Deutschland – Globalisierung für alle: Deutschland übernimmt Präsidentschaft der G-20

 

Bundeskanzlerin Angela Merkel (M) auf dem G20-Gipfel in Antalya, November 2015.
Bundeskanzlerin Angela Merkel (M) auf dem G20-Gipfel in Antalya, November 2015.

Deutschland hat den Staffelstab als Präsident des Klubs der weltweit größten Wirtschaftsnationen von China übernommen. Die Schwerpunkte der Präsidentschaft sollen in einer „stärkeren Gestaltung“ der Globalisierung, im Klimaschutz und bei der „Bekämpfung von Fluchtursachen“ bestehen. Es besteht also Grund zur Skepsis.

Bei einem Festakt am Mittwoch übernahm die Bundesregierung offiziell den G-20 Vorsitz von der chinesischen Regierung. Bundeswirtschaftsminister Wolfgang Schäuble verortet die aktuellen globalen Herausforderungen vor allem in der Wahl Donald Trumps zum US-Präsidenten und der „unberechenbaren Politik“ des russischen Präsidenten Waldimir Putin. Auch die Entwicklungen in der Türkei unter der Präsidentschaft Erdogans liefern demnach Grund zur Besorgnis.

Im Sinne der skizzierten Agenda für die G20-Präsidentschaft Deutschlands ließ Schäuble wissen, dass für eine bessere Gestaltung der Globalisierung „zum Nutzen der Menschen“ vor allem der „Welthandel und offene Märkte“ eine zentrale Rolle spielen. In Bezug auf die wachsende Skepsis und Sorge der Menschen gegenüber der Globalisierung sagte Schäuble:

Die Antwort ist sicher nicht eine Rückkehr zu Nationalismus und Protektionismus.

Dies sei laut Schäuble eine der Lehren des 20. Jahrhunderts. Auch Bundeskanzlerin Merkel ließ verlautbaren, dass die Gestaltung der Globalisierung „zum Nutzen aller“ eines der Kernanliegen der Deutschen G20-Präsidentschaft darstellen wird.

Aktuell scheint es jedoch zumindest auf bundesdeutscher Ebene keine Ambitionen zu geben, die praktizierte neoliberale Form der Globalisierung menschlicher zu gestalten. Trotz weiter steigendem Bruttosozialprodukt und einer „boomenden“ Exportwirtschaft steigt ebenfalls die Zahl der in Armut lebenden Menschen in dramatische Bereiche. Kein Zweifel, die wirtschaftliche Lage in Deutschland ist gut, doch ein großer Teil der Bevölkerung profitiert davon nicht.

Die G-20 wurden Ende des Jahres 1999 als Reaktion auf die Finanzkrise in Asien gegründet. Zunächst trafen sich nur die Notenbankgouverneure und Finanzminister der wirtschaftlich stärksten Nationen im Rahmen der „Gruppe der 20“. Ab Mitte November des Jahres 2008 kamen, aufgrund der nun international gewordenen Finanzkrise, erstmals auch die Regierungs- und Staatschefs auf Ebene der G20 zusammen. Auf dem Gipfel von Pittsburgh im September 2009 wurde dann die G20 zum zentralen Forum für die internationale wirtschaftliche Zusammenarbeit ausgerufen.

Neben Gestaltungsfragen der Globalisierung soll ebenfalls der Klimaschutz eine zentrale Rolle während der deutschen G20-Präsidentschaft spielen. Im entsprechenden Programm heißt es dazu, dass man zur Verwirklichung des Pariser Klimaabkommens beitragen und Konzepte zur Förderung der Nachhaltigkeit vorantreiben wolle.

