Das sagt das Gesundheitsamt dazu – Arzt verweigert Asylbewerber Behandlung

Von Marcel Görmann

Rosenheim – Als eine Asylpatin für einen Nigerianer einen Termin beim Arzt ausmachen wollte, wurde dieser als Patient abgelehnt. Die Begründung macht die Frau fassungslos.

Eine ehrenamtliche Rosenheimer Asylpatin teilte unserer Redaktion mit, was sie in der Praxis von Dr. Gerd Wiechert am vergangenen Freitag erlebt hat: „Ich wollte einen Arzttermin für einen Flüchtling aus Nigeria vereinbaren, der genau auf der gegenüberliegenden Straßenseite der Praxis wohnt. Er hatte eine schmerzhafte Wucherung im Gesicht und wollte sich deshalb untersuchen lassen.“

Arzt: Patienten und Personal vor Ansteckungskrankheiten schützen

Der Rosenheimer Arzt hat die Behandlung aber abgelehnt. Die Begründung macht die Asylpatin (Name der Redaktion bekannt) fassungslos. Sie sei den Freitag über einfach nur noch „sauer und enttäuscht gewesen“.

Dr. Wiechert habe zu ihr gesagt: „Man weiß auch nicht, was die alles für Krankheiten mitbringen, vielleicht haben sie auch HIV oder Hepatitis und ich muss dahingehend schon meine Patienten, mein Personal und mich schützen. Wenn es ein Notfall ist, ist es in Ordnung, aber ansonsten bei mir bitte nicht.“

Auf Nachfrage von rosenheim24.de bestätigte der Mediziner, dass er den Patienten abgelehnt habe. Das sei sein Recht, da es sich nicht um einen Notfall gehandelt hat, was er vorher durch die Befragung der Asylpatin abgeklärt habe, und es eine freie Patientenwahl gibt. Von einer konkreten gesundheitlichen Beschwerde des Mannes will der Arzt von der Asylpatin nichts erfahren haben.

Bevor er den Asylbewerber untersuche, benötige er eine Erhebung über seine Vorerkrankungen (Anamnese). Eine solche Anamnese sei sehr zeitaufwändig und da viele Asylbewerber nur Englisch sprechen, könne er nicht die ganze Vorgeschichte erfragen. Dies müsse durch das Gesundheitsamt passieren, mitsamt Blutuntersuchungen wie auf HIV.

Genau dies geschieht jedoch schon im Zuge der Erstregistrierung als Asylbewerber. Der Nigerianer ist seit März in Deutschland und wurde bei seiner Ankunft untersucht, teilte uns die Asylpatin mit.

Zwar räumte der Mediziner ein, dass die möglichen Ansteckungsgefahren von HIV und Hepatitis mit hygienischen Schutzmaßnahmen wie Latex-Handschuhen vermeidbar sind, jedoch sieht er zuerst das Gesundheitsamt in der Pflicht – sowie den Patienten bzw. die Asylpatin. Er benötige eine Absicherung: „Ich brauche einen kompletten Erhebungsbogen, den mir die Asylpatin oder der Asylbewerber mitbringen muss.“

Anforderung auffälliger Befunde beim Gesundheitsamt ist tagtägliche Routine

Auf Nachfrage beim Gesundheitsamt Rosenheim scheint dieses Vorgehen von Dr. Gerd Wiechert jedoch sehr unüblich zu sein. Oliver Winter, Sprecher vom Landratsamt Rosenheim, erklärte: „Asylbewerber erhalten vom Ausländeramt einen Behandlungsschein. Das ist sozusagen ihr Nachweis für die Krankenversicherung.“ Dieser liege für den Nigerianer vor, bestätigte uns die Asylpatin.

„Sofern ein Asylbewerber dann mit dem Behandlungsschein zum Arzt geht, kann der Mediziner beim Gesundheitsamt die vorliegende Dokumentation auffälliger Befunde anfordern.“ Das sei die übliche Vorgehensweise. In diesem Dokumentationsbogen steht genau das drin, was der Rosenheimer Mediziner mit den Voruntersuchungen einforderte: HIV-Test, Probe auf Hepatitis B, das Ergebnis einer Stuhlprobe – eben ein Rundum-Check. „Mit diesem Dokumentationsbogen geht ein Asylbewerber nicht spazieren“, so Winter. Das wäre auch bei deutschen Patienten nicht üblich.

Vom Gesundheitsamt Rosenheim heißt es, dass bei diesem Vorgehen gar kein Unterschied zwischen Deutschen und Asylbewerbern bestehe. Es sei eine normale und tagtägliche Befundanforderung seitens des Arztes. Eine Datenauskunft, die erteilt werden kann, sofern der Patient den vorher behandelnden Arzt von der Schweigepflicht für diese konkrete Nachfrage entbindet.

Selbst wenn der Asylbewerber händisch Unterlagen mit Untersuchungsergebnissen mitbekommen hat, und vergisst diese zu einem Arzttermin mitzunehmen, wäre es für den Mediziner problemlos möglich, diese Befunde über das Gesundheitsamt auf diesem Weg zu recherchieren.

Dr. Gabius: Alle zugänglichen Unterlagen unbedingt mitnehmen

Dr. Sigrun Gabius, zweite Vorsitzende des Ärztlichen Kreisverbands Rosenheim, wirbt auf Anfrage von rosenheim24.de für Verständnis. Für einen Arzt sei es unermesslich, dass ihm alle Vorinformationen vorliegen. Das sei vielleicht das, was alle aus dieser Geschichte mitnehmen könnten, auch die deutschen Patienten: „Man erleichtert wirklich vieles für alle, wenn alle zugänglichen Unterlagen zu einem Arzttermin mitgenommen werden, auch wenn sie unwichtig erscheinen.“

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mg

Rubriklistenbild: © picture alliance / dpa
Quelle: rosenheim24.de vom 04.08.2015
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