Die EU-Krise und der Untergang der Römischen Republik – Verblüffende Parallelen

Kopp Verlag


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Die EU-Krise und der Untergang der Römischen Republik – Verblüffende Parallelen

© AFP 2016/ Alberto Pizzoli

Die EU steht laut dem Historiker David Engels vor einem ähnlichen Systemwechsel wie einst die späte Römische Republik. Sein Buch „Auf dem Weg ins Imperium“ trägt den Untertitel: „Die Krise der Europäischen Union und der Untergang der Römischen Republik.“ Hier geht der Professor an der Freien Universität Brüssel auf historische Parallelen ein.


Herr Engels, lassen Sie mich mit einem Zitat von Heinrich Heine beginnen: „Rom wollte immer herrschen, und als seine Legionen fielen, sandte es Dogmen in die Provinzen.“ Hat sich die EU auch wie eine Glucke über Europa ausgebreitet und drübergestülpt?

Da gibt es durchaus Analogien. Sicherlich bietet der Selbstanspruch der Europäischen Union, nicht etwa eine spezifische kulturelle Identität zu verteidigen, sondern vielmehr eine ideologische Weltanschauung zu vertreten, ein Parallele zur späten Römischen Republik, die ja auch von sich behauptete, die Werte der Zivilisation, der Freiheit, der Rechte usw. zu repräsentieren.

Bevor wir zu den Werten kommen, mit welchen praktischen Problemen hat damals wie heute so ein künstliches Staatengebilde zu kämpfen?

Es ist schon erstaunlich zu sehen, dass es schon im 1. Jahrhundert vor Christus eine Fülle ähnlicher Probleme wie heute gab, zum Beispiel die hohe Arbeitslosigkeit, die Globalisierung (damals als Romanisierung), der Verfall traditioneller Werte, der immer mehr um sich greifende Materialismus, große Probleme mit der Immigration nach Rom und in die sonstigen Großstädte, asymmetrische Kriege, Politikfrust, Technokratie, Populismus, Wirtschaftskriege… also eigentlich alles Dinge, sich auch in Europa in den letzten Jahrzehnten entwickelt haben.

Die EU bemüht sich, ähnlich wie damals die Römische Republik, um Identität, um eine Einheit seiner Teile. Gab es DEN Römer und gibt es DEN Europäer? Wie schafft man Identität über Ländergrenzen hinweg?

Das ist natürlich die wichtigste Frage unserer Zeit, auch in meinem Buch. Ich würde sagen, die EU befindet sich in einer selbstverursachten Zwickmühle, was die Identitätsfrage betrifft. Es besteht durchaus ganz klar eine gemeinsame europäische Identität. Diese basiert auf gemeinsamen historischen Wurzeln und Werten wie Religion, Sprache, Kunstgeschichte, Politikverständnis, also all den Dingen, die in den vergangenen tausend Jahren natürlich gewachsen sind. Man kann also durchaus von einer gemeinsamen kulturellen Identität von Lissabon bis Wladiwostok sprechen. Allerdings ist es nun so, dass die EU sich in ihrer Politik überhaupt nicht auf diese gemeinsamen kulturellen Werte beruft, sondern ausschließlich auf universalistische Werte wie Freiheit, Gleichheit, Menschenrechte. Diese Werte sind natürlich durchaus wichtig, aber darauf hat nun Europa keinen Alleinanspruch; dieselben humanistischen Werte findet man ja auch in Japan oder Südkorea.

Solche Werte sind zwar sicherlich sympathisch, aber sie erklären dem Deutschen noch nicht, warum er sich gerade mit einem Griechen oder Spanier  solidarisch zeigen sollte. Und im späten Rom war das genauso der Fall: Auch dort wurde es für den Bürger immer schwieriger, sich in einer zunehmend multikulturellen und auf hellenistisch geprägte Universalrechte sich berufenden Gesellschaft zu orientieren und sich mit ihr zu identifizieren.

Ihr Buch wurde bereits vor der Flüchtlingskrise veröffentlicht. Müssten Sie jetzt nach einem Jahr Flüchtlingskrise ein neues Kapitel schreiben oder bestätigt diese nur Ihre Theorien? 

Die Flüchtlingskrise und vor allem die Art und Weise, wie unsere Gesellschaft damit umgeht, bestätigt leider völlig die Analysen und Theorien, die ich in meinem Buch versucht habe klarzumachen. Ich denke, die Flüchtlingskrise ist letztlich weniger bedeutsam in Bezug auf den finanziellen oder demographischen Einfluss, den sie auf die einzelnen Länder hat; die wichtigste Erkenntnis scheint mir vielmehr die offensichtliche Unfähigkeit unserer politischen Eliten, auf eine demokratische Weise mit dieser Krise umzugehen. So gab es ja etwa keine Bürgerbefragungen, ob eine allgemeine Bereitschaft zu weiteren Aufnahmen von Flüchtlingen besteht. Das zeigt ganz stark das demokratische Manko unserer Staaten. Auch zeigt die Krise die Unfähigkeit der europäischen Staaten, sich abzusprechen und eine gemeinsame Linie zu entwickeln.

