Als der Henker zur Tat schritt – Die britische Besatzungsmacht in Hameln

Eine schwierige #Geschichte: Die #Hinrichtungen in #Hameln und der Umgang mit den Gräbern

Das Thema geht unter die Haut und erfordert mitunter starke Nerven. Der Hamelner Historiker Bernhard Gelderblom stellte im Hamelner Forum ein bislang kaum beachtetes, vielfach verdrängtes Kapitel der Hamelner Nachkriegsgeschichte vor. „Die Hinrichtungen im #Zuchthaus Hameln 1945-1949 und die Auseinandersetzungen um die Gräber der Hingerichteten 1975-1986“, so das Thema seines auf akribischem Quellenstudium beruhenden Vortrags.

veröffentlicht am 29.09.2018 um 14:10 Uhr

Im heute nicht mehr vorhandenen Westtrakt des Hamelner Zuchthauses wurden von Dezember 1945 bis Januar 1949 155 deutsche Kriegsverbrecher, aber auch ehemalige polnische und sowjetische Zwangsarbeiter, die Verstöße gegen das Besatzungsrecht begangen h
Autor Ernst August Wolf Reporter

Ein Thema, das seinerzeit „das Blut der Hamelner Bevölkerung zum Kochen gebracht“ habe, so Gelderblom, der die militärstrafrechtlichen Hintergründe der von der britischen Besatzungsmacht vollstreckten Todesurteile ebenso darstellte wie die Organisation und Durchführung der vom Henker Albert Pierrepoint durchgeführten Hinrichtungen. „Todesurteile wurden damals nicht hinterfragt und waren für die Briten alternativlos“, so der Historiker. Insgesamt zirka 200 von britischen Gerichten zum Tode verurteilte Männer und Frauen, darunter auch der Kommandant von Bergen Belsen, Josef Kramer, und KZ-Personal wie Irma Grese wurden in einem heute nicht mehr vorhandenen Westtrakt des Hamelner Zuchthauses mit dem Galgen exekutiert.

Pierrepoints erhaltenes „execution diary“, sein Hinrichtungstagebuch, listet penibel die Namen und die zur Hinrichtung notwendigen Daten wie Name, Alter, Gewicht, Größe und die daraus errechnete Seillänge auf. Neben dem KZ-Personal wurden auch andere Kriegsverbrechen mit dem Strang bestraft wie etwa Vergehen an alliierten Kriegsgefangenen. Hingerichtet wurden in Hameln 155 deutsche Kriegsverbrecher. Die ersten Hinrichtungen fanden am 13. Dezember 1945 statt, die letzte war die von Friedrich Knöchlein am 21. Januar 1949. Auch „Displaced Persons“, ehemalige polnische und sowjetische Zwangsarbeiter, die Verstöße gegen das Besatzungsrecht begangen und marodiert hatten, wurden in Hameln hingerichtet.

Ein schwieriger Ort der Geschichte, der wir uns stellen müssen.

Bernhard Gelderblom, Hamelner Historiker

Anfangs neben dem Zuchthaus beerdigt („Jeweils drei Särge übereinander bis in drei Meter Tiefe“) wurden die Hingerichteten ab Sommer 1947 in das Gräberfeld CIII am Rande des Friedhofs Am Wehl verbracht. Gelderblom: „Dort ruhten die Opfer des Zuchthauses dann neben den Tätern.“ Auch auf dem Friedhof Am Wehl achteten die Briten auf eine anonyme Bestattung. Der Friedhofsverwaltung waren nur die Personalien der Bestatteten bekannt. Den Belegungsplan gaben die Briten nicht heraus. Das Gräberfeld durfte gepflegt, allerdings keine Grabhügel errichtet und kein Grabschmuck aufgelegt werden.

  • Das Exekutionstagebuch des Henkers Albert Pierrepoint listet penibel die Daten der Hingerichteten auf.
Immer wieder tauchen am ehemaligen Gräberfeld kleine Gedenksteine mit „völkischer“ Symbolik auf.
  • Immer wieder tauchen am ehemaligen Gräberfeld kleine Gedenksteine mit „völkischer“ Symbolik auf.
  • Auch der KZ-Kommandant von Bergen-Belsen, Josef Kramer, hier bei seiner Verhaftung, wurde in Hameln hingerichtet.
  • Auch der KZ-Kommandant von Bergen-Belsen, Josef Kramer, hier bei seiner Verhaftung, wurde in Hameln hingerichtet.
  • Dieser Ort muss identifizierbar bleiben.“ Bernhard Gelderblom schlägt die Anbringung einer Tafel vor.
  • Dieser Ort muss identifizierbar bleiben.“ Bernhard Gelderblom schlägt die Anbringung einer Tafel vor.

Das Exekutionstagebuch des Henkers Albert Pierrepoint listet penibel die Daten der Hingerichteten auf.

