Marxloh – „Alles nur Show“ – Das halten Duisburger von Merkels Besuch

21.08.2015 | 15:24 Uhr
„Alles nur Show“ – Das halten Duisburger von Merkels Besuch
"Alles nur Show" - Das halten Duisburger von Merkels Besuch
Bundeskanzlerin Angela Merkel wird am Dienstag zu Besuch in Duisburg-Marxloh erwartet. Dass der Besuch, dem mit vielen Problemen kämpfenden Stadtteil, dauerhaft etwas bringt, bezweifeln viele Duisburger. Foto: dpa

Duisburg. Am Dienstag wird Kanzlerin Angela Merkel Marxloh besuchen. Doch die wenigsten Duisburger glauben, dass der Besuch etwas im Stadtteil verbessern wird.

Bundeskanzlerin Angela Merkel kommt nach Duisburg. Nach Marxloh. Im Gespräch mit 50 bis 60 eingeladenen Bürgern will sie am 25. August im Zuge einer Bürgerdialog-Veranstaltungsreihe der Bundesregierung persönlich der Frage nachgehen, wie gut es sich in Deutschland leben lässt. Dazu hat sich Merkel den Brennpunkt im Stadtnorden ausgesucht. Wir haben bei einigen Duisburgern nachgehört, was sie vom Merkel-Besuch erwarten. Das Ergebnis: fast nichts!

Sören Link, Oberbürgermeister (SPD):

„Ich erwarte, dass die Kanzlerin die Sorgen und Nöte der Bürger in Marxloh ernst nimmt. Was ich mir aber vor allem erhoffe, ist, dass Frau Merkel ihren Besuch und ihre Eindrücke langfristig in Erinnerung behält, vor allem in den Momenten, in denen Entscheidungen getroffen werden, die sich auf die Menschen in Duisburg und damit auch auf Marxloh auswirken. Grundsätzlich ist Marxloh für mich ein lebendiger Stadtteil von ungemeiner Vielseitigkeit, der besser dasteht, als sein bundesweiter Ruf es gerade vermuten lässt. Sicher gibt es dort viele Herausforderungen, aber denen stellen wir uns. Vor Problemen haben wir uns in Duisburg noch nie weggeduckt. Ich bin sicher, dass die Bundeskanzlerin diesen Eindruck aus Marxloh mitnehmen wird.“

Veton Ramadani, Schauspieler:

„Ich wäre gern dabei bei der Fragerunde. Ich glaube aber, dass da nur ausgesuchte Gäste mit vorher genehmigten Fragen hinkommen – wie damals im Kommunismus. Ich würde die Bundeskanzlerin fragen, warum sie den politischen Einfluss, den sie in Europa hat, nicht dafür einsetzt, den Roma in ihren Heimatländern Rumänien und Bulgarien zu helfen.“

Rainer Enzweiler, CDU-Fraktionsvorsitzender

„Ich würde die Bundeskanzlerin auf die Probleme in Marxloh aufmerksam machen. 19 Prozent Arbeitslosigkeit, mehr als in Duisburg oder Hamborn, da muss man ansetzen. Die Konzentration der Zuwanderer überfordert auch die Bürger, die besten Willens sind. Und der Respekt vor den Autoritäten ist stark geschrumpft.“

Edeltraud Trosch, Hausverwalterin in Marxloh:

„Ich gehöre leider nicht zu den geladenen Gästen. Ich kann nur hoffen, dass man Frau Merkel in Marxloh zu den richtigen Stellen bringt. Ich würde sie gerne fragen: Wie wollen Sie das Problem mit den vielen zugereisten Armutszuwanderern lösen? Und ihr sagen: Meine Mieter laufen weg, ich kann die Grundsteuern bald nicht mehr zahlen.“

Frank Börner, Landtagsabgeordneter (SPD):

„Was ich vom Merkel-Besuch erwarte? Nichts. Aber: Wenn jetzt nach dem Vizekanzler auch noch die Kanzlerin kommt, kann die Bundesregierung wenigstens nicht mehr sagen, wir haben nichts gewusst. Falls es in Marxloh mal eskaliert. Eingeladen bin ich nicht. Es kommen ja nur Vertreter von Interessengemeinschaften, die vorher schon Luft ablassen dürfen.“

Ufuk Yildirim, Geschäftsmann in Marxloh:

„Ich habe keine Erwartungen. Für uns in Marxloh wird sich nichts ändern durch den Besuch von Frau Merkel. Wir haben nichts davon. Mal ganz davon abgesehen, dass ja nur ausgesuchtes Publikum zugelassen wird. Frau Merkel wird sicherlich nicht hier bei mir vorbeikommen und sagen: Ach, der August-Bebel-Platz müsste mal neu gestaltet werden.“

Rund drei Stunden soll die Stippvisite der Bundeskanzlerin in Duisburg dauern. Es gilt Sicherheitsstufe 1, aber auch Händeschütteln soll möglich sein.