Und schließlich wird durch die Flüchtlingskrise — das haben die Brüsseler Attentate oder auch die Ereignisse der Kölner Silvesternacht gezeigt — das Problem der mangelnden Integration vieler Immigranten deutlich. Dieser Mangel liegt nicht so sehr in einem mangelnden Integrationswillen seitens der Flüchtlinge selbst begründet, als vielmehr darin, dass die Gesellschaft, in die die Immigranten sich einzuleben hätten, von innen zerfällt. Man hört auch hier wieder immer nur von der Bedeutung allgemeiner humanistischer Werte reden und kaum von der Notwendigkeit, sich an kulturelle europäische Werte anzupassen.

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Es gibt den Begriff der Festung Europa. Ist es den Menschen nicht am Ende am wichtigsten, innerhalb der behaglichen Festung zu sein, auch wenn der Burgherr vielleicht ein Tyrann ist?

Ja, das denke ich auch. Die Käuflichkeit, die gesellschaftliche Naivität und das allgemeine politische Desinteresse der europäischen Bürger sind in den letzten Jahrzehnten stark angestiegen. Auch da kann man wieder klare Analogien zur späten Römischen Republik sehen, wo die Bürger angesichts von Armut, Arbeitslosigkeit, Werteverfall und Bürgerkrieg durchaus bereit waren, selbst einen autoritären Staat zu akzeptieren, wenn dadurch nur das eigene Hab und Gut geschützt wurde. Damit erklären sich heutzutage wie damals dann auch wieder die Wahlerfolge populistischer Parteien.

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Gleichzeitig basiert der Mythos Festung Europa aber auch auf einer gewissen Scheinheiligkeit. Das zeigt sich ja nicht zuletzt bei den jetzigen Verhandlungen mit der Türkei, wo man einem Staat, den man nun weiß Gott nicht als demokratisch bezeichnen kann und der teilweise sogar den Islamischen Staat unterstützt, Milliarden in den Rachen wirft, damit er die Außengrenzen der Europäischen Union auf mehr oder weniger martialische Weise schützt, damit die europäischen Staaten selbst weiter den Mythos der offenen Grenzen und der Willkommenskultur pflegen können.

Wenn Martin Schulz oder Jean Claude Juncker Ihr Buch lesen würden, welche Lehren könnten oder sollten sie daraus ziehen?

Es ist schwierig, ja wohl sogar unmöglich, „Lehren“ aus der Geschichte zu ziehen. Aber ein wesentlicher Punkt ist sicher das mangelnde Bekenntnis zu europäischen kulturellen Werten, zur eigenen Geschichte, zur eigenen Identität und auch zum Recht der Europäer, europäische Interessen und Identität zu verteidigen und eben nicht zu einer Art Sekundärinstanz der Vereinten Nationen zu werden. Und das würde bei den Bürgern sicher auch zu einer größeren Zustimmung zur europäischen Einigung führen.

Ein anderer Punkt ist der Mangel an echter Demokratie, auch wenn das auf den ersten Blick paradox wirkt. Heute, wie auch vor 2000 Jahren in Rom, leidet unsere ganze Gesellschaft an der viel zu differenzierten Ausgestaltung unserer staatlichen Institutionen. Unsere Staaten haben sich dermaßen verkompliziert, dass es eigentlich unmöglich geworden ist, wichtige Probleme wie die Überalterung der Gesellschaft, Arbeitslosigkeit, Immigration, Globalisierung oder Desindustrialisierung in den Griff zu bekommen. Ein solches Unterfangen ginge nur durch eine gemeinsame, langfristig geplante Reform unserer gesamten Gesellschaft. Das wäre aber freilich mit den gegenwärtigen, sehr kurzfristig denkenden und sich meist gegenseitig blockierenden politischen Institutionen nur schwierig durchzuführen. So ist auch die Römische Republik letztendlich an der Komplexität ihrer Institutionen zugrunde gegangen, als es nach langen Jahrzehnten der politischen Dauerkrise zu wirtschaftlichem Niedergang und dann zu Bürgerkriegen kam — ein Teufelskreis, der dann nur noch durch die autoritäre Revolution unter Augustus beendet werden konnte. Und so fürchte ich von Monat zu Monat mehr, dass das auch die Zukunft ist, auf welche auch die europäischen Staaten langsam hinzusteuern.

Interview: Armin Siebert

Quelle: Sputnik vom 01.04.2016

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