Nahost Türkei und FSA rücken in Nordsyrien vor – Es drohen Zusammenstöße mit US-unterstützten Milizen

 

Bildquelle: Propagandabild der FSA-Hamza-Brigade während der Offensive auf al-Bab
Bildquelle: Propagandabild der FSA-Hamza-Brigade während der Offensive auf al-Bab

Die türkische Armee und FSA-Kämpfern haben eine Offensive auf Al-Bab gestartet. Dies ist die letzte Hochburg der Terrormiliz „Islamischer Staat“ in der nordsyrischen Provinz Aleppo. Rücken die Einheiten weiter vor, droht ein Showdown mit kurdischen Einheiten und damit enorme Spannungen mit den USA.

von Ali Özkök

Am Freitag um 6:30 Uhr startete die „Freie Syrische Armee“ (FSA) eine groß angelegte Operation, deren Ziel die Einnahme der Stadt al-Bab ist. Die Stadt gilt als letzter wichtiger Verbindungspunkt zur inoffiziellen IS-Hauptstadt Rakka in Nordsyrien. Dieses Video zeigt pro-türkische Rebellen der FSA-Hamza-Brigade, die mit Pick-Ups an die Front vorrücken:

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Ersten Informationen von RT Deutsch zufolge nahmen die Einheiten bis dato die Dörfer Berat und Dana westlich der Stadt al-Bab ein, die zuvor noch der IS kontrolliert hatte. Die halbstaatliche türkische Nachrichtenagentur Anadolu gab zudem bekannt, dass türkische Kampfflugzeuge 34 Stellungen der salafistischen Terrororganisation bombardierten. Laut einer amtlichen Mitteilung der türkischen Streitkräfte nahmen Jets sieben Gebäude und drei Kontrollpunkte ins Visier.

Türkische Spezialeinheiten nahmen inzwischen die wichtige Autobahnstrecke von al-Bab nach Manbidsch ein. Das könnte ein weiterer Hinweis darauf sein, dass Ankara seine Operationen nicht alleine auf al-Bab reduzieren möchte, sondern diese auch auf die Stadt Manbidsch ausweiten könnte.

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Manbidsch war im August des Jahres von YPG-Milizen eingenommen worden, die der kurdischen PKK nahestehen. Die Türkei stuft diese als terroristisch ein. Im Sommer des Jahres 2015 waren die bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen den türkischen Streitkräften und der PKK in Südost-Anatolien und im Nord-Irak nach zwei Jahren der Waffenruhe wieder aufgeflammt. In diesem Zusammenhang wird es für die USA problematisch, die sowohl mit der Türkei als auch mit der YPG verbündet sind. Washington unterstützt in diesem Teil des Landes die „Syrischen Demokratischen Kräfte“ (SDF), die sich größtenteils aus YPG-Einheiten zusammensetzen.

Der Präsident der nahöstlichen Denkfabrik Strategic Outlook, Yusuf Cinar, sprach mit RT Deutsch über die möglichen Auswirkungen einer erfolgreichen Al-Bab-Offensive für die gesamte US-geführte Anti-IS-Koalition:

Die Türkei hat eine rote Linien gezogen. Die YPG darf kein vereintes Kurdistan in Syrien gründen, lautet diese. Mit US-amerikanischer Hilfe drohte dieses Konstrukt allerdings lange Zeit real zu werden. Wenn also die Türkei al-Bab einnimmt, dann wird der YPG ein für alle Mal ein Riegel vorgeschoben.

Dies stelle jedoch das Verhältnis zwischen Ankara und Washington auf die Probe. Cinar erklärt dazu:

Die USA haben sich sehr vorsichtig verhalten. Normalerweise sind die USA und Türkei auch strategische Partner, aber in Sachen YPG sind beide Seiten unterschiedlicher Meinung. Meines Erachtens nach ist die YPG in Syrien sehr stark abhängig von den USA und möchte deren Unterstützung nicht verlieren. Die Türkei hat allerdings wieder einen guten Draht zu Moskau. Wenn die USA Ankara nicht verlieren wollen, werden sie den Türken Zugeständnisse in der Rakka-Offensive und hinsichtlich der Zukunft Syriens machen müssen. Das wird wiederum die Beziehungen zu der YPG verändern.

