Migration – Arbeitslosigkeit: Junge Spanier verlassen ihre Heimat

Wachsende Wirtschaft und sinkende Arbeitslosigkeit in Spanien sollen belegen, dass die EU-verordneten Sparmaßnahmen sich auszahlen. Allerdings sind drei von vier neu geschaffenen Jobs zeitlich befristet. Im Wahlkampf bleibt ein weiterer Faktor unerwähnt: Die zahlreichen jungen Auswanderer fallen praktischerweise aus der Arbeitslosen-Statistik heraus.

Die Arbeitslosenquote in Spanien sinkt zwar, allerdings sind drei Viertel aller neuen Jobs zeitlich befristet. (Grafik: Instituto Nacional de Estadísdica)

Die Bevölkerung in Spanien schrumpft seit Beginn der Krise 2012. (Grafik: Instituto Nacional de Estadística INA)

Die meisten spanischen Auswanderer sind zwischen 25 und 35 Jahre alt. (Grafik: Instituto Nacional de Estadística)

Die europäischen Zeitungen feiern Spaniens wirtschaftlichen Aufschwung. Sinkende Arbeitslosenzahlen und ein Wachstum von einem Prozent sollen belegen, dass die harten Sparmaßnahmen sich endlich auszahlen. Für Ministerpräsident Mariano Rajoy sind die Statistiken wichtigstes Wahlkampf-Instrument: Er erklärt Spanien zur neuen Wachstumslokomotive Europas  und verspricht für den Fall einer Wiederwahl bereits großzügig Steuererleichterungen und Erhöhungen der Beamtengehälter:

Das Budget für 2016 sehe um ein Prozent höhere Bezüge vor, sagte der konservative Regierungschef am Freitag. Seit 2009 hatte es keine Erhöhung mehr gegeben. Auch die Pensionen sollen um einen Viertel Prozentpunkt steigen.

Auch der spanische Arbeitsmarkt hatte zwischen April und Juni sein bestes Trimester seit 10 Jahren. Es wurden 411.800 neue Jobs geschaffen. Die Zahl der Arbeitslosen sank um 295.600 auf eine Quote von 22,37 Prozent, den niedrigsten Stand seit Ende 2011, als die Regierung Rajoy an die Macht kam.

Doch einen Großteil der Verbesserung kommt aus zeitlich befristeten Arbeitsverträgen: Diese machen nach neuesten Arbeitslosen-Zahlen der INE-Statistikbehörde drei von vier neu geschaffenen Jobs aus, berichtet die Zeitung El País. Insgesamt macht die zeitlich befristete Arbeit – oftmals nur auf Wochen oder Monate ausgelegt – somit bereits mehr als ein Viertel der Beschäftigung in Spanien aus.

Ostern, gutes Wetter, Tourismus, Landwirtschaft, Baubranche, Aufstockung der Belegschaft für die Sommersaison: All diese Faktoren treiben vor allem die saisonale Beschäftigung an, so der Beschäftigungs-Bericht der Statistikbehörde EPA laut El País.

Allerdings bleibt ein weiterer Faktor unerwähnt: Die Auswanderungsraten in Spanien sind weiter hoch, so dass viele junge Auswanderer aus der Arbeitslosen-Statistik herausfallen. Dabei sind es gerade diejenigen ohne Job, die das Land auf der Suche nach Arbeit verlassen.

Insgesamt hat sich das Bevölkerungswachstum in Spanien seit der Krise ins Negative verkehrt, wie die aktuellen Zahlen zur Bevölkerungsentwicklung der Statistikbehörde INE zeigen: Wuchs die Bevölkerung 2011 zumindest noch leicht, sinkt sie seit Beginn der Krise  2012 kontinuierlich, weil nicht nur Spanier auswandern, sondern auch die einstigen Einwanderer Spanien verlassen und in andere Länder weiterziehen.

Die Abwanderung ist eine konstante Größe in Spanien und betrifft vor allem die Jugend. Über 110.500 Spanier zwischen 20 und 34 Jahren sind von 2008 bis 2014 ausgewandert, so die Zahlen der Nationalen Statistikbehörde INE nach Berichten von El Paìs. Mit Abstand beliebtestes Ziel der jungen Auswanderer war dabei Großbritannien, wohin in den genannten sechs Jahren allein 22.212 Spanier zogen. Allein in London nahm die Zahl spanischer Einwanderer in den 10 Jahren zwischen 2001 und 2011 um 60 Prozent auf 35.880 Einwohner zu. Auf Platz zwei folgt Deutschland mit 12.897 spanischen Einwanderern, dann Frankreich und die USA.

Die Abwanderung junger Spanier hat demnach insbesondere seit der Krise drastisch zugenommen. Zwischen 2002 und 2007, vor der Wirtschaftskrise, erreichten  13.024 Spanier zwischen 16 und 34 Jahren Großbritannien, so das Nationalen Institut für Statistik. In den sechs Jahren zwischen 2008 und 2013 stieg etwa die Zahl der jungen Spanier, die nach Großbritannien gingen, um 43 Prozent im Vergleich zu dem vorangegangenen Zeitraum.

Quelle: Deutsche Wirtschafts Nachrichten vom 23.08.2015

 

 

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