Doch wie möchte Deutschland im Bereich Klimaschutz inspirieren und führen, wenn die eigene Klimapolitik weit hinter den Erwartungen zurückbleibt und von einer „Klimakanzlerin“ Merkel schon lange keine Rede mehr sein kann? So hätte etwa der ambitionierte Klimaschutzplan 2050, bereits im September im Kabinett verabschiedet werden sollen. Doch Umweltschutzorganisationen sprechen von einem „Fiasko“, da der vom Umweltministerium ausgearbeitet Plan zwischen Energie-, Verkehrs-, Umwelt- und Landwirtschaftsministerium aufgerieben wurde.

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Da half offensichtlich auch die UN-Klimakonferenz in Marrakesch nur wenig. Vor allem Wirtschaftsminister Gabriel sorgte sich offensichtlich zu sehr vor Kritik von Gewerkschaften und Wirtschaft an den weitreichenden Empfehlungen zur Reduzierung der Treibhausgasemissionen, was zur Abschwächung des Klimaschutzplans in mehreren Punkten führte.

Deutschland wird daher das Ziel, den CO2-Ausstoß im Vergleich zu 1990 um 40 Prozent zu reduzieren, nach Einschätzung von Umweltministerin Barbara Hendricks nicht vollständig erreichen:

Ich vermute, dass wir das nicht ganz schaffen werden.

Man werde wohl „etwas darunter liegen“ ergänzte sie, denn selbst mit den optimistischsten Annahmen kommt Deutschland auf eine höchstens 37 prozentige Verringerung der entsprechenden Emissionen. Auch die acht Kohlemeiler, die unter Zuhilfenahme einer Braunkohle-Kraftwerksreserve bis 2020 stillgelegt werden sollen, reichen da nicht aus, um Skeptiker zu überzeugen und die Bundesrepublik auf Kurs zu bringen.

Doch zurück zur G-20, bei der die dritte Säule der Präsidentschaftsagenda, nach Verlautbarungen der Bundeskanzlerin, die Bekämpfung von Fluchtursachen in Afrika darstellen soll. Um dieses Ziel zu erreichen, sollten sich die G-20-Nationen stärker als „Verantwortungsgemeinschaft“ profilieren, um dadurch zur Lösung der wirtschaftlichen Herausforderungen in Afrika und zur Verbesserung der Lebensbedingungen vor Ort beizutragen.

Dazu zähle unter anderem, sowohl stabilere Rahmenbedingungen für Investitionen zu schaffen, als auch den Ausbau der Infrastruktur zu fördern. Eine deutliche Erhöhung des Entwicklungsetats im Haushalt des Jahres 2017 soll zu diesem Ziel beitragen. Nun stellt sich jedoch die Frage, wie sich die Ablehnung von „Protektionismus“ mit der europäischen Wirtschaftspolitik gegenüber dem afrikanischen Kontinent verträgt, oder ob der vermeintlich so verpönte Protektionismus für viele Staaten Afrikas nicht vielmehr notwendig ist, um sich beispielsweise vor subventionierten EU-Produkten zu schützen.

Dazu Peter Wahl von der Nichtregierungsorganisation Weltwirtschaft, Ökologie & Entwicklung (WEED):

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[…] Wir werden gerade Entwicklungsländern immer die Möglichkeit geben müssen, auch sich zu schützen und sich erst aufzubauen. Es gibt ja dieses klassische Beispiel mit Afrika, wo wir unsere Hähnchenschenkel, die wir nicht wollen, hin transportieren und damit die heimischen Industrien kaputt machen bzw. gar nicht erst entstehen lassen. Hier wäre ein Zoll absolut gerechtfertigt von Seiten der Entwicklungsländer, damit sie eine Chance haben, im globalen Wettbewerb überhaupt teilzunehmen.

Seit dem Jahr 2002 verhandelt die EU Freihandelsabkommen mit den sogenannten AKP-Staaten aus Afrika, der Karibik und der Pazifik-Region. Die in diesem Zusammenhang mit vielen afrikanischen Staaten bereits ausgehandelten „Economic Partnership Agreements (EPA)“ verlangen dabei, dass die betreffenden Staaten ihre Märkte umfassend für EU-Exporte öffnen. Dafür soll ihnen im Gegenzug der Zugang zum EU-Markt gewährt werden. Ebenfalls gestrichen werden Importbegrenzungen, aber auch Zölle und Exportsteuern.