Der Analyst der Jamestown Foundation, Wladimir van Wilgenburg, der oft an der Front in Syrien und im Irak aufseiten kurdischer Milizen zu finden ist, zeigt sich bezüglich solcher Vermutungen über eine weitere türkische Expansion zurückhaltender. Er äußerte gegenüber RT Deutsch:

Ich bin mir nicht sicher, ob ein Vorrücken Ankara wirklich noch dienlich wäre. Es gibt keinen strategischen Mehrwert für die Türkei. Angesichts der Frontlage wäre es besser, wenn sich die Milizen in al-Bab eingraben und ihre Position absichern.

Über die Rolle, die Russland als Hauptunterstützer des syrischen Präsidenten Baschar al-Assad im Rahmen dieser Entwicklung gespielt haben könnte, sprach der Direktor für Geheimdienstfragen der israelischen Risikoberatungsgesellschaft Prime Source mit RT Deutsch. Michael Horowitz sagte:

Ich vermute, dass Russland als Mediator zwischen Damaskus und Ankara aufgetreten ist. Im Großen und Ganzen dürfte Russlands Rolle in dieser Angelegenheit begrenzt gewesen sein.

Er bemerkte, dass Ankara sehr entschieden vorgegangen ist:

Für die Türkei ist die Einnahme von al-Bab essenziell, um die Kurden daran zu hindern, ihre Gebiete im Nordwesten und Nordosten Syriens miteinander zu verbinden. Ankara würde hier nicht nachgeben, selbst wenn das Spannungen mit der syrischen Armee bedeuten würde.

Türkei unterstützt Befriedung Aleppos und Russland Bekämpfung des IS in al-Bab

Vergangene Woche konnte die Türkei erfolgreich zwischen russischen Beamten und Rebellen über einen Waffenstillstand und gewaltfreien Abzug rund um Aleppo vermitteln. Das brachte der Türkei Wertschätzung ein. Auch wollte die Türkei Washington bei diesen Verhandlungen nicht dabeihaben, wie es in Medienberichten hieß. Dieser Umstand nährt Vermutungen, dass Ankara auf diesem Weg „grünes Licht“ aus Moskau für eine Offensive auf al-Bab erhielt.

Der Gründer des sicherheitspolitischen Nachrichtenportals Conflict News, Gissur Simonarson, bestätigte gegenüber RT Deutsch, dass die russische Erlaubnis für Ankara bedeutsam war. Die türkische Armee sei auf eine wohlwollende Haltung Moskaus in Syrien angewiesen, da die russische Armee vor Ort eine überlegene Militärpräsenz aufweist und die türkischen Streitkräfte empfindlich treffen könnte. Auf die Frage, was das nächste Ziel der von der Türkei unterstützten Milizen in Nordsyrien sein könnte, sagte Simonarson:

Wir wissen nicht genau, was das Abkommen mit Russland besagt, aber es wird voraussichtlich so sein, dass es keine Auseinandersetzungen mit der syrischen Armee geben wird. Ich bin daher davon überzeugt, dass sie sich als nächstes auf Manbidsch fokussieren werden. Wir sehen gerade, dass sie ihre Offensive zeitgleich auch auf die Stadt ausrichten.

Das Online-Nachrichtenportal syrischer Rebellen, Qasioun, zitierte seinerseits am Freitag einen hochrangigen FSA-Kommandeur. Abdullah el-Nais informierte, dass die Truppen der Operation „Schutzschild des Euphrat“, die von der Türkei initiiert wurde, nicht mehr mit der US-geführten Anti-IS-Koalition kooperieren. Vielmehr sei man auf eine Konfrontation mit US-unterstützten Einheiten in Syrien eingestellt.

