch keine originäre Polizeiaufgabe seien – für das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) durchführen und eigene Tarifbeschäftigte, die die Abarbeitung der polizeilichen Aufgaben (insbesondere Strafanzeigen i. V. m. unerlaubter Einreise und Schleusungen) unterstützen.

kg

Quelle: Münchner Merkur vom 24.08.2015

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