»Hauptfeinde«: Deutschlands Wirtschaftselite rechnet mit den Journalisten ab

07.10.2015

Markus Mähler

Deutschlands Medienkritiker bekommen Verstärkung – ausgerechnet von der Wirtschaftselite im Land. Die Konzernbosse und Spitzenmanager gehen mit der Presse hart ins Gericht: Sie verfälscht, bringt zu viel Meinung, zu wenig Analysen und reißt alles aus dem Zusammenhang. Das würde jeder Teilnehmer auf einer PEGIDA-Demo sofort unterschreiben.

Deutschlands Wirtschaftselite ist wirklich schlecht auf die Journalisten zu sprechen. Eigentlich wollte die Politikwissenschaftlerin Stine Marg in der Studie Sprachlose Elite? Wie Unternehmer Politik und Gesellschaft sehen nur die Bosse im Land unter die Lupe nehmen. Wie sehen sie das Land, wie leben sie, was denken sie über die Politik, wie handeln sie? Medien waren ursprünglich gar nicht das Thema.

Marg führte 160 Interviews mit Spitzenmanagern, Vorständen, Familienunternehmern und Geschäftsführern. Je länger die Wissenschaftlerin mit ihnen sprach, desto klarer wurde ihr: Die Menschen auf den Chefsesseln sind wütend über die Medien.

Marg berichtet: »Die meisten Befragten« kamen »von sich aus auf deren mangelnde Qualitäten zu sprechen«.

Jetzt erscheint die Studie im Göttinger Institut für Demokratieforschung. Herausgeber ist Institutsgründer Franz Walter und finanziert wird sie übrigens vom Ölmulti BP. Die Studie kann also als Warnschuss gesehen werden. Die Wirtschaftselite legt sich mit den Meinungsmächtigen an.

Die »Hauptfeinde« der Wirtschaftselite sind die Medien

Die Studie bringt das Urteil der Wirtschaft über die Journalisten auf den Punkt – und zwar im knackigen Ton: »Kein Stichwort bringt sie – je höher im Management angesiedelt, umso stärker – mehr in Rage als eben das: Medien. Sofort verlieren sie Contenance und Zurückhaltung, setzen mit furiosen Episteln an: Medien pauschalieren, skandalisieren, betreiben Hetzjagden, zerstören Lebensleistungen, schlachten Menschen, schmeißen mit Dreck.«

Die Aussagen der Manager sind brisant und schonungslos, die Forscherin fasst sie so zusammen: Die Medien werden »für zahlreiche gesellschaftliche Fehlentwicklungen verantwortlich gemacht«. Viele äußerten außerdem »die Befürchtung, dass die Medien einen zu großen negativen Einfluss auf die Meinungsbildung der breiten Bevölkerung ausüben«.

Linke, Gewerkschaften, Sozialdemokraten – alles gar nicht mehr so schlimm

Das ist mehr als nur das Nachtreten einiger Topmanager, die seit der Finanzkrise 2008 durch das Mediendorf getrieben werden und nun die beleidigte Leberwurst spielen.

Inzwischen herrsche bei der gesamten deutschen Wirtschaftselite eine Anti-Stimmung: »Nicht Gewerkschaften, nicht sozialdemokratische Parteien, nicht einmal die Linke oder unerbittlich quengelnde NGOs sind die Hauptfeinde der Wirtschaftselite, sondern die Medien.«

Die Retourkutsche der Journalisten ließ übrigens nicht lange auf sich warten. Es wird genauso knackig zurückgefeuert. Franziska Augstein von der Süddeutschen Zeitung schweigt die Kritik an den Medien zwar tot, geht dafür aber umso genüsslicher auf alle Manager ein, die sich mit dieser Studie selber entzaubern würden:

»Deutsche Unternehmer sind nicht erleuchteter als der Rest der Gesellschaft. Wenn sie sich über Themen äußern, die mit ihrem eigenen Feld nichts zu tun haben, dann kann man von ihnen dieselben Stammtischmeinungen hören, die in jeder normalen Kneipe auch ausgesprochen werden.« Sie würden an einer »Ausdrucksnot« leiden, von ihnen höre man nur »Phrasen« – oft durchsetzt mit Anglizismen.

Die Schlammschlacht geht weiter: Das »Luxusauto bleibt in der Garage«

Stefan Berkholz schreibt in der Buchkritik des WDR: »Franz Walter und Stine Marg stellen fest, dass deutsche Unternehmer sich heutzutage politisch heimatlos fühlen und für ihre Geschäfte am liebsten eine ›gute Diktatur‹ hätten.« Amüsant wird es also, wenn sich jetzt zwei Parteien gegenseitig mit Dreck bewerfen, die beide keinen Beliebtheitspreis gewinnen.

Peter Marx spricht im Deutschlandradio von »Bossen«, die »Konfetti-Regen, Dankesreden und Denkmäler an jeder Dorfstraße« erwarten, aber nichts davon bekommen. Die »Clanchefs« seien sich mit der PEGIDA-Bewegung deshalb so einig, weil sie sich »nicht trauen, standesgemäß zu leben« – sonst landen sie am Pranger der Medien. Das »Luxusauto bleibt in der Garage, das Boot am Steg auf Mallorca und die Villa fällt zwei Nummern kleiner aus, als man es sich hätte leisten können«.

Unter dem Strich belegt diese Studie eine erstaunliche Entwicklung: Die Journalisten leben anscheinend immer mehr in der eigenen Blase. Die Bodenhaftung zum »Pack« und zu den »Dunkeldeutschen« haben sie bereits verloren und feiern das sogar. Jetzt schotten sie sich auch nach oben ab, meint die Wissenschaftlerin Marg: Die Meinungsmacht im Land verliert »die Informations- und Aufklärungsfunktion für diese gesellschaftliche Elite«.
Kredit für Selbständige
Quelle: Kopp-online vom 07.10.2015

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