Vermeintlich gleiche Bedingungen für ungleiche „Partner“ führen jedoch für Millionen von Menschen ins soziale und wirtschaftliche Verderben. Zumal die europäischen Produzenten darüber hinaus in den Genuss von wettbewerbsverzerrenden Milliarden-Subventionen kommen und ihre Erzeugnisse daher auf den örtlichen Märkten noch billiger als die von der Hand in den Mund lebenden Bauern anbieten können.

Auch Armin Paasch vom Hilfswerk Misereor zeigt sich vom unfairen Charakter dieser Art Wettbewerb überzeugt:

Europäische Exporte von Milchpulver, Tomatenpaste, Geflügel- oder Schweinefleisch drängen Kleinbauernfamilien in Ghana, Burkina Faso und der Elfenbeinküste aus den lokalen Märkten.

Wer solche Freunde hat, braucht keine Feinde mehr, möchte man da meinen. Dass so viele Menschen aus Afrika nach Europa fliehen möchten, liegt also auch in der Verantwortung Europas, das sich nun jedoch anschickt, die Fluchtursachen bekämpfen und Afrika bei seiner Entwicklung „helfen“ zu wollen.

Auch inwieweit der Aufbau deutscher Militärbasen zur „Bekämpfung von Terrorismus“, wie etwa jüngst für Mali vereinbart, den Afrika-Zielen der deutschen G20-Präsidentschaft zuträglich ist, bleibt schleierhaft. Ganz zu schweigen von militärischen Abenteuern wie etwa der NATO-Intervention in Libyen, durch die ein prosperierender Staat zum „failed state“ gebombt wurde und nach wie vor die gesamte Region destabilisiert. Die europäische Politik in ihrer ganzen Absurdität offenbart sich, nicht nur hier, als die sprichwörtliche Quadratur des Kreises.

Auch was die globale Form des Freihandels anbelangt, scheint diese vor allem den reichen Industrienationen und hier vor allem den Konzernen in die Hände zu spielen, während weite Teile der Bevölkerung entweder der Armut verfallen, wie etwa in Europa und den USA, oder diesen die Befreiung aus dem Teufelskreis der Armut erschwert wird, wie etwa in weiten Teilen Afrikas, aber auch Südamerikas und Asiens.

Man darf daher durchaus gespannt sein, was die tatsächlichen Ergebnisse des deutschen Vorsitzes der G20 sein werden.

Die G20-Gruppe der wirtschaftlich potentesten Industrie- und Schwellenländer ist das wichtigste Forum für die weltweite Finanz- und Wirtschaftspolitik. Deutschland übernimmt zum 1. Dezember unter dem Motto „Eine vernetzte Welt“ offiziell den G20-Vorsitz von China. Anfang Juli richtet die Bundesregierung als Höhepunkt der Präsidentschaft den Gipfel der Staats- und Regierungschefs in Hamburg aus. Die Notenbankgouverneure und Finanzminister der G20 werden erstmals am 17. und 18. März in Baden-Baden offiziell zusammenkommen.

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Ulrike
Ulrike
7 Jahre zuvor

Deutschland will Afrika in seiner Entwicklunge helfen …dass nicht noch mehr Urwaldaffen zu uns kommen.

Wieviel Geld wurde in den letzten 60 Jahren schon nach Afrika gespendet???? Schon als Kind mussten wir in der Schule für die armen Negerlein spenden.

Und was ist damit passiert??? Das ist ein Fass ohne Boden.
Was gehen uns die an ??? Sichert unsere Grenzen und basta. Wann kapieren das unsere Polithansel und die Gutmenschen?

Birgit
7 Jahre zuvor

Wenn die Spenden wirklich angekommen wären, hätten wir jetzt nicht diese Katastrophe !