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Gerüchte, dass die pro-türkische FSA auf die jüngst von syrischen Regierungstruppen eroberte Stadt Aleppo vorrücken werden, hält der Sicherheitsexperte Simonarson für unrealistisch. RT Deutsch sagte er:

Aleppo ist verloren. Es gibt keinen Grund mehr für die Rebellen, auf die Stadt vorzurücken. Eine Belagerung zu Gunsten von Rebellen, denen ausgeholfen werden könnte, ist Vergangenheit. Das wahrscheinlichste Szenario ist, dass die FSA und türkische Einheiten auf Manbidsch vorstoßen.

Laut der regierungsnahen türkischen Tageszeitung Yeni Safak nehmen mindestens 2.000 Kämpfer an der Offensive auf al-Bab teil.

Der Sicherheitsanalyst, Universitätsdozent und Kolumnist des Online-Fachmagazins Al-Monitor, Metin Gürcan, offenbarte RT Deutsch einen genaueren Einblick in die türkische Militärpräsenz in Syrien. Diese lasse darauf schließen, dass Ankara mehr als nur eine Pufferzone in Syrien anstrebe. Er sagte:

Die Türkei unterhält in Syrien zwei Sondereinsatzgruppen in Bataillonsstärke. Eine davon ist ein Panzerbataillon und die andere ist ein motorisiertes Infanteriebataillon. Außerdem sind zwei Spezialeinheiten mit 12 Teams am Boden. Diese agieren als Verbindungsstelle für die Koordinierung zwischen FSA-Einheiten und der türkischen Luftwaffe. An der türkisch-syrischen Grenze stehen zwei Panzer- und motorisierte Infanterie-Brigaden und eine Kommandobrigade als Reserve. Sie dienen als schnelle Reaktionstruppe, falls in Syrien etwas schiefgeht.

Am Donnerstag wurde bekannt, dass Ankara eigens für al-Bab 300 Spezialeinheiten nach Syrien verlegte. Insgesamt 300 türkische Kommando-Sondereinsatzkräfte schließen sich der „Schutzschild Euphrat“-Operation in Nordsyrien gegen die Terrormiliz „Islamischer Staat“ an. Die Spezialeinheiten der 11. Kommando-Brigade aus der Provinz Denizli wurden vom Cardak-Militärflughafen an die syrische Grenze geflogen, sagte zudem eine Militärquelle, die unter der Bedingung der Anonymität mit der Nachrichtenagentur Anadolu sprach. Nach RT-Deutsch-Erkenntnissen dürften sich nunmehr zwischen 1.000 und 1.050 Angehörige türkischer Streitkräfte auf syrischem Boden aufhalten.

Meanwhile Turkish-backed groups claim they are ready to start the operation to capture al-Bab https://www.youtube.com/watch?v=xcxKtgI8bLk 

300 Turkish commandos have reportedly entered to help capture al-Bab according to Rudaw (pics via @A_Ozkok) pic.twitter.com/GmARDTHz59

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Gürcan glaubt, Ankara möchte die USA vor ein fait accompli in Syrien stellen, das Washington dazu zwingt, mit der Türkei zu kooperieren. Der Al-Monitor-Kolumnist meint dazu:

Die US-Regierung befindet sich in einer Übergangsphase. Der gewählte Präsident Trump übernimmt sein Amt erst am 20. Januar 2017. Alle Mechanismen zur Entscheidungsfindung in der US-Bürokratie sind quasi lahmgelegt. Das beeinflusst die Bewegung der USA in Syrien und ermöglicht der Türkei sowie Baschar al-Assad, ihre jeweiligen Positionen für spätere Verhandlungen mit der neuen US-Regierung zu zementieren.

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Ulrike
Ulrike
7 Jahre zuvor

USA ist und bleibt dort der Hauptkriegstreiber. Dachten sie können das Land genauso schnell übernehmen wie Libyen und Irak. Und immer wieder scheinheilige Friedensverhandlungen machen dabei kriegen die Rebellen die Waffen von USA.

Mit Gegenwehr hatten die halt nicht gerechnet.