Regionalkonflikt Konflikt zwischen Kurden und Türkei eskaliert

Der Konflikt schwelt, nun bricht er auf: Die Türkei geht gegen die Kurden im Nordirak vor, angeblich, um den Terror der PKK zu stoppen. Doch dieser wird täglich massiver und auch Zivilisten geraten zwischen die Fronten.

Mardin/Instanbul – Kurdische Rebellen haben nach Behördenangaben auf ein Polizeifahrzeug im Süden der Türkei geschossen. Dabei sei am Samstagabend ein Polizist getötet und ein weiterer verletzt worden. Das Gouverneursbüro der Provinz Mardin teilte mit, Kämpfer der kurdischen Arbeiterpartei PKK hätten auf Beamte im Streifendienst gefeuert.

In der Türkei war die Gewalt in den vergangenen Wochen aufgeflammt, wodurch ein brüchiger Friedensprozess zwischen der PKK und der türkischen Regierung zerstört wurde. Fast täglich greifen kurdische Rebellen türkische Sicherheitskräfte an, seit Beginn der Eskalation des Konflikts am 22. Juli wurden bei Anschlägen und Gefechten in der Türkei mehr als 30 Menschen getötet, die meisten davon Angehörige der Sicherheitskräfte. Türkische Kampfjets haben derweil mutmaßliche PKK-Stellungen im Norden des Iraks attackiert. Doch die Wirkung und die tatsächliche Zahl der Opfer in den Reihen der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei sind heftig umstritten. Die staatliche türkische Nachrichtenagentur Anadolu meldete am Sonntag unter Berufung auf anonyme Sicherheitsquellen, 390 PKK-Kämpfer seien getötet und 400 weitere verletzt worden. Die PKK-Führung dementierte dies und sprach von nur sieben Toten in den eigenen Reihen. Die Zahl der getöteten Zivilisten sei aber erheblich, so die Kurdenpartei.

Laut Anadolu sind unter den Toten ein PKK-Bataillonskommandeur, die Anführerin der PKK-Frauenorganisation und rund 30 Kämpferinnen. Offizielle Regierungsangaben gab es dazu nicht. Der operative PKK-Führer Cemil Bayik sagte der ARD bei einem Treffen im nordirakischen Kandil-Gebirge, es seien nur sieben PKK-Kämpfer ums Leben gekommen und neun verletzt worden. Zur Gesamtzahl der Opfer auch unter der Zivilbevölkerung machte er keine konkreten Angaben.

Zugleich warnte Bayik vor einem Scheitern der Anti-IS-Koalition, falls die Türkei ihre Luftangriffe gegen PKK-Stellungen im Nordirak fortsetzen sollte. „Wir kämpfen alle an der gleichen Front gegen den IS“, sagte er der ARD. „Wenn die US-geführte Koalition sich jetzt aber entscheidet, auf der Seite der Türkei gegen die Kurden zu stehen, dann wird das auch eine Niederlage für die Koalition sein.“ Die Türkei sei der Koalition hauptsächlich beigetreten, um im syrischen Grenzgebiet eine Pufferzone einzurichten, „damit die Kurden sich dort nicht zusammenschließen können“.

Der Ko-Vorsitzende der pro-kurdischen Partei HDP, Selahattin Demirtas, forderte die türkische Regierung und die PKK zu einem sofortigen Ende der Gewalt auf. „Die PKK muss sofort ihren Finger vom Abzug nehmen“, sagte er nach Angaben der Nachrichtenagentur DHA am Samstag in der osttürkischen Stadt Van. Die Organisation müsse sich wieder an den Waffenstillstand halten. Zugleich müsse die Regierung ihre militärischen Operationen beenden und sich zu Verhandlungen bereiterklären. „Die gesamte Gesellschaft erwartet das.“

Der türkische Ministerpräsident Ahmet Davutoglu begrüßte den Aufruf. Er sagte am Samstag bei einem Besuch in der südosttürkischen Stadt Sanliurfa laut Anadolu, seine Regierung unterstütze keine Gewalt, werde aber die Ermordung von Sicherheitskräften nicht hinnehmen.

Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) warnte vor einer weiteren Eskalation der Gewalt. „Es wäre fatal für die Türkei und für die Region, wenn über die regionalen Konflikte des Mittleren Ostens der innerstaatliche Friedensprozess mit den Kurden jetzt gegen die Wand fahren würde“, sagte er der „Rheinischen Post“ (Samstag).

Quelle: Handelsblatt-online vom 09.08.2015

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