  • Das Exekutionstagebuch des Henkers Albert Pierrepoint listet penibel die Daten der Hingerichteten auf.
Immer wieder tauchen am ehemaligen Gräberfeld kleine Gedenksteine mit „völkischer“ Symbolik auf.
  • Immer wieder tauchen am ehemaligen Gräberfeld kleine Gedenksteine mit „völkischer“ Symbolik auf.
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Ausführlich spürte Gelderblom der Geschichte des Konflikts um die Gräber der Hingerichteten nach, die eigentlich gemäß Friedhofsordnung nach 25 Jahren hätten eingeebnet werden sollen. Doch seitens der politischen Rechten regte sich 1975 dagegen in Form einer Bürgerinitiative Widerstand. NPD und FAP, Alt- und Neonazis, aber auch nationalkonservative Hamelner hielten am Gräberfeld Treffen ab, wobei der Hitlergruß ungestraft gezeigt wurde, es zu tätlichen Auseinandersetzungen kam, die Polizei jedoch nicht eingriff. Gegendemonstranten wurden von der Polizei eingekesselt, während die Rechte am 8. März 1986 einen ungestörten Marsch durch die Nordstadt unternehmen konnte und die Stadt ebenfalls nicht reagierte. Erst die überregionale Berichterstattung bewirkte die in aller Stille am 5. März 1986 durchgeführte Einebnung des Geländes. Die BI verklagte daraufhin die Stadt und verlangte eine Wiederherstellung des Gräberfeldes. Am 25. März 1993 wurde die Klage der BI wegen Wiederaufstellung von Grabmalen und Grabkreuzen vom Verwaltungsgericht Hannover abgewiesen.

Eine 1986 von der Stadt in Auftrag gegebene Dokumentation von Peter Krone arbeitete den Personenkreis der Hingerichteten auf, enthielt sich aber leider jeglicher Bewertung, würdigte auch nicht die beachtliche Leistung der Briten bei der Aufarbeitung der von deutschen Kriegsgefangenen begangenen Verbrechen. Auch eine öffentliche Diskussion fand nicht statt.

„Der Spuk ist aber noch nicht vorbei“, so Gelderblom.

Sein Fazit: „32 Jahre nach der Einebnung ist die Zeit reif für Information und eine reflektierte und selbstkritische Auseinandersetzung.“ Sein Vorschlag: Anbringung einer entsprechenden Tafel. Das fand durchaus die Zustimmung der Zuhörer. „Ein schwieriger Ort der Geschichte, der wir uns stellen müssen. Ein Ort, der identifizierbar bleiben muss.“

Mit der Beseitigung der Gräber sei das Problem weder gelöst noch aufgearbeitet worden. Auch kämen Kindeskinder der Hingerichteten und suchten einem Ort zum Trauern. „Die Angehörigen haben ein Recht darauf. Wir Hamelner haben ein Recht auf Information und die Pflicht zur Auseinandersetzung. Welche Irrtümer, welche Legendenbildungen sind an diesem Ort geschehen? „Müssen wir uns dem nicht in einer öffentlichen Diskussion stellen?“, so Gelderbloms Frage.

Bernhard Gelderblom ist ein deutscher Historiker, Pädagoge und Autor. Nach dem Studium der Fächer Evangelische Theologie, Geschichte und Politik war Gelderblom bis 2006 am Albert-Einstein-Gymnasium in Hameln als Lehrer tätig. Er hat sich intensiv mit der jüdischen  und der NS-Geschichte der Region beschäftigt und zahlreiche Darstellungen verfasst. Im Jahr 2010 gründete er den Verein für regionale Kultur- und Zeitgeschichte Hameln e.V., dessen Vorsitz er seitdem innehat.

Quelle: Deister- und Weserzeitung vom 29.09.2018

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Birgit
Birgit
5 Jahre zuvor

Was haben sich die Westalliierten über die sowjetischen Speziallager 1945-1950 aufgeregt !
http://www.gulag.memorial.de/pdf/kilian_speziallager.pdf

Fakt ist, die Inselaffen und die Amis haben viel mehr Leichen im Keller.
Erinnert sei an die Rheinwiesen, dort haben sie vermutlich über 1 Mio. deutsche Soldaten verhungern lassen.
Und in Dresden haben sie am 13.Feb,1945 vermutlich bis zu 500 000 Menschen vom Leben befreit. IM_ Leichentuch sprach allerdings von einem Befreiungsschlag und nannte 20.000.

Die Kriegsverbrechen der Alliierten beruhten auf der Tatsache, alle Umgebrachten waren nur juristische Sachen , keine Menschen.
Beste Grüße an die Personalausweisträger, als Sache lebt man gefährlich.

Annette
Annette
5 Jahre zuvor

Steinmeier wird nie auf die Knie fallen…
Für die Männer, die unter Umständen durch kausale Verkettungen seine Geburt ermöglicht haben.