Michael Fastabend, Leiter der Volkshochschule Nord:

„Eingeladen bin ich nicht, obwohl ich so Einiges über Marxloh und Hamborn sagen könnte. Zum Beispiel, wie sich die Migrantensituation darstellt, oder die Bildungssituation. Außerdem würde ich Frau Merkel einladen, mal einen ganzen Tag hier zu verbringen, am besten incognito – falls sie daran Interesse hat.“

Hans Lembeck, 95-jähriger Hamborner und Heimatforscher:

„Ich finde es schön, dass sie nach Marxloh kommt. Ich wundere mich, dass die Bundeskanzlerin das bei ihrer knappen Zeit überhaupt schafft. Ich wüsste gerne von ihr, wie sie den Flüchtlingsstrom lenken will. Und, was man gegen die Kriminalität tun kann. Man hört und liest ja kaum noch andere Nachrichten in letzter Zeit.“

Nurullah Tas, seit 20 Jahren Fahrschullehrer in Marxloh:

„Ich finde es gut, dass die Kanzlerin kommt. Sie soll mal durch Marxloh fahren, speziell die Dahlstraße und die Hagedornstraße besuchen. Aber die Stadt soll vorher nicht sauber machen. Wenn Frau Merkel unsere Probleme sieht, wird sie sicherlich etwas unternehmen, um die Probleme zu lösen, die durch Zuwanderer entstehen.“

Pater Tobias, Pastor in Neumühl:

„Ich wundere mich, dass ich als Träger des Integrationspreises keine Einladung bekommen habe. Ich hoffe, dass Pater Oliver Frau Merkel Marxloh so zeigt, wie es ist. Aber das wird er schon. Man muss ihr die Wahrheit erzählen über die Kriminalität und die Flüchtlingsproblematik. Sie kommt ja in die Stadt, um zu erfahren, wie man in Deutschland lebt.“

Mehmet Ali, Unternehmer und Marxloher Großgastronom:

„Sie sind eine starke Kanzlerin, würde ich Frau Merkel sagen, machen sie in Marxloh starke Politik! Dieser Stadtteil könnte blühen. Ich und andere Unternehmer halten aber große Investitionen zurück. Weil wir nicht wissen, ob Politik und Polizei uns hier künftig schützen. Wenn es so weiter geht, werden viele Unternehmen gehen.“

Jörg Weißmann, Vorsitzender des Heimatvereins Hamborn:

„Ich finde es gut, dass die Bundeskanzlerin Angela Merkel nach Marxloh kommt. Wäre ich dabei, würde ich sie fragen: Liebe Frau Merkel, was treibt Sie an bei den vielen Krisen, den vielen Belastungen und Verhandlungen, die ihr Amt mit sich bringt? Und was gibt ihnen die Kraft, all dies durchzuhalten?“

Uwe Heider, Bezirksbürgermeister (SPD):

„Ich habe eine Einladung, darf aber keine Fragen stellen. Ich bin nur Zuschauer. Was ich von dem Besuch erwarte? Gar nix. Vielleicht ist Marxloh an dem Tag etwas sauberer und es ist mehr Polizei unterwegs. Ich würde Frau Merkel gerne sagen, dass es nicht reicht, Gesetze zu machen, sondern auch Geld bereit gestellt werden muss. Etwa für Flüchtlinge.“

Heike Güresir, fast schon legendäre Betreiberin eines Marxloher 24-Stunden-Kiosk:

„Eigentlich wäre ich ja gern dabei. Aber Fragen vorher genehmigen lassen? Nee, das ist nichts für mich. Wo leben wir denn? Jedenfalls: Ich würde Frau Merkel bitten, dauerhaft für hohe Polizeipräsenz in Marxloh zu sorgen. Damit die vielen netten Marxloher sich sicher fühlen.“

Hans-Joachim Meyer, Marxloher Heimatbuch-Autor:

„Das ist alles nur Schau. Am Gespräch nehmen doch nur 50, 60 handverlesene Leute teil. Frau Merkel müsste mal einen Rundgang durch Marxloh machen, sich die Straßen, Häuser und Höfe angucken. Ich würde ihr gerne erzählen, wie schön es früher hier war. Ich erwarte für unseren Stadtteil gar nichts von dem Besuch.“

Heinz Maschke, Geschäftsführer der Entwicklungsgesellschaft EG DU, die jetzt wieder in Marxloh ein Stadtteilbüro einrichtet.

„Die Leute sollen Merkel sagen, was ihnen am dem Herzen liegt. Marxloh braucht Unterstützung. Aber ich möchte auch nicht in einem Stadtteil leben, der immer nur schlecht geredet wird. Wir müssen dafür sorgen, dass die Menschen gerne in Marxloh leben.

Hülya Ceylan, Mitarbeiterin der Begegnungsstätte der Ditib-Merkez-Moschee

„Ich würde die Kanzlerin fragen, wie man auf politischer Ebene dafür sorgen kann, die Gesellschaft zusammenzuhalten.“ Als Sozialarbeiterin in Marxloh erlebe ich, dass die Menschen in unserem Stadtteil bunter, älter und weniger werden – das führt immer häufiger zu Konflikten. Wie will sie diese Herausforderung meistern?“

Quelle: Der Westen vom 21.08